Kalte Plasmen könnten in der Medizin Großes leisten: Sie unterstützen die Wundheilung, regen die Blutgerinnung an und können bei der Behandlung von Hautkrankheiten und Entzündungen helfen. Darüber hinaus wirken Plasmen desinfizierend und können sogar die Oberfläche von Implantaten so verändern, dass diese vom Körper besser angenommen werden. Doch viele dieser Entwicklungen sind bisher nicht über das experimentelle Stadium hinausgekommen – ihre flächendeckende Verwendung scheiterte an der Handhabung der Plasmen, die sich oft nicht zuverlässig einstellen lassen.
Dieses Problem haben PD Dr. Joachim Franzke und sein Team aus der Arbeitsgruppe Miniaturisierung am Dortmunder Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften – Isas – e.V. nun gelöst. Ihr patentiertes „Verfahren zur Ionisierung von gasförmigen Proben mittels dielektrisch behinderter Entladung und zur nachfolgenden Analyse der erzeugten Probenionen in einem Analysegerät“ haben die Wissenschaftler ursprünglich entwickelt, um es in der Analytik zu verwenden. Es sollte etwa als Ionisierungsquelle für die Massenspektrometrie eingesetzt werden. Bei ihren Arbeiten haben sie allerdings auch herausgefunden, mit welchen Gasen man das kalte Plasma zuverlässig zünden kann und wie man welchen Modus erzeugt – denn der Modus eines Plasmas bestimmt über seine Eigenschaften und Einsatzgebiete.
Spezielle physikalische Eigenschaften und ihre Ursache
Jedes Plasma ist ein Teilchengemisch, das – zumindest teilweise – aus geladenen Komponenten wie Ionen und freien Elektronen besteht. Wer von Plasma spricht, bezeichnet es häufig auch als vierten Aggregatzustand – neben den drei geläufigeren fest, flüssig und gasförmig. Um den Plasmazustand zu erreichen, wird einer bereits gasförmigen Materie so viel Energie zugeführt, dass sich auch Elektronen aus den Molekülen lösen. Das verleiht ihr spezielle physikalische Eigenschaften und ein charakteristisches Leuchten.
In der Natur treten Plasmen häufig auf: Etwa als Blitze oder als Flammen eines Feuers. Anders als diese natürlichen Plasmen erhitzen sich so genannte kalte oder nichtthermische Plasmen nur auf Raumtemperatur, weil die enthaltenen Teilchensorten sehr unterschiedliche Temperaturen haben. Im Fall des nun patentierten Plasmas sorgt die Technik der dielektrisch behinderten Entladung (dielectric barrier discharge, DBD) für diesen Effekt.
„Mit unserem neuen Verfahren können wir das Plasma sehr fein einstellen und damit auf unterschiedlichste Anwendungen hin anpassen“, erläutert Arbeitsgruppenleiter Franzke. „Wir versprechen uns vielfältige Einsatzmöglichkeiten von dieser Technologie.“ Die Plasmamedizin sei gerade erst im Kommen, und auch in der Labordiagnostik und für den Nachweis von Schadstoffen könnten die gezielt einstellbaren Plasmen eingesetzt werden.
Das Team um Franzke wird die Technologie in neuen Ansätzen für die Plasmamedizin erproben, zum Beispiel in einem Gemeinschaftsprojekt mit den Institutskollegen um Prof. Kristina Lorenz, bei dem es um die Einsatzmöglichkeiten von Plasmen in der Therapie von Herzkrankheiten geht. Lorenz leitet die Abteilung Biomedizinische Forschung am Isas und ist Direktorin des Westdeutschen Herz- und Gefäßzentrums (WHGZ) in Essen.
Vario-Plasma: Technologie auch für die Industrie
Das Isas hat seine Expertise und sein technologisches Know-How im Bereich der Erzeugung kalter Plasmen unter dem Stichwort „Vario-Plasma“ gebündelt. Die Expertise der Wissenschaftler steht auch der Industrie und den Geräteherstellern zur Verfügung. Das Technologieangebot wendet sich sowohl an Anwender aus der Plasmamedizin als auch aus der Lebensmittelsicherheit.