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Stufe für Stufe zur neuen Norm

Nationale und internationale Normen: Übersicht über den Entstehungsprozess
Stufe für Stufe zur neuen Norm

ISO 9001, IEC 61508, DO 178B, DIN EN 50128, FDA 21 CFR 820 … was für welche Branche relevant ist, wissen oft bloß Spezialisten. Aber wie kommen Normen und Standards zustande? Wer darüber Bescheid weiß, kann branchenspezifische und branchenunabhängige Normen und Standards besser verstehen.

Eine Norm ist eine allseits rechtlich anerkannte und durch ein Normungsverfahren beschlossene Regel dazu, wie ein Sachverhalt zu lösen ist. Sie ist allgemeingültig und wird auch veröffentlicht. Zuweilen ergeben sich ähnliche Methoden oder Regeln auch aus Erfahrungen in der Praxis und etablieren sich stillschweigend. Dann spricht man von Industriestandards oder herstellerspezifischen Standards.

Am Normungsverfahren sind die Normierungsorganisationen beteiligt. Diese gibt es auf nationaler, europäischer wie auch internatinaler Ebene. Beispiele dafür sind das Deutsche Institut für Normung (DIN), das europäische Komitee für Standardisierung (European Committee for Standardization, CEN) und die International Organisation for Standardisation (ISO). Die inhaltliche Ausrichtung der Organisationen ist auf allen Ebenen unterschiedlich: Manche richten ihre Arbeit auf eine Branche aus, andere – wie die genannte ISO – decken eine große Bandbreite von Themen ab und müssen ihre Arbeit daher inhaltlich strukturieren. Bei der ISO beispielsweise gibt es dafür technische Komitees (TC), Unterkomitees (SC) und Arbeitsgruppen.
Am Beispiel einer internationalen Norm lässt sich gut erläutern, wer an ihrer Entstehung wie mitarbeitet und welche Stadien sie dabei durchläuft. Grundsätzlich wird das Delegationsprinzip verfolgt: Nationale Experten aus Forschung, Industrie, Handel, Handwerk und anderen Gruppierungen finden sich in einer Arbeitsgruppe bei den nationalen Normierungsorganisationen zusammen, in Deutschland etwa beim DIN. Diese nationale Organisation kann Mitglied bei der internationalen Normierungsorganisation werden. Dann entsendet sie Vertreter aus dem eigenen Land, die an der neuen Norm mitarbeiten. Eine internationale Norm ist daher das Ergebnis einer Übereinkunft zwischen den Mitgliedsorganisationen.
Das Erarbeiten einer Norm erfolgt immer nach einem festen Schema. Als erstes wird ein Antrag für ein Normvorhaben eingereicht, entweder von einem Land oder von der Arbeitsgruppe, in der die Norm erstellt werden soll. Über den Antrag wird abgestimmt. Jedes Mitglied hat eine Stimme. Wenn der Antrag ausreichende Zustimmung findet, wird er ins Arbeitsprogramm des TC oder SC aufgenommen.
Dann erstellen die Projekteditoren eine erste Arbeitsversion der Norm. Diesen Working Draft (WD) bekommen nur die Mitglieder der Arbeitsgruppe. Ihre Kommentare fließen in die nächste Version des WD ein. Dieser Prozess wiederholt sich, bis der Entwurf eine gewisse Reife hat, so dass man ihn außerhalb der Arbeitsgruppe, dann als Committee Draft (CD), publik machen will. Das passiert, sobald die Registrierung als CD beschlossen wird.
Dieser Komitee-Entwurf wird allen Mitgliedern des TC/SC zur Beurteilung vorgelegt. Die Experten jeder Mitgliederorganisation geben ihre Befunde dazu ab. Alle „nationalen“ Befundlisten müssen in der Arbeitsgruppe besprochen werden. Während die Projekteditoren den ersten Norm-Entwurf in der Bearbeitungsstufe noch relativ frei gestalten können, müssen nun alle Befunde „gelöst“, also diskutiert und alle Entscheidungen dokumentiert werden. Die Arbeitsgruppe ringt um einen Konsens, was gegebenenfalls mehrere Norm-Entwürfe nötig macht. Ist ein Konsens erreicht, wird eine Umfrage zum internationalen Norm-Entwurf, dem Draft International Standard (DIS) beschlossen – und die Norm geht in die nächste Stufe, die Umfragestufe.
Wieder führen die nationalen Experten ein Review durch und stimmen ab. Ihre Befunde sind die Basis für den Schlussentwurf für die internationale Norm. Er ist zu diesem Zeitpunkt schon für die Öffentlichkeit einsehbar. In Deutschland kann man eine Norm in der Stufe DIS über den Beuth-Verlag kaufen.
In der Abnahmestufe schließlich stimmen die Mitglieder der internationalen Normungsorganisation über den Final Draft International Standard (FDIS) ab. Alle technischen Konflikte sollten vorher geklärt sein, denn in dieser Stufe sind nur noch Änderungen an den Formulierungen erlaubt. Der Schlussentwurf wird entweder mit einer Begründung abgelehnt oder angenommen. Im positiven Fall veröffentlicht das Zentralsekretariat der ISO dann die Norm.
Die Erarbeitung einer Norm besteht also aus einer Abfolge von Arbeits- und Abstimmungsphasen, deren jeweilige Dauer vorgegeben ist. Der typische (default) Entwicklungszeitraum für eine internationale Norm beträgt 36 Monate – von der Annahme des Normvorhabens bis zur letzten FDIS-Umfrage. Wird dieser Zeitrahmen überschritten, ohne dass ein Antrag zur Verlängerung der Bearbeitung gestellt wurde, ist das Normungsvorhaben gescheitert.
Alle fünf Jahre muss eine Norm wieder auf den Prüfstand. Dabei wird beurteilt, ob ihre Vorgaben noch aktuell sind, ob sie überarbeitet oder zurückgezogen werden soll. Auf diese Weise entstehen die unterschiedlichen Versionen einer Norm, die an ihrem Veröffentlichungsdatum erkennbar sind.
Normierung ist also eine spannende und lohnenswerte, wenn auch mühsame Arbeit. Neben dem fachlichen Know-how sind Diskussionsfreude, ein gewisses diplomatisches Geschick und gute Nerven bei strittigen Punkten nötig. Ohne die Bereitschaft zum Konsens geht es nicht.
Auch für die Medizintechnik gibt es eine Reihe branchenspezifischer Normen. Die IEC 62304 zum Beispiel, die den Software-Lebenszyklus für Medizingeräte-Software beschreibt, wurde 2006 veröffentlicht. Nach fünf Jahren wurde sie 2011 standardgemäß überprüft und ihre Aktualisierung angestoßen. Die Veröffentlichung der neuen Version ist derzeit für Januar 2014 geplant.
Dr. Klaudia Dussa-Zieger Method Park, Erlangen
Weitere Informationen Über das Deutsche Institut für Normung: www.din.de Über das europäische Komitee für Standardisierung: www.cen.eu Über die International Organisation for Standardisation (ISO): www.iso.org

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