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Individuell entwickeln – aber vom Modul profitieren

Mobile Geräte: Mit linuxbasierter Plattform schneller und günstiger zum Produkt
Individuell entwickeln – aber vom Modul profitieren

Ein Entwicklungsdienstleister hat sich Gedanken gemacht, wie Betriebssystem, Benutzerschnittstelle und Kommunikationsmöglichkeiten sein müssten, damit man sie für viele mobile Geräte nutzen kann. Das Ergebnis ist bereits mehrfach im Einsatz.

Die Sicherheit des Patienten ist die letzte Stelle, an der Entwickler im Medizintechnik-Bereich sparen dürfen. Aber müssen alle Überlegungen zu Betriebssystem, Benutzerschnittstelle, grafischer Anzeige und Kommunikationsmöglichkeiten zig-fach und für jedes Gerät von Neuem angestellt werden? Der Forderung nach geringeren Gesundheitskosten widerspricht das.

Vor diesem Hintergrund hat der Erlanger Entwicklungsdienstleister Corscience GmbH & Co. KG sein Know-how für eine Vorausentwicklung genutzt und die wichtigsten Komponenten für ein medizinisches Handheld-Gerät als komplexe Plattform erstellt. Sie kann von Medizinprodukte-Herstellern als Basis für die individuelle Entwicklung genutzt werden. Sogar Benutzerschnittstellen wurden von vornherein mit berücksichtigt.
Auf dem Weg zu Plattform haben die Erlanger die Anforderungen an ein Handheld- Gerät für eine medizinische Anwendung analysiert. Dabei zeigten sich eine Reihe von Eigenschaften, die bei fast jedem neu zu entwickelnden Gerät gebraucht werden.
Obligatorisch bei höherwertigen Handheld-Geräten ist beispielsweise ein Touchscreen. Da die Anwender häufig Handschuhe tragen, wählte Corscience für seine Plattform einen resistiven Touchscreen mit einer Auflösung von 800 x 480 Pixeln und einer Bilddiagonale von 5 Zoll. Die Hardware-Ansteuerung dazu wurde entwickelt. Die zugehörige Benutzerschnittstelle kann durch kleinere Anpassungen bestimmte optische Wünsche, die ein Entwickler für sein neues Medizinprodukt umgesetzt sehen will, berücksichtigen. Sie ist auch für andere Display-Größen skalierbar.
Im Hintergrund arbeitet eine Basisplatine mit proprietären Schnittstellen, die im besten Fall direkt für das neue Medizinprodukt übernommen werden kann. Über sie laufen alle Rechenoperationen, das Speichern von Daten und die Ansteuerung der Hardware-Elemente wie des Touchscreens. Da das Betriebssystem Linux kostenfrei ist und inklusive aller Quelltexte für Anpassungen zur Verfügung steht, ist die Plattform flexibel – und es fallen keine Lizenzgebühren an.
An die Basisplatine lassen sich Sensorplatinen anschließen, die nach Kundenanforderungen gefertigt werden. Das System ist aber nicht auf den Anschluss von Sensorplatinen für die Vitaldatenerfassung eingeschränkt, sondern kann auch für Therapiesysteme wie beispielsweise die elektrische Muskelstimulation oder Defibrillation genutzt werden.
Die Schnittstelle zwischen Hauptplatine und Sensorplatine erlaubt einen Transfer von Daten und sorgt für das Energiemanagement. Die Daten können über eine Reihe von Schnittstellen übertragen werden – vorgesehen sind UART, SPI, USB, I²C, IO-Pins und ein WebCam-Interface. Um bequem verschiedene Speicher wie SD-Karten oder WLAN-Module einbinden zu können, stehen zwei MMC-Schnittstellen auf den Platinen-Steckern zur Verfügung. Kommunikationsmodule (UMTS) können integriert werden.
Nutzt ein Medizinproduktehersteller die Plattform für sein Entwicklungsprojekt, entstehen ihm im Bereich der Hardware-Entwicklung also nur die Kosten für die Sensorplatine sowie für das Anpassen der Softwaremodule, die Entwicklung eines spezifischen Gehäuses und die Zulassung und Qualifizierung seines neuen Produktes.
Dass sich das Plattform-Prinzip bewährt, zeigen Beispiele diagnostischer und therapeutischer Handheld-Lösungen, die sich auch in ganzheitliche Telemedizin-Systeme einbinden lassen. Der Cardio Monitor wurde beispielsweise für diagnostische Anwendungen im kardiovaskulären Bereich entwickelt. Besonders geeignet ist er beispielsweise für den Transport von Patienten inner- und außerhalb der Klinik. Über seine Bluetooth-Schnittstelle lassen sich seine Daten in ein Klinik-Informationssystem einbinden und an Dokumentationssysteme zur Erfassung von Einsatzprotokollen anschließen.
Im Beispiel wurden für die Vitalparameter-Erfassung EKG-, Pulsoximetrie- und Blutdruck-Sensoren verbaut, was viele Standard-Anwendungen im Patientenmonitoring abdeckt. Ein Austausch oder die Erweiterung der Sensorplatine ermöglichen einfach und günstig weitere Applikationsgebiete wie eine CO2-Messung für die Anästhesie.
Die vorausentwickelte Basistechnologie ist auch in einer Funkfernsteuerung für eine Muskelstimulationseinheit im Einsatz – also einem bereits zugelassenen Medizinprodukt. Hierfür wurden nur Teile wie das Benutzerinterface, der Touchscreen und Funkschnittstellen sowie das Batteriekonzept verwendet.
In einem jüngst entwickelten Profi-Defibrillator sah das Bedienkonzept kein Touchscreen vor, sondern einfache Drucktaster mit festen und variablen Funktionen. Eine Herausforderung war hier die Qualifizierung: Üblicherweise müssen verwendete Software-Elemente vollständig verifiziert und validiert werden. In Zusammenarbeit mit der Benannten Stelle konnte eine sinnvolle und kostenoptimierte Zulassung als Medizinprodukt erreicht werden.
Um die modulare Idee im Plattform-Konzept konsequent umsetzen zu können, ist ein modularer Softwareansatz wichtig: In der Praxis werden schließlich nicht nur verschiedene Prozessoren mit unterschiedlichen Hardware-Strukturen genutzt, sondern auch verschiedene Betriebssysteme. Diese Situation erfordert viele Software-Modulen, die von der Plattform unabhängig laufen müssen. Corscience hat dafür passende Abstraktionsschichten ausgewählt und eine Basis an Standardmodulen entwickelt mit Treiber, Algorithmen oder auch grafischen Darstellungselementen. Sie bieten nun einheitliche Schnittstellen zur Middleware und dem Applikationsprogramm des jeweiligen Geräteherstellers.
Der Defibrillator lässt sich übrigens dank der flexiblen Schnittstellen sogar an ein professionelles Beatmungsgerät anbinden: Diese Kombination ist weltweit einzigartig und konnte durch den Einsatz vorausentwickelter Technologie günstiger und schneller realisiert werden, als es mit einer kompletten Neuentwicklung möglich gewesen wäre.
Johannes Spallek, Florian Ullrich Corscience, Erlangen
Weitere Informationen Über den Entwicklungsdienstleister: www.corscience.de

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