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Good Clinical Practice: Was die aktuelle Norm 14155:2020 vorsieht

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Was die aktuelle Norm ISO 14155:2020 für die Klinische Prüfung bedeutet

Was die aktuelle Norm ISO 14155:2020 für die Klinische Prüfung bedeutet
In der aktuellen Version der Norm ISO 14155 gibt es Leitlinien dafür, wie klinische Prüfungen zu validen Ergebnissen führen (Bild: vectorfusionart/stock.adobe.com)
Die aktuelle Version der Norm ISO 14155:2020 liegt vor und Hersteller tun gut daran, ihre klinischen Prüfungen daran zu orientieren. Ein neuer Fokus betrifft das Risikomanagement. Ein Bezug zu den Anforderungen aus der Medical Device Regulation (MDR) ist erkennbar.

Miriam Schuh
Reuschlaw Legal Consultants,
Saarbrücken | Berlin

Vor kurzem ist die aktualisierte Fassung der ISO 14155:2020 (Klinische Prüfung von Medizinprodukten an Menschen – Gute klinische Praxis) veröffentlicht worden. Sie normiert neue Anforderungen für klinische Prüfungen von Medizinprodukten und beschreibt, wie der „Goldstandard“ für Planung, Durchführung, Dokumentation und Auswertung klinischer Studien mit Medizinprodukten aussieht. Herstellern und Fachkreiszugehörigen bietet sie damit Leitlinien für die Umsetzung einer Guten Klinischen Praxis (Good Clinical Practice, GCP) für klinische Prüfungen.

Dabei ist die neue Fassung der Norm umfangreicher als ihre Vorgängerversionen und beinhaltet insgesamt zehn Anhänge, also drei neu hinzugenommene. Gleichzeitig wurden drei Anhänge als „normativ“ ausgestaltet und enthalten somit verbindlich einzuhaltende Anforderungen.

Auch die aktuelle ISO 14155:2020 definiert in erster Linie allgemeine und besondere Anforderungen an klinische Prüfungen. Das Ziel ist, die Sicherheit und Gesundheit der Probanden zu schützen sowie wissenschaftliche Standards einzuhalten, wenn die klinischen Prüfungen durchgeführt werden. Nur dann können die erzielten Ergebnisse verwendet werden, um den klinischen Nutzen eines neu entwickelten Medizinprodukts nachzuweisen. Gleichzeitig definiert die Norm auch die Verantwortlichkeiten des Sponsors und des Hauptprüfers.

Zusammenspiel von MDR und ISO 14155:2020

Nach Ablauf der Übergangsfrist bis zur Geltung der Verordnung (EU) 2017/745 – also der Medical Device Regulation oder MDR –, müssen Hersteller ihre Medizinprodukte, ihr Unternehmen und ihre Prozesse gemäß den Vorgaben der MDR aufgestellt haben. Mit Stand vom Herbst 2020 ist der Stichtag der 26. Mai 2021, nach der wegen der Coronavirus-Pandemie verlängerten Frist.

Die Bedeutung der klinischen Evidenz hebt die MDR, verglichen mit den bisher geltenden europäischen Richtlinien, deutlich hervor. Hersteller müssen also innerhalb des erstmals mit der MDR gesetzlich geforderten Risikomanagementsystems die Risiken und den Nutzen ihrer Produkte noch stärker anhand klinischer Bewertungen belegen, als dies bisher schon der Fall war.

Die Anforderungen der MDR greift auch die ISO 14155:2020 auf und hebt die besondere Bedeutung der klinischen Evidenz hervor. Gleichzeitig wird die aktualisierte Norm dem Fokus der MDR auf das Risikomanagement nach ISO 14971 gerecht. Fordert die MDR eine umfassende Risikobewertung der Produkte, beginnend mit der Entwicklungsphase bis hin zur Überwachung der Produkte im Feld, wird mit der ISO 14155:2020 konsequent die Anwendung des Risikomanagementsystems auf alle Phasen der klinischen Prüfungen gefordert.

Zusammenspiel von ISO 14155:2020 und ISO 14971

Die Vorgängerversion der ISO 14155:2020 verwies nur vereinzelt auf ein Risikomanagement und die ISO 14971. Eine solche Bezugnahme erfolgte beispielsweise im Hinblick auf die Risiken von Prüfpräparaten oder die Unterstützung von Risiko-Nutzen-Bewertungen. Mit der neuen Fassung wurde dagegen das „Clinical Quality Management“ (Klinisches Qualitätsmanagementverfahren) in den Verantwortungsbereich des Sponsors der klinischen Prüfung verortet. Das lässt bereits auf die gestiegene Bedeutung des „klinischen“ Risikomanagements bei der Durchführung der gesamten klinischen Prüfung schließen. Damit bekommt der Sponsor deutlich mehr Verantwortung im Hinblick auf die Umsetzung und Überwachung der klinischen Prüfung, selbst wenn die eigentliche Durchführung der klinischen Prüfung durch eine Contract Research Organisation (CRO) erfolgt.

Weitere Änderungen durch die ISO 14155:2020

Die neue Fassung der Norm bietet den für die Durchführung klinischer Prüfungen Verantwortlichen eine kompakte Zusammenfassung der zu beachtenden GCP-Prinzipien. Wo und wie sich GCP auf die klinischen Entwicklungsstadien, etwa erste Machbarkeitsstudien, anwenden lässt, wird klargestellt. Auch der Bezug zu klinischen Untersuchungen vor dem Inverkehrbringen der Produkte wie auch Studien nach dem Inverkehrbringen wird hergestellt.

Anleitungen zur risikobasierten Überwachung der klinischen Prüfung sind ebenfalls Teil der neuen Version der Norm. Wie ein entsprechender Überwachungsplan zu erstellen ist und die im Prüfungsverlauf gewonnenen Erkenntnisse ausgewertet werden können, ist darin beschrieben.

Für die Auditierung der klinischen Prüfungen bietet die Norm Leitfäden für diejenigen, die die Durchführung der Prüfung verantworten. Darüber hinaus sind Leitfäden für die zuständigen Ethikkommissionen enthalten. Weiter präzisiert die ISO 14155:2020 Anforderungen an das spezifische Fachwissen der Planer von klinischen Prüfungen und stellt klar,
dass sämtliche Vorgaben auch auf die Leistungsbewertungsprüfung von In-vitro-Diagnostika angewendet werden können.

Internationale Anerkennung der ISO 14155:2020

Die Einhaltung der Vorgaben der neuen ISO 14155:2020 als international anerkannte Norm gewährleistet gleichzeitig die Einhaltung anerkannter GCP-Prozesse. Das dürfte die Akzeptanz der nach diesen Vorgaben durchgeführten klinischen Prüfungen auch außerhalb der EU erhöhen. Die Planung, Durchführung und Auswertung klinischer Studien nach den GCP Standards wird unter anderem von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) akzeptiert. Das normkonforme Vorgehen gilt als Garant dafür, dass ethische Anforderungen eingehalten wurden.

Konforme Daten erleichtern internationalen Markzugang

Wer ISO-14155:2020-konforme Daten vorlegt, kann das quasi als Gütesiegel für die Qualität der generierten Daten ansehen. Damit können solche klinischen Prüfungen Medizinprodukteherstellern nicht nur den Zugang zum europäischen Markt, sondern auch zu internationalen Märkten, einschließlich des US-amerikanischen, ermöglichen.

Vor Geltungsbeginn der Norm wurde keine förmliche Übergangsfrist definiert. Damit ist sie grundsätzlich mit dem Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung gültig und sollte somit auch von Herstellern von Medizinprodukten beachtet werden. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass (Stand September 2020) eine DIN oder EN – Version (DIN = Standards in Deutschland, EN = Standards in Europa) der Norm bislang nur im Entwurfsstadium verfügbar und die Einhaltung von Normen grundsätzlich nicht verbindlich ist.

Hersteller, die klinische Prüfungen künftig im Einklang mit den MDR-Vorgaben planen, durchführen und auswerten müssen, sind gut beraten, die Anforderungen der ISO 14155:2020 zu beachten. Akteuren, die ihre klinische Prüfung bereits an der Vorgängerversion ausgerichtet haben, sollte die Beachtung der neuen Anforderungen keine allzu großen Schwierigkeiten bereiten.


Weitere Informationen

Zum Entwurf der Norm:

www.iso.org/standard/71690.html

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