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Roboter – neu definiert

Roboter und Recht: Würzburger Juristen untersuchen, wo die Technik den Gesetzen voraus ist
Roboter – neu definiert

Weil ein Roboter nach heutigem Gesetz eine Sache ist, haftet meist sein Eigentümer für alle Schäden, die er verursacht. Ob das angesichts autonomer Fahrzeuge und vernetzter Medizingeräte so noch praktikabel ist, untersuchen Würzburger Juristen von der Forschungsstelle Robotrecht.

Mit welcher Definition von ‘Roboter’ arbeiten Sie?

Jan-Philipp Günther: Mit mehr als einer. Der Begriff ‘Roboter’ wird so vielfältig verwendet, dass wir eher von einer Liste von Definitionen sprechen müssten, um unser Spektrum abzudecken: Uns interessieren Industrieroboter genauso wie autonom fahrende Autos, Chirurgieroboter nicht weniger als Scooter, die ältere Menschen transportieren. Selbst intelligente Implantate wie Hirnschrittmacher oder Software-Agenten fallen in unser Ressort. Und auch beim Vernetzen von Medizingeräten im OP kommt man auf juristische Fragen, von denen der Datenschutz nur eine ist.
Damit überbrücken Sie technisch gesehen Welten. Was eint diese Vielfalt?
Uns geht es immer um die Frage, inwieweit die moderne Technik und die aktuelle Gesetzgebung noch zusammen passen. Für uns sind alle Fälle interessant, in denen eine – sagen wir im weitesten Sinne – Maschine mit so viel Intelligenz ausgestattet ist, dass sie unabhängig vom Eigentümer oder Bediener Entscheidungen trifft oder sogar handelt. Das kommt heute gar nicht so selten vor, ist aber in der Rechtsprechung so gut wie nicht verankert.
Geben Sie uns dafür ein Beispiel?
Nehmen wir ein autonomes oder teilautonomes Fahrzeug mit Sensoren. Die Steuerung verarbeitet die Daten, veranlasst zum Beispiel beim automatischen Einparken auch Bewegungen. Das alles ist erwünscht und letztlich der Sinn solcher Systeme, sonst wären sie dem Menschen keine Hilfe. Schwierig wird es, wenn etwas schief geht. Bei der Einparkhilfe ist nach heutiger Rechtsprechung und Gesetzeslage ganz selbstverständlich der Fahrer des Autos verantwortlich. Wenn wir aber in Zukunft der Technik mehr Aufgaben überlassen wollen, muss geklärt werden, ob nicht auch ein Entwickler, ein Konstrukteur oder der Programmierer der Software einen Teil der Verantwortung für Fehlleistungen trägt. Und das nicht nur bei einer Einparkhilfe, sondern auch bei medizinischen Anwendungen, in denen es um Leib und Leben geht. Und besonders interessant wird es bei lernfähigen Systemen, die in der Hand des Eigentümers oder Bedieners neue Fähigkeiten erwerben.
Welchen Status haben Roboter heute?
Elisa May: Juristisch gesehen sind sie Sachen, was bedeutet, dass allein der Eigentümer für alle Schäden haftet, die der Roboter verursacht. Das ist aber kein gutes Umfeld, in dem technischer Fortschritt gedeihen könnte.
Welche Alternativen wären denkbar?
Heutige Roboter – und das wird für zukünftige Entwicklungen noch viel stärker zutreffen – haben Eigenschaften und Fähigkeiten, die Ähnlichkeiten zu ganz anderen Bereichen der Rechtsprechung aufweisen. Ein Roboter könnte auch als eigenes Rechtssubjekt betrachtet werden. Dann könnte man ihm Handlungen zuerkennen – was bei Sachen nicht der Fall ist. Natürlich stehen hinter einem Rechtssubjekt Menschen, was für Fragen der Haftung wichtig ist. Eine GmbH beispielsweise ist ein Rechtssubjekt, in das bestimmte Personen eine festgelegte Summe einzahlen, mit welcher die GmbH sodann haftet. Verfolgt man diesen Gedankengang weiter, könnte man zu einer Art Haftungsfonds kommen, zu dem Entwickler, Konstrukteure, Eigentümer und Betreiber eines Roboters beitragen. Mit solchen Überlegungen stehen wir aber noch ganz am Anfang. Interessante Konzepte ergeben sich auch mit Blick auf das Tierhalterrecht.
Welche Schlüsse lassen sich da ziehen?
Jan-Philipp Günther: Am naheliegendsten ist die Situation bei Nutztieren – also Tieren, die nicht nur zum Vergnügen gehalten werden, sondern die eine Aufgabe für den Menschen übernehmen. Ein Blindenhund wäre ein gutes Beispiel dafür. Hier erkennt der Gesetzgeber an, dass das Tier unerwartete Handlungen ausführen und damit auch Dritte schädigen kann. Da gibt es Parallelen zum Roboter, so dass man ihn rechtlich ähnlich stellen könnte wie ein Nutztier. Die Haftung des Halters reicht hier nicht ganz so weit wie bei einem so genannten „Luxustier“, auf das der Halter nicht angewiesen ist.
Wo stehen Sie heute mit den Arbeiten an der Forschungsstelle Robotrecht?
Wir befassen uns seit 2010 im Rahmen eines DFG-geförderten Projektes mit einer Bestandsaufnahme. Wir erfassen in den verschiedensten Einsatzbereichen der Roboter, wo es Probleme mit der heutigen Gesetzeslage und Rechtsprechung geben könnte. Nach Abschluss dieser Bestandsaufnahme können wir sagen, wo eine andere Auslegung bestehender Gesetze ausreicht, wo man vielleicht mit Änderungen an den Gesetzen weiterkommt oder wo völlig neue Gesetze erforderlich sind. Der dann folgende Schritt wären konkrete Vorschläge für eine solche neue Sicht, wie wir sie schon angedeutet haben.
Wo sind solche Missverhältnisse erkennbar, dass ganze Gesetze in Frage gestellt werden müssten?
Elisa May: Die heutige Straßenverkehrsordnung basiert in allen Bereichen auf der Annahme, dass es einen Fahrzeugführer gibt, der handelt und für sein Tun verantwortlich ist. Wenn Sie das auf autonome Fahrzeuge anwenden wollen, merken Sie schnell, dass es nicht zusammenpasst. Wo autonome Fahrzeuge zu Testzwecken zugelassen sind, geht man daher derzeit oft den Weg einer Sondergenehmigung, die zeitlich und räumliche Grenzen setzt.
Ist in absehbarer Zeit mit grundlegenden Änderungen in den Gesetzen zu rechnen?
Jan-Philipp Günther: Mit schnellen Änderungen ist sicher nicht zu rechnen. Wir stehen am Anfang eines Prozesses. Bisher werden diese Fragestellungen kaum betrachtet. Unsere Forschungsstelle war eine der ersten, die sich auf dieses Gebiet begeben hat. Dennoch rückt das Thema langsam ins Bewusstsein, in Deutschland, aber auch in Europa, und die gesellschaftliche und politische Diskussion kommt in Gang.
Innovative Industrien fürchten natürlich jedwede Form von Bürokratie. Welchen Einfluss könnte die Diskussion um die rechtliche Stellung der Roboter haben?
Das hängt davon ab, welche Entscheidungen der Gesetzgeber trifft. Grundsätzlich aber ist die Diskussion positiv zu bewerten. Wenn sich Juristen und Ingenieure gemeinsam mit dem Thema befassen, ist das die beste Voraussetzung für einen sicheren Rechtsrahmen. Der muss schließlich da sein, wenn eine neue Technik einsatzbereit ist, und er legt fest, welche weiteren Entwicklungen möglich sind. Ein Hersteller muss doch wissen, welche Pflichten er zu erfüllen hat, was beim Roboter als Konstruktions-, Fabrikations- oder Instruktionsfehler gilt. Wie weit muss ich denn in meinem Handbuch gehen, damit ich den Bediener auf alle möglichen Gefahren bei meinem Roboter hingewiesen habe? Technik und Recht sollen sich also gegenseitig beeinflussen und Hand in Hand gehen.
Was ist für die nächste Zeit geplant?
Das DFG-Projekt Roboter und Recht läuft noch etwa ein Jahr. In dieser Zeit werden wir unsere Erkenntnisse zu einem Handbuch zusammenstellen und dabei nicht nur rechtliche Belange berücksichtigen, sondern auch ethische, soziologische und philosophische Aspekte ansprechen. Im Mai findet am Zentrum für interdisziplinäre Forschung in Bielefeld eine mehrtägige Konferenz zum Thema statt. Und wir arbeiten an einem Greenpaper, welches wir der Europäischen Kommission zuleiten und an dem sich auch andere Forscher aus Europa beteiligen.
  • Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
  • Weitere Informationen Zur Forschungsstelle Robotrecht: www.robotrecht.de Zum Projekt Autonomik: www.autonomik.de/

  • Forschungsstelle Robotrecht
    An der Universität Würzburg wurde im Jahr 2010 die Forschungsstelle Robotrecht gegründet, die Prof. Eric Hilgendorf leitet. Die Forscher befassen sich mit allen rechtlichen Fragen, die der Einsatz moderner Roboter im weitesten Sinn mit sich bringt. Derzeit konzentrieren sich die Arbeiten auf drei Projekte. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das Projekt Robotik & Recht, in dem bis 2013 zunächst alle Bereiche identifiziert werden sollen, in denen bestehende Gesetze die möglichen Konflikte nicht ausreichend abdecken. Beteiligt sind daran auch Fachleute aus Ethik, Soziologie und Philisophie. Dazu findet im Mai eine Tagung am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZIF) statt. Die Ergebnisse sollen bis zum Projektende auch in einem Leitfaden zusammengefasst werden.
    Im Projekt „A legal Framework for Robotics in Europe“ erstellen die Wissenschaftler ein Grünbuch, auf dessen Basis zukünftig EU-weite Entscheidungen getroffen werden sollen. An diesen Arbeiten beteiligen sich auch Forscher aus anderen EU-Staaten.
    Im vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekt Autonomik werden 14 ausgewählte Forschungsarbeiten, die sich mit autonomen technischen Systemen befassen, in rechtlichen Fragen begleitet. Darin geht es unter anderem um Technik im Operationssaal, bei der herstellerübergreifend Komponenten verknüpft und mit einem Touchscreen bedient werden. Für die Zulassung solcher offenen Systeme existieren bisher keine Zulassungsstandards, sagt Elisa May.

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