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Eudamed: Was ein Experte zur Arbeit mit der Datenbank rät

Medical Device Regulation / Unique Device Identfication
Trotz Eudamed-Verschiebung die Daten zügig vorbereiten

Trotz Eudamed-Verschiebung die Daten zügig vorbereiten
Richard Houlihan ist Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Eudamed. Davor war er als Technical Manager bei der Entwicklung der Eudamed-Datenbank der EU tätig (Bild: Eudamed)
 Unter Eudamed.eu ist ein Beratungsunternehmen erreichbar, dessen CEO Richard Houlihan als IT-Experte an der Eudamed-Datenbank mitgearbeitet hat. Nun stellt er Unternehmen sein Wissen zur Verfügung – und empfiehlt, sich trotz des verschobenen Starts auf keinen Fall zurückzulehnen.

Dr. Birgit Oppermann
birgit.oppermann@konradin.de

Herr Houlihan, was denken Sie über die angekündigte Verschiebung des Starts der Eudamed-Datenbank auf das Jahr 2022?

Das ist wie ein Weihnachtsgeschenk der EU an die Unternehmen der Medizintechnik-Branche – auch wenn die Ursache für die Verschiebung zum Teil sicher auch interne Gründe waren, wie die Verlagerung des Projektes in die Generaldirektion Sante, die für Fragen der Gesundheit und Lebenmittelsicherheit zuständig ist. Dieser Schritt bringt den knapp geplanten Prozess sicher ein bisschen ins Stocken. Aber es gibt mehrere Argumente dafür, sich jetzt als Unternehmen auf gar keinen Fall zurückzulehnen und zu entspannen, in dem Gedanken, dass zwei Jahre eine sehr lange Zeit seien. Zum einen ist die Datenbank ein so unglaublich komplexes System, dass der Aufwand für das Einstellen der zahlreichen Daten von sehr vielen Leuten stark unterschätzt wird. Ich habe 25 Jahre lang im IT-Bereich gearbeitet und in dieser Zeit auch wirklich große Projekte betreut. Aber das, was ich in meiner Tätigkeit als Technical Manager für die Eudamed-Datenbank gesehen habe, übersteigt meine vorhergehenden Erfahrungen in jeder Hinsicht. Alles, was Unternehmen mit dieser Datenbank zu tun haben werden, sollte sehr gut vorbereitet werden. Zum anderen gibt es anscheinend Überlegungen der zuständigen Behörden – wie Dimdi in Deutschland –, zumindest einzelne Module der Eudamed-Datenbank schon früher in Betrieb zu nehmen, vielleicht schon im kommenden Jahr.

Was würde das bedeuten, und wie konkret sind die Überlegungen dazu?

Ich habe Informationen von der Kommission, dass das Akteure-Modul am 26. Mai 2020 auf freiwilliger Basis freigeschaltet werden soll. Man kann sich dann also schon registrieren und erhält seine Single Registration Number, seine SRN – was ich für eine gute Idee halte, dann das hilft, den größten drohenden Flaschenhals zu vermeiden. Wer seine SRN hat, kann sich besser auf den Kennzeichnungsprozess vorbereiten. Ich gehe im Übrigen davon aus, dass die Kommission auch weitere Module auf freiwilliger Basis aktivieren wird, sobald alle Tests daran erfolgreich abgeschlossen sind.

Was bedeutet die Verschiebung überhapt für Unternehmen und Benannten Stellen?

Im ersten Moment scheint mir durch die Verschiebung sehr viel Unsicherheit in den Markt gekommen zu sein. Um es klar zu sagen: Alle sonstigen Anforderungen der MDR müssen selbstverständlich genauso erfüllt werden, wie es angekündigt war. Einzige Ausnahme: Gesetzlich ist vorgesehen, dass alles, was mit der Eudamed-Datenbank zu tun hat, erst erfüllt werden muss, wenn diese Datenbank in Betrieb gegangen ist. Das scheint sich aber noch nicht überall herumgesprochen zu haben, wie sich am Beispiel der Single Registration Number, der SRN, zeigt. Sie ist laut MDR vorgeschrieben, um Wirtschaftsakteure, also Hersteller, Importeure oder Bevollmächtigte, identifizieren zu können. Sie kann aber erst vergeben werden, wenn das entsprechende Modul der Eudamed-Datenbank live ist. Dennoch gab es wohl seitens einer Benannten Stelle die Auskunft, dass kein Produkt ohne diese Nummer ein Zertifikat bekommen könne. Um so wichtiger ist es, dass sich alle informieren und vorbereiten, um solche Missverständnisse zu vermeiden.

Wann immer die Datenbank an den Start gehen wird: Was macht sie so komplex?

Ein Grund dafür ist, dass die Daten aus der aktuellen Eudamed-Version 3 am Ende statistisch auswertbar sein sollen – das war ein wichtiges Anliegen der EU, nachdem es in den Vorgängerversionen mit diesem Thema oft Probleme gab. Ein weiterer Punkt ist, dass die Daten in vielen Sprachen hinterlegt werden. Und es gibt gemäß der Klassifizierung unterschiedliche Aspekte, die für die verschiedenen Produkte berücksichtigt werden müssen. Datenbanktechnisch lässt sich das alles lösen. Das System zu bedienen, ist dann allerdings nicht ganz leicht.

Wenn die Eudamed-Datenbank im Mai 2022 verfügbar ist, müssen nicht nur die Produktdaten gemäß MDR, sondern auch gemäß IVDR eingepflegt werden. Wie bewerten Sie diesen Schritt aus IT-Sicht?

Am Beispiel der FDA-Datenbank haben wir gelernt, dass das Hochladen zu einem bestimmten Termin ein System in die Knie zwingen kann. Das wird bei Eudamed nicht passieren: Ein Hersteller wird seine Daten auf jeden Fall hochladen können. Diese landen aber zunächst in einer der Warteschlangen, aus denen sich das Datenbank-System nach und nach die Mengen an Daten abholt, die es technisch verkraften kann. Hochladen ist also immer möglich – aber es kann zwischen zehn Minuten und zwei Wochen dauern, bis man eine Rückmeldung bekommt, wie etwa „Hochladen erfolgreich“ oder „Fehler beim Hochladen“. Ich hätte mir daher gewünscht, dass ein schrittweises Vorgehen eingeführt wird, also zum Beispiel erst alle Produkte der Klasse I, dann eine weitere Gruppe. Das ist nach heutigem Stand nicht der Fall. Aber auch die groß Datenmenge wird das System mit dem beschriebenen Verfahren verkraften.

Laut MDR müssen Hersteller ihre Produkte, sobald sie im Markt sind, im Blick behalten, Daten erheben und speichern. Was passiert mit diesen Daten, solange die Eudamed-Datenbank nicht in Betrieb ist?

Zweierlei. Zunächst müssen die Hersteller ihre Daten weiterhin an die derzeit zuständigen Behörden, wie zum Beispiel in Deutschland Dimdi, weitergeben. Darüber hinaus müssen sie diese vorhalten, um sie in die Eudamed-Datenbank hochzuladen, sobald die entsprechenden Module verfügbar sind. Es gibt auch externe Dienstleister, die das Zwischenlagern anbieten. Aber wenn sogar die NASA und der CIA gehackt werden können, würde ich keinem Unternehmen empfehlen, zum Beispiel vertrauliche Vigilanz-Daten nach außen zu geben. Da würde ich eine eigene Lösung auf jeden Fall vorziehen.

Wie kam es zu der Idee, Ihr Unternehmen Eudamed zu gründen?

Als mich jemand um eine Einführung bat, hat es mich trotz meines Vorwissens mehrere Wochen gekostet, die Schulung zusammenzustellen. Wenn ein Außenstehender versucht, sich dieses Wissen selbst zu erarbeiten, wird er vor großen Schwierigkeiten stehen und viel Zeit investieren müssen. Und seitens der EU ist nicht zu erwarten, dass dort eine Hotline für Fragen eingerichtet wird. Daher haben wir 2018 begonnen, in Bulgarien, wo es viele junge qualifizierte IT-Experten gibt, das Unternehmen Eudamed aufzubauen. Derzeit sind sieben Mitarbeiter für uns tätig – aber wir werden das Team aufstocken, sobald die Datenbank Eudamed an den Start geht.

Was können Sie den Unternehmen an Unterstützung anbieten?

Unsere Vorstellung ist ein Call-Center, das die Fragen registrierter Kunden beantwortet. Darüber hinaus werden wir Schulungen anbieten, in Form einer internationalen Roadshow im kommenden Jahr. Geplant sind zum Beispiel Veranstaltungen in Berlin und in Tuttlingen, mit etwa 20 bis 25 Teilnehmern für jeweils einen Tag. Wenn Unternehmen mehr Mitarbeiter schulen oder vertrauliche Fragen besprechen möchten, können wir auch Termine vor Ort vereinbaren. Und da wir selbst mit einem erweiterten Mitarbeiterstab nicht alle Anfragen werden bearbeiten können, werde ich das Schulungskonzept an ausgewählte Anbieter aus der Qualitätsberatung lizenzieren.

Unternehmen beschäftigen in der Regel ihre eigenen, oft erfahrenen IT-Fachleute. Mit welchen Fragen rechnen Sie?

Natürlich ist der Transfer von Daten an sich kein Problem, und jeder Fachmann wird sagen, er kenne sich mit XML-Formaten aus. Bei ersten IT-Schulungen zur Eudamed-Datenbank habe ich allerdings die Erfahrung gemacht, dass die Teilnehmer am Morgen gut gelaunt hereinkamen – und nach einem halben Tag erstaunt und leicht beunruhigt darüber waren, wie viele Einzelheiten es im Fall dieser Datenbank zu beachten gibt. Vielleicht haben Sie schon Erfahrungen mit dem System der FDA gemacht und gesehen, dass es in den meisten Fällen ausreicht, für ein Produkt eine Spalte in einer Kalkulationstabelle zu füllen und die Daten dann zu überspielen. Aber die europäische Lösung ist damit nicht vergleichbar. Es ist eine Reihe von Vorgaben und Regeln zu beachten, deretwegen schon die Kalkulationstabelle sehr viel umfangreicher ausfallen muss. Abgesehen vom technischen Aspekt gibt es auch die inhaltlichen Überlegungen – die wiederum von den für das Produkt zuständigen Experten im Unternehmen angestellt werden müssen. Ich denke, dass unser Wissen dazu beiträgt, den ganzen Ablauf in einem Unternehmen erheblich zu beschleunigen.

Was ist aus heutiger Sicht Ihr Rat an die Unternehmen?

Die Eudamed-Datenbank hat schon ein bisschen etwas von einem Monster. Bereiten Sie sich daher so vor, als ob Eudamed schon im März 2020 starten würde. Das Schlimmste, was Ihnen damit passieren könnte, wäre, dass Sie zu früh fertig sind. Aber auf jeden Fall sind Sie startklar, wann auch immer die gesamte Datenbank oder einzelne Module davon in Betrieb genommen werden.


Weitere Informationen

Das Unternehmen Eudamed mit Sitz im bulgarischen Sofia und einem Standort in Brüssel bietet IT-Beratung rund um die Dateneingabe in die europäische Eudamed-Datenbank für Medizinprodukte an.

www.eudamed.eu


Über die Eudamed-Datenbank

Eudamed als Datenbank gibt es seit vielen Jahren – allerdings ist von mehreren Versionen die Rede. Die erste Version entwickelt Ende der 1990er Jahre das deusche Dimdi. Kurz darauf, im Jahr 2000, übernahm die EU-Kommission die Zuständigkeit für die europäische Datenbank, genauer gesagt die Generaldirektion Unternehmen und Industrie. Seit 2004 haben die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten Zugriff auf die Version 1 der Datenbank, in die Daten freiwillig eingestellt werden konnten.

Die Arbeiten an der Version Eudamed 2 begannen 2006 und endeten mit der Freigabe der Version 2009. Ein Jahr später wechselte die Zuständigkeit für die Datenbank zur Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher. 2014 fand ein erneuter Wechsel zur Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und kleine und mittelständische Unternehmen (KMU)

Die derzeit entwickelte Version Eudamed 3 soll künftig die Anforderungen der MDRund IVDR erfüllen und sollte im Mai 2020 an den Start gehen. Im Herbst 2019 wechselte erneut die Zuständigkeit für das Projekt, das nun bei der Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit angesiedelt ist. Diese Generaldirektion der Kommission ist für die EU-Politik in den Bereichen Gesundheit und Lebensmittelsicherheit sowie für die Überwachung der Umsetzung der entsprechenden Rechtsvorschriften zuständig.

Ende Oktober wurde der Start von Eudamed 3 verschoben, von Mai 2020 auf Mai 2022. Informationen hierzu:

http://hier.pro/ltmTa

Generelle Informationen über die Datenbank Eudamed:

https://ec.europa.eu/growth/sectors/medical-devices/new-regulations/eudamed


Kontakt zum Beratungsunternehmen Eudamed:

Eudamed Ltd.
32 #6-ti Septemvri; Str
floor 2. office 2
Sofia 1000
Bulgaria
Tel: +359 2 492 8458
E-Mail:
enquiries@eudamed.eu
sales@eudamed.eu
support@eudamed.eu


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