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Was ist eine Maschine?

Erweiterte Medizinprodukterichtlinie: Bezug zur Maschinenrichtlinie wirft Fragen auf
Was ist eine Maschine?

Wer eine Risikoanalyse nach der Medizinprodukterichtlinie vorlegt, hat alles erfüllt, was die Maschinenrichtlinie zusätzlich fordern könnte. Mit dieser Überzeugung will sich der ZVEI dafür einsetzen, dass der Verweis auf die Maschinenrichtlinie nicht zu mehr Aufwand für die Hersteller führt.

In der Medizinprodukterichtlinie 93/42/EG ist der neu gefasste Artikel 3 enthalten, der „Grundlegende Anforderungen“ beschreibt. Seit er durch die Richtlinie 2007/47/EG erweitert wurde, enthält er eine zusätzliche Forderung: Er verweist explizit darauf, dass ein Medizinprodukt nun auch die grundlegenden Anforderungen erfüllen muss, die in der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG beschrieben sind.

Sinngemäß heißt das: Wenn relevante Gefahren vorhanden sind, muss ein Medizin- produkt auch die grundlegenden Anforderungen aus dem Anhang I der Maschinenrichtlinie einhalten. Vorausgesetzt, das Medizinprodukt entspricht der dortigen, sehr allgemein gehaltenen Definition einer Maschine: Darunter fällt ein Produkt, wenn es mit Antrieben ausgestattet ist oder mit beweglichen Teilen, die an einen Antrieb angeschlossen sind. Der Hersteller einer solchen „Maschine“ muss die Vorgaben aus der Maschinenrichtlinie allerdings nur dann berücksichtigen, wenn sie weiter gehen, also „spezifischer“ sind als das, was die Medizinprodukterichtlinie ohnehin fordert.
Beide Richtlinien sind aber als so genannte „full safety directives“ konzipiert. Also muss jede für sich alle denkbaren Sicherheitsaspekte abdecken. Damit schließen sie sich praktisch gegenseitig aus, und es stellen sich in der Praxis folgende Fragen:
  • Wie identifiziert der Hersteller die relevanten Gefahren?
  • Wann sind Gefahren, die auch Bestandteil der grundlegenden Anforderungen der Maschinenrichtlinie sein können, in der Maschinenrichtlinie spezifischer erfasst?
  • Wie sind diese Gefahren dann zu behandeln?
Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Medizinprodukterichtlinie und die Maschinenrichtlinie in ihren Vorgaben dazu unterscheiden, wie Schutzmaßnahmen auszuführen sind. Für die Medizinprodukterichtlinie – entsprechend dem „Neuen Konzept“ – ist dies nicht im Anhang I der Richtlinie geregelt. Vielmehr müssen sich die Hersteller nach den harmonisierten spezifischen Normen richten. Dies wird durch Artikel 5 der Medizinprodukterichtlinie (mit Referenz auf Artikel 3) umgesetzt. Demgegenüber enthält der Anhang I der Maschinenrichtlinie bereits relativ feste konstruktive Vorgaben, die ohne Normenbezug angewandt werden.
Beiden Richtlinien gemeinsam ist, dass sie ein Risikomanagement und eine Risikoanalyse fordern. Diese sind die Grundlage dafür, Gefährdungen zu identifizieren und die entsprechenden Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Laut Maschinenrichtlinie sind die grundlegenden Anforderungen aber nur dann einzuhalten, wenn tatsächlich eine Gefährdung existiert. Die Richtlinie gesteht sogar ein, dass bestimmte Schutzziele unerreichbar sein können. Dann genügt es, die Schutzziele über Design und Konstruktion „so gut wie möglich“ zu erfüllen.
Die von beiden Richtlinien geforderte Risikoanalyse muss aber unter der Medizinprodukterichtlinie sogar weiter gehen als das, was die Maschinenrichtlinie vorsieht. Ein Beispiel dafür ist, dass nicht nur der Schutz der Benutzer, sondern auch der Schutz der Patienten vor möglichen Gefahren des Medizinproduktes gewährleistet sein muss. Beim Betrachten dieser möglichen Gefahren geht es auch nicht allein um die Anforderungen aus der Richtlinie. Die Zweckbestimmung des Produkts muss der Hersteller ebenfalls berücksichtigen. Und er muss abwägen, in welchem Verhältnis das vertretbare Risiko zur nützlichen medizinischen Wirkung für den Patienten steht. Das ist beim Schutz vor mechanischen Gefahren der Fall, aber auch beim Schutz vor Strahlung oder bei der Bereitstellung von Informationen. Daher ist davon auszugehen, dass unter der Medizinprodukterichtlinie alle relevanten Gefahren, die von einem Medizinprodukt ausgehen können, abgedeckt sind.
Was die Maschinenrichtlinie also für Medizinprodukte, die als Maschine gelten, zusätzlich fordern könnte, ist eine detailliertere Auflistung von administrativen oder konstruktiven Anforderungen. Auch würde gegebenenfalls das Konzept der integrierten Sicherheit oder Schutzmaßnahmen wiederholt werden. Dieser zusätzliche Aufwand wäre im Ergebnis aber nicht unbedingt „spezifischer“ als das, was durch das Einhalten der Medizinprodukterichtlinie erreicht wird.
Der ZVEI vertritt daher die Auffassung, dass die Risikoanalyse nach der Medizinprodukterichtlinie und das zugehörige Risikomanagement nach ISO 14971 grundsätzlich alle relevanten Gefahren erfassen, die von einem Medizinprodukt ausgehen können. Der Hersteller ist damit aufgefordert, Schutzmaßnahmen durchzuführen und den anerkannten Stand der Technik einzubeziehen. Wenn im Anhang I der Medizinprodukterichtlinie und dem Anhang I der Maschinenrichtlinie weitere Schutzziele genannt und diese noch spezifischer sind, müssen sie ebenfalls berücksichtigt werden.
In den Fällen aber, wo Forderungen aus der Medizinprodukterichtlinie und den harmonisierten Normen im Widerspruch stehen zu Forderungen aus der Maschinenrichtlinie, müssen nach Ansicht des ZVEI die Anforderungen der Medizinprodukterichtlinie den Vorrang erhalten: Sie sollte im Sinne des Artikels 3 der neuen Maschinenrichtlinie 2006/42/EG eine „more specific directive“ sein. Für diese Sichtweise wird sich der Verband im aktuellen Klärungsprozess weiter einsetzen.
Michael Asmalsky, Philips Medizinsysteme Dr.-Ing. Jörg Hartge, Abteilung technisches Recht und Standardisierung im ZVEI

Aus Expertensicht
Herr Wenzel, welche Hersteller sind möglicherweise von Vorgaben der Maschinenrichtlinie betroffen?
Bei einer fahrbaren Patientenliege ist es relativ offensichtlich, dass sie ein Maschinenbauteil im Sinne der Maschinenrichtlinie ist. Das Gleiche gilt aber auch beispielsweise für einen Zahnarztstuhl, einen OP-Tisch oder die Massageliege.
Noch ist die Richtlinie nicht verabschiedet. Was empfehlen Sie den Herstellern in dieser Situation?
Ein Hersteller sollte mit dem Schlimmsten rechnen und sich fragen, ob er Maschinenbauteile in seinen Produkten hat. Das ist sehr wichtig für kleinere Unternehmen, die keine Fachleute für die Bereiche Regulatory Affairs, Normen und Standards zur Verfügung haben und vom zusätzlichen Aufwand überfordert sein könnten, wenn sie nicht vorbereitet sind. Daher war nen wir seitens des Verbandes – auch wenn wir auf Änderungen hoffen, bevor die Richtlinie 2010 in Kraft tritt.

Ihr Stichwort
• Maschinenrichtlinie
• Risikoanalyse
• Spezifische Vorgaben • Vorrang für die
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