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Antrieb fürs Implantat: Aufwendig gemäß GMP gefertigt

Implantierbare Antriebe
GMP-gerechte Fertigung: Viel Aufwand für Antriebe in aktiven Implantaten

Antriebssysteme für den Einsatz im Körper müssen in einer Umgebung ohne mikrobiologische Verschmutzung gefertigt werden: im GMP-Reinraum. Dort herrschen Bedingungen, die dem späteren Einsatzfeld im OP nahekommen. Der Produktionsaufwand steigt um den Faktor 15.

Stefan Roschi
Maxon Group, Sachseln/CH

Produktion? Das stellt man sich meist anders vor, als man es hinter der Glasscheibe in einem weißen, lichtdurchfluteten Reinraum sieht. Aber in einer solchen Umgebung werden Antriebe für medizinische Anwendungen hergestellt, für Insulinpumpen oder medizinische Dosiergeräte. Motoren für nicht implantierbare Anwendungen müssen nicht zwingend frei von Keimen und Bakterien sein, aber die Partikelkonzentration in der Luft ist niedrig und wird kontinuierlich überwacht.

Wenn es allerdings um Anwendungen in der Hightech-Medizin geht, etwa um implantierbare Antriebssysteme, sieht die Sache schon anders aus. Dann muss die Montage in einem Bereich erfolgen, der den Vorgaben der Good Manufacturing Practice, kurz GMP, entspricht. Einen solchen Bereich hat der Schweizer Motorenhersteller Maxon vor Kurzem eigens für diese Motoren eingerichtet.

Der Aufwand, der für die Fertigung implantierbarer Produkte anfällt, übersteigt den der „gewöhnlichen“ Motoren um ein Vielfaches. „Das hängt natürlich auch davon ab, welche Anforderungen der Auftraggeber an das Produkt selbst stellt“, sagt Fabian Schnyder, der bei Maxon als Medical Business Development Manager Aktive Implantate tätig ist. Für Hightech-Implantate würden in der Regel nicht allein Antriebe entwickelt und gefertigt. Vielmehr seien Systemanwendungen gefragt, was den Aufwand für die Herstellung etwa um den Faktor 5 steigere. „Wird das Produkt dann unter GMP-Bedingungen gefertigt, so erhöht sich der Aufwand nochmals um den Faktor 3 – so dass der personelle Einsatz für eine fertige implantierbare Systemlösung im Vergleich zu einem Standard-Medical-Motor insgesamt um den Faktor 15 höher liegt.“

Zum Aufwand trägt bei, dass in der entsprechenden Reinraumklasse neben der Partikelkonzentration auch die mikrobiologische Kontamination von Oberflächen sowie der Luft gemessen und auf die Anwesenheit – oder besser Abwesenheit – von Sporen, Bakterien oder Pilzen untersucht wird. Es ist eine klinische Umgebung, die hohe Anforderungen an die Belüftungstechnik, die Instrumente und vor allem die Menschen stellt. Wer hier regelmäßig tätig ist, muss sich mit zeitaufwendigen Schulungen qualifizieren. Es gilt, immer die gleichen, strengen Prozesse und Vorschriften einzuhalten. Vorgeschrieben ist nicht nur spezielle Kleidung aus antibakteriellen Hightech-Materialien. Hinzu kommen eine spezielle Hygienemaske, Haarnetz, Handschuhe, ein Arbeitskittel und antistatische Schuhe.

Weder Keime noch Partikel
am Handschuh

Spätestens beim hygienischen Händedesinfektionsverfahren, das während 30 s sechs Schritte durchläuft, rückt der Gedanke an den Operationssaal, in dem die hier gefertigten Motoren später eingesetzt werden sollen, sehr nahe. Nur der hohe Aufwand in der Produktion gewährleistet aber, dass weder Partikel noch Keime an den Handschuhen oder später an den Antrieben haften bleiben.

Die Produkte selbst werden nicht standardmäßig auf ihre mikrobiologische Belastung geprüft. „Bei einer Prüfung kontaminiert man potenziell das Produkt selbst“, erläutert Stefan Kathriner, Teamleiter des Reinraums für Aktive Implantate. Und: Ein Test am fertigen Produkt kostet über 5000 Euro und wird nur einmal im Projekt ausgeführt. Die Strategie, zu keimfreien Antrieben zu kommen, ist daher entscheidend. Während der Entwicklung werden vorbestimmte Baugruppen oder das komplette Produkt am Stück in Laboren auf Kontamination geprüft. Falls die Prüfergebnisse Hinweise auf Handlungsbedarf zeigen, werden Maßnahmen in den Prozessen definiert sowie die Intervalle, in denen eine Überwachung erforderlich ist. „Die Reinheit der Antriebe gewährleisten wir also mithilfe von Prozessqualifikationen“, sagt Kathriner.

Dazu gehört, dass verschmutzte Luft von außen vom GMP-Raum ferngehalten wird – indem jeder Mitarbeiter drei Zonen mit automatisierten Schleusentüren durchschreiten muss. Öffnen lässt sich jeweils nur eine Türe, denn je weiter man vordringt, desto höher wird der Luftdruck im jeweiligen Raum. Abgesehen von der Luft werden auch die Arbeitsoberflächen regelmäßig getestet.

Produkte, die in den GMP-gerechten Reinräumen gefertigt werden, gelten als rein – nicht als steril –, ihre Keimbelastung wird gering gehalten und sie werden in einer reinen Stickstoffatmosphäre verpackt. Eine Sterilisation erfolgt erst nach dem Einbau ins Implantat bei dessen Hersteller. „Es gibt aber auch Produkte, die direkt von uns fertig eingepackt sind und erst im OP ausgepackt werden“, berichtet Schnyder. „Dabei geht es um Systeme, die kurzfristig vor der OP sterilisiert werden müssen.“

Nicht einmal Reste von Keimen sollen übrigbleiben

Auch wenn vor der Implantation noch sterilisiert wird, sind Produktion und Verpackung unter GMP-Bedingungen wichtig, wie Schnyder betont: „Die Implantate werden in den meisten Fällen bei immunschwachen Patienten eingesetzt, und hier soll schon die Grundbelastung des Patienten durch Keime, auch wenn diese nicht mehr vermehrungsfähig sind, gering gehalten werden.“

www.maxongroup.de


Kontakt zum Hersteller:

Maxon Motor GmbH
Truderinger Str. 210
81825 München
www.maxongroup.de

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