Ein dicker Pfropfen, ein Thrombus aus geronnenem Blut, der vom Knie bis in den Oberschenkel fest in der Arterie sitzt, kann die Blutversorgung des Beines so gut wie lahmlegen. Kleinere Gefäße können den blockierten Fluss in der Arterie nicht vollständig ausgleichen. Die Folge: Weil die Muskeln zu wenig Sauerstoff bekommen, wird das Gehen nach wenigen Schritten schmerzhaft. Der Patient muss stehenbleiben, in der Stadt vielleicht unauffällig vor den Auslagen der Geschäfte. Diesem Verhalten verdankt die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) die Bezeichnung „Schaufensterkrankheit“.
Ein solcher Pfropf lässt sich unter anderem mit einem Medizingerät behandeln, das das Gerinnsel zerkleinert und aus dem Gefäß entfernt. Der vom Schweizer Hersteller Straub Medical entwickelte Rotarex-S-Katheter hat einen Kopf, der nicht viel größer als die Spitze eines Zündholzes ist. Durch eine Punktion führt der Arzt diesen in die Arterie ein und weiter bis zum Gefäßverschluss. Dort beginnt der Katheterkopf auf Knopfdruck zu rotieren und zu saugen. Wenig später ist der Thrombus vollständig entfernt.
Vom Kleinmotor angetriebener Meißel zerkleinert den Pfropf
Um die Drehbewegung hervorzurufen, wird ein Motor außerhalb des Körpers über eine berührungsfreie Magnetkupplung mit dem Katheter verbunden. Die vom Motor erzeugte Rotation wird innerhalb des Körpers mittels einer hochfesten Stahlspirale (auch Helix genannt), die sich im Inneren des Katheterschlauches befindet, auf den Kopf übertragen. Der Katheterkopf selbst ist – wie ein Meißel – vorn an zwei Seiten stumpf abgeschrägt. Sobald er sich dreht, lösen diese Flächen das verfestigte Material des Thrombus von innen heraus ab und versetzen die Fragmente in eine starke Wirbelbewegung, die den gesamten Durchmesser des Blutgefäßes freiräumt.
Der Katheterkopf hat zwei kleine seitliche Öffnungen, in denen die Helix offenliegt. Die Rotation der Helix entwickelt, dem Prinzip der archimedischen Schraube folgend, einen Sog, der die abgelösten Fragmente in den Schlauch hineinzieht. Dort werden sie beim von innenliegenden Klingen weiter zerkleinert. Die Passage zum Auffangbeutel außerhalb des Körpers können sie so glatt durchlaufen.
„Die Entfernung des Verschlussmaterials erfolgt durchschnittlich in drei Minuten“, erklärt Dirk Dreyer, Direktor Vertrieb und Marketing bei Straub Medical. Von der Thrombolyse und anderen Verfahren her bekannte Effekte wie ein Aufenthalt auf der Intensivstation oder Schäden an der Gefäßwand können vermieden werden. Bei frischen Thromben lässt sich die Aspirex-S-Variante verwenden, deren Saugkopf ohne den Rotationsmeißel des Rotarex-S auskommt. Hier genügt die Sogwirkung der drehenden Spirale, um das Gerinnsel in die seitlichen Öffnungen hineinzusaugen und aus dem Körper heraus zu transportieren.
Kleinmotor muss hohe Drehzahlen erreichen
Damit der Kopf des Rotarex-S den Pfropfen auflösen kann und eine ausreichende Sogwirkung entsteht, ist eine hohe gleichmäßige Drehzahl nötig. 40 000 und sogar 60 000 Umdrehungen pro Minute, je nach Kathetergröße und -modell, sind der Richtwert. Dieser darf aus technischen Gründen nicht wesentlich über- oder unterschritten werden – unabhängig davon, ob der harte Verschluss aufgebrochen oder nur noch die letzten Partikel abtransportiert werden. Die Steuerung reagiert deshalb sehr schnell auf jeden Lastwechsel, und entsprechend präzise muss der Motor ihre Signale umsetzen.
„Es gibt nicht viele verfügbare Motoren, die unseren Qualitätsstandards genügen“, erklärt Dirk Dreyer. Im Gerät eingesetzt werden Motoren der Schönaicher Dr. Fritz Faulhaber GmbH & Co. KG. „Faulhaber hat uns schon bei der Entwicklung der ersten Prototypen unterstützt und wichtiges Know-how eingebracht“, ergänzt Dreyer. Nicht zuletzt gehe es bei der Verwendung eines Motors in einem medizintechnischen Gerät auch um Fragen der Medizinprodukte-Zulassung. Der Schönaicher Hersteller verfüge „über die nötigen Zertifikate, die uns im Hinblick auf Nachweispflicht und die Rückverfolgbarkeit auch der Geräteteile einen zusätzlichen Vorteil bieten.“
Im Handstück muss ein Kleinmotor leise und vibrationsfrei sein
Der Motor im Handstück des Geräts muss klein und leicht sein sowie leise und vibrationsfrei arbeiten. Der bürstenlose Antrieb der Serie 2444 … B wird deshalb schon in der Fertigung ausgewuchtet und durchläuft eine zusätzliche Feinwuchtung. Die Magnetkupplung dient auch als Drehmomentschutz: Wenn Helix oder Rotarex-Kopf im Betrieb blockiert werden, dreht sich das motorseitige Kupplungselement weiter, ohne zusätzliche Kraft einzubringen. Das schützt nicht nur Motor und Gerät, sondern vor allem auch das Blutgefäß.
Die Rotarex-S- und Aspirex-S-Katheter gibt es bisher mit Durchmessern zwischen 2 mm und 3,3 mm. Mindestens 3 mm Durchmesser muss ein Blutgefäß haben, um für die Geräte zugänglich zu sein. Adern im Gehirn und Herzkranzgefäße sind dafür zu eng oder zu kurvig. „Unsere Entwickler wollen aber noch kleinere Katheter schaffen“, berichtet Dirk Dreyer. „Das ist eine medizintechnische Herausforderung, die wir mit der Unterstützung von Faulhaber meistern wollen.“
Therapien gegen den Thrombus
Oft beginnt die Verstopfung mit einer Vernarbung oder Verkalkung des Gefäßes, und der entstehende Thrombus erreicht nicht selten Längen von 25 bis 30 cm. Um ihn zu beseitigen, gibt es verschiedene Methoden. Bei der Thrombolyse werden den Thrombus auflösende Substanzen durch einen Katheter direkt an den Thrombus geführt. Zum Risikospektrum solcher Wirkstoffe gehören Nebenwirkungen wie etwa Blutungen, und der Patient muss bis zu zwei Tage auf einer Intensivstation überwacht werden. Die Thrombolyse wirkt zudem nur an einem frischen Thrombus und hat keinerlei Einfluss auf anderes Verschlussmaterial wie Verkalkungen oder Narbengewebe. Die ursprüngliche Verengung des Gefäßes bleibt bei dieser Methode bestehen. Ist der Thrombus bereits älter als zwei Wochen, ist die Thrombolyse nicht mehr effektiv.
Als Fogarty-Verfahren wird die chirurgische Entfernung mit einem Katheter bezeichnet. Ein Ballon wird innerhalb des Gefäßes durch den Pfropfen hindurch geführt. Auf der anderen Seite des Pfropfens angelangt, wird der Ballon durch Injektion von Kochsalzlösung auf den Durchmesser des Gefäßes aufgepumpt. Das Zurückziehen des Ballons durch das Gefäß zurück soll auch das Gerinnsel herausbefördern. Das Verfahren schädigt allerdings die Gefäßwand.
Über den Erfinder
Die Entstehungsgeschichte der Rotarex-S-Methode ist typisch für die mittelständische medizintechnische Industrie der Schweiz: Ein Hightech-Ingenieur trifft auf ein ungelöstes medizinisches Problem und lässt sich etwas einfallen. Der 2012 verstorbene Gründer Immanuel Straub hatte seit den 1950er-Jahren neuartige Hochleistungsfedern entwickelt, die unter anderem in die Ventile von Formel-1-Motoren eingebaut wurden. Ein befreundeter Arzt machte ihn gegen Ende der 1980er-Jahre auf die schwierige Entfernung von Gefäßverschlüssen aufmerksam. Der Ingenieur hatte daraufhin die Idee, Katheter mit Hochleistungsfeder und Rotationsmeißel zu kombinieren. Straub schuf damit eine Behandlungsmethode, die seit 2000 im klinischen Einsatz ist.
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