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Lob für das bestehende System

Medizinprodukte-Verordnung: Debatte um die zentrale Zulassung der Produkte in Europa
Lob für das bestehende System

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Eine zentrale Zulassung von Medizinprodukten sehen viele als Innovationsbremse, die den Patienten keinen Zuwachs an Sicherheit bringt Bild: BVMed
Weil eine zentrale Zulassung von Medizinprodukten die Sicherheit der Patienten nicht steigert, lehnen viele in den entscheidenden Gremien eine solche Regelung eher ab. Das erfuhren die Teilnehmer einer BVMed-Konferenz.

Die Europäische Kommission, die Mehrheit des Europäischen Parlaments und das Bundesgesundheitsministerium (BMG) lehnen eine zentrale Zulassung von Medizinprodukten in Europa ab. Ihr Argument: Die Patientensicherheit lasse sich damit nicht steigern. Dieses Stimmungsbild zeichneten der Europaabgeordnete Holger Krahmer und BMG-Staatssekretär Thomas Ilka auf der BVMed-Konferenz zur europäischen Medizinprodukte-Verordnung im Sommer 2013 in Berlin. „Eine zentrale Zulassung kann sogar mehr Risiken für die Patientensicherheit mit sich bringen und ist eine Innovationsbremse“, sagte Krahmer.

Derzeit finden in Brüssel die entscheidenden Gespräche und Abstimmungen statt. Dem Europäischen Parlament liegen insgesamt über 900 Änderungsanträge zum Kommissionsentwurf vor. Da die Positionen noch weit auseinander liegen, werden sich die Verhandlungen wohl bis in das Jahr 2014 erstrecken, so Ilka. Das Parlament wolle im September 2013 darüber abstimmen, „wenn der politische Wille zur Einigung existiert“, so Krahmer. Er sieht dabei eine klare Mehrheit von Parlament und Kommission gegen eine zentrale Zulassung.
Nach Ansicht von BVMed-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Joachim M. Schmitt sei der europäische Medizinprodukte-Rechtsrahmen in Deutschland „mustergültig umgesetzt“ worden. Dazu gehören der gesetzlich verankerte Medizinprodukteberater, der Sicherheitsbeauftragte analog zum Stufenbeauftragten des Arzneimittelgesetzes und das Medizinprodukte-Beobachtungs- und Meldesystem. Die CE-Kennzeichnung bei Medizinprodukten stehe für Sicherheit, Leistungsfähigkeit und Wirksamkeit. Schmitts Fazit: „Die derzeitigen Rahmenbedingungen sind absolut ausreichend, um sichere, leistungsfähige und wirksame Medizinprodukte herstellen und in Verkehr bringen zu können.“ Der BVMed spricht sich daher gegen einen Systemwechsel hin zu einer zentralen Zulassung aus. „Wir haben kein Regelungs-, sondern ein Vollzugsdefizit“, so Schmitt. Der BVMed setzt sich folglich für eine Verbesserung der Benennung und Überwachung der Benannten Stellen sowie für eine verbesserte Kontrolle bei Herstellern und im Markt ein.
Die 900 Änderungsanträge zum EU-Kommissionsentwurf zeigten, dass das Thema sehr komplex sei und sehr kontrovers diskutiert werde, sagte der Europaabgeordnete Krahmer anlässlich der Konferenz. Bei allen Vorschlägen müsse hinterfragt werden, was der Ansatz für die Patientensicherheit bringe. Kriminelle Handlungen wie der Fall der PIP-Brustimplantate wären durch eine staatliche Zulassung nicht verhindert worden, so Krahmer.
Eine zentrale Zulassungsstelle könnte sogar ein größeres Risiko darstellen. „Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass wir eine risikofreie Welt organisieren können. Dort, wo Menschen handeln, passieren Fehler. Die Frage ist, wie wir das bewährte System weiter stärken können.“
In der Kommission und dem Parlament gebe es eine deutliche Mehrheit gegen eine zentrale Zulassung von Klasse-III-Medizinprodukten. Ziel Krahmers sei es, einige Ansätze des Kommissionsvorschlages zu verbessern, beispielsweise bei den Anforderungen an die Qualität der Benannten Stellen. Hier müssten praktische Ansätze bei der Spezialisierung der Medizinprodukte-Experten gefunden werden. Deutschland habe bei den Benannten Stellen ein sehr hohes Niveau. Dieses Niveau auf europäischer Ebene insgesamt zu erreichen, liege im Interesse der Bundesrepublik.
Die deutsche Position und den Sachstand im Europäischen Rat zum Verordnungsvorschlag beleuchtete Thomas Ilka, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium. Er macht deutlich, dass die Bundesregierung „keinen Regimewechsel hin zu einer behördlichen Zulassung von Medizinprodukten“ wolle. Dies bringe keinen Vorteil für die Patientensicherheit. „Ein behördliches System ist nicht sicherer. Wir wollen vielmehr die Chancen innerhalb des jetzigen Systems nutzen“, so Ilka.
Gegen eine zentrale Zulassung sprächen auch zu lange Übergangsfristen und parallele Systeme, die zu mehr Bürokratie führen würden. Zudem habe man in Deutschland gute Erfahrungen mit dem Medizinprodukte-Zulassungssystem gemacht. Das System sei innovationsfreundlich und damit von Vorteil für die Patienten.
Verbesserungspotenziale sieht auch Ilka bei den Benannten Stellen. Hier müsse das Qualitätsniveau europaweit angehoben werden. Die Rückverfolgbarkeit der Medizinprodukte und die Marktüberwachung müssten verbessert werden. Und man benötige bessere Langzeit-Versorgungsdaten über Register.
Tanja Valentin vom europäischen Medizinprodukteverband Eucomed stellte das aktuelle Meinungsbild in Brüssel dar. Der PIP-Brustimplantate-Skandal habe die Diskussion um die Sicherheit und die Qualität von Medizinprodukten insgesamt stark politisiert und polarisiert. Allgemein gebe es ein nur geringes Wissen über die Funktionsweise von Medizinprodukten, des Industriesektors und des Rechtsrahmens. Hier sei weitere Aufklärungsarbeit nötig.
Eine breite Übereinstimmung gibt es in dem Ziel, den Rechtsrahmen zu verbessern. Wie das zu erreichen ist, sei allerdings umstritten. Eine Seite wolle Schwachstellen im bestehenden System verbessern. Die andere Seite wolle das jetzige System abschaffen und ein neues, pharma-ähnliches Zulassungssystem einsetzen. Valentin: „Es liegen positive, zielführende Alternativen zum pharma-ähnlichen Zulassungsverfahren auf dem Tisch. Wir brauchen weiterhin einen Medizinprodukte-spezifischen Ansatz. Das System sollte dezentral bleiben und auf den Benannten Stellen basieren.“ Valentins positives Fazit: Ein zielführender, ausgewogener Ansatz als Ergebnis scheint möglich. op
Staatliche Zulassung verhindert kriminelle Handlungen nicht

Leitfaden Benannte Stellen
Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) hat den Leitfaden „Benannte Stellen“ in komplett überarbeiteter Fassung neu aufgelegt. Er gibt einen Überblick über Aufgaben und Zuständigkeiten dieser „Zulassungsstellen“ für Medizinprodukte, die staatlich benannt und überwacht werden. Der Leitfaden ist Teil der zehnteiligen BVMed-Informationsreihe Medizinprodukterecht und kann im Internet bestellt werden.
www.bvmed.de (Stichwort: Publikationen/Medizinprodukterecht)

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