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Schon den Verdacht der Korruption vermeiden

Korruption im Gesundheitsmarkt
Schon den Verdacht der Korruption vermeiden

Schon den Verdacht der Korruption vermeiden
Der Gesetzgeber will das Vertrauen der Patienten in die Integrität des Ge-sundheitswesens schützen. Doch da es zu §§299a, b StGB noch keine Rechtssprechung gab, herrscht im Markt Unsicherheit Bild: Fotolia.com/Xsdecoret
Korruption im Gesundheitsmarkt | Es ist nicht alles verboten, aber im Umgang mit Ärzten ist vieles zu beachten. Was Unternehmen tun müssen, um auf der sicheren Seite zu sein, beschrieben Experten bei der BVMed-Healthcare-Compliance-Konferenz im November. Sensibel sein für moralisches und ethisches Handeln gehört dazu.

Zur Korruption im Gesundheitsmarkt (§§299a, b StGB) gibt es seit 2016 zwei neue Strafrechtsparagrafen. Diese haben bisher allerdings noch zu keinen großen staatsanwaltlichen Ermittlungen geführt – und damit auch zu keiner Rechtsprechung. Deshalb hält die Unsicherheit im Gesundheitsmarkt über die neuen Regelungen an. Das betonten im November in Berlin die Referenten bei der BVMed-Healthcare-Compliance-Konferenz.

Ein wichtiger Aspekt ist die finanzielle Unterstützung für Ärzte, die an von dritter Seite organisierten Konferenzen teilnehmen. Wenn Unternehmen diese passive Teilnahme unterstützen, besteht nach der aktuellen Rechtslage das Risiko, dass sich daraus ein Anfangsverdacht ergibt und die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufnimmt. Um schon dem Verdacht aus dem Wege zu gehen, müssen Unternehmen diese Art der Unterstützung zukünftig gänzlich einstellen. Darauf weist auch der BVMed in der zum Januar 2018 aktualisierten Version seines Kodex Medizinprodukte hin.

„Für Unternehmen aus der Medizintechnik-Branche ist es aber weiterhin möglich, die Teilnahme medizinischer Fachkräfte bei ihren eigenen Anwenderschulungen direkt finanziell zu unterstützen“, sagte Bernhard Fischer, Compliance Officer von Johnson & Johnson Medical. Laut BVMed-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Joachim M. Schmitt dürfen die Unternehmen hier auch einen Referenten auswählen und mit einem Referentenvertrag engagieren. Auch bei Anwenderschulungen, die von Dritten organisiert werden, können die Unternehmen die Teilnahme medizinischer Fachkräfte finanziell unterstützen. Die Auswahl und das Engagement des Referenten obliegen dabei aber der organisierenden Drittpartei.

Bei Konferenzen, die von einer dritten Partei organisiert werden, besteht laut Compliance Manager Fischer die Möglichkeit, eine Ausbildungszuwendung („educational grant“) an medizinische Einrichtungen oder Organisationen zu geben.

Mit diesem Thema hat sich auch der europäische Medizinprodukteverband Med Tech Europe (MTE) befasst. Er schreibt in seinem „Code of Ethical Business Practice“ vor, dass die Mitgliedsunternehmen des Verbandes ab dem 1. Januar 2018 keine direkte Unterstützung von Fachkreisen zur passiven Teilnahme an drittorganisierten Konferenzen mehr leisten dürfen. Neben dem Abbau der direkten Kostenübernahme für Teilnehmer externer Aus-, Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen sieht der Code auch eine vollständige Transparenz von Ausbildungszuwendungen vor.

Laut Bernhard Fischer, der den Code des MTE in Berlin vorstellte, können Ausbildungszuwendungen nur an Einrichtungen und Organisationen, nicht mehr an Individualpersonen, und nur auf Grundlage eines schriftlichen Vertrags gewährt werden. MTE-Mitgliedsunternehmen können die Fachrichtung auswählen, welcher die Ausbildungszuwendung zukommen soll, nicht jedoch die medizinische Fachkraft.

Zudem gebe der MTE-Code in einem eigenen Kapitel detaillierte Veranstaltungskriterien. Konferenzen müssen die Kriterien des MTE-Kodex erfüllen und vom „Conference Vetting System“ genehmigt werden. Das Veranstaltungsprogramm sollte ausreichend wissenschaftlich relevant sein, um eine Teilnahme der medizinischen Fachkräfte zu rechtfertigen. Unangemessen sind Veranstaltungsprogramme, die Unterhaltungselemente aufweisen. Diese dürfen von den Unternehmen in keiner Weise unterstützt werden.

Zertifizierbarer Standard soll Risiko für Fehlverhalten senken

Volker Ettwig, Rechtsanwalt bei Tsambikakis & Partner, stellte den Standard ISO 37001:2016 („Anti-Bribery Management Systems“) zur Prävention von Korruption in der Gesundheitswirtschaft vor. Der Standard enthält die Grundprinzipien für den Aufbau eines Compliance-Managements und lässt sich auf alle Organisationsformen anwenden. Er soll das Risiko individuellen und institutionellen Fehlverhaltens minimieren, kann mit einem umfassenden Compliance-Management-System nach DIN ISO 19600 verknüpft werden und ist zertifizierbar.

Rudolf Haug von der Solving Company ging auf die Praxis der innerbetrieblichen Weiterbildung im Bereich Healthcare Compliance ein. Wichtig sei, dass sich Schulungsmaßnahmen mit konkreten Fällen aus der Unternehmenspraxis beschäftigten, statt abstrakt zu schulen. „Um Mitarbeiter nicht zu verunsichern, sollten konkrete Lösungsansätze gegeben werden, statt nur über Probleme und Risiken zu sprechen“, so Haug.

Hilfreich seien beispielsweise eine Falldatenbank im Intranet, allgemein verständliche Compliance-Richtlinien sowie kurzweilige und kompakte Schulungsevents. Unterstützend kann E-Learning eingesetzt werden, um die Informationsvermittlung leichter, interessanter und nachhaltiger zu gestalten. Hinzu kommen digitale Tools wie Apps, Spiele oder Bildschirmschoner, die Compliance-Themen unterhaltsam aufgreifen. Zur Unterstützung der Schulungskonzepte in den Unternehmen bietet der BVMed in Zusammenarbeit mit der Solving Company zwei E-Learning-Tools nach dem Motto „Lernen, Trainieren, Zertifizieren“ an.

Der BVMed verfolgt mit seinem Kodex, mit Musterverträgen und der Aufklärungskampagne „Med Tech Kompass“ im Übrigen einen positiven Informationsansatz, wie Geschäftsführer Schmitt betonte, um die Prinzipien einer guten und transparenten Zusammenarbeit bekannter zu machen. Neben der Verhinderung von rechtswidrigem Verhalten über ein „Compliance Management“ gibt es zunehmend Entwicklungen hin zu einem „Integrity Management“, also der Förderung von moralischem, ethischem Handeln.

Einen weiteren Aspekt aus dem Korruptionsbereich beleuchtete Prof. Dr. Hendrik Schneider von der Universität Leipzig. Er berichtete über die Zuweiser-Problematik bei Beleg-und Honorarärzten vor dem Hintergrund der neuen Strafrechts-Paragrafen 299a und 299b StGB. Die strittige Frage ist hier, wann der Arzt den Patienten der Klinik „zuführt“. Wann wird der Patient geführt, wann führt er sich selbst? Schneider vertritt die Ansicht: „Wer informiert und empfiehlt, führt nicht zu.“ Es gibt aber auch Rechtsexperten, die der Ansicht sind, dass jede Überweisung und Empfehlung bereits eine Zuführung ist. Wer dann Vorteile annimmt, kann als Arzt dem Straftatbestand bereits nahe sein. „Die Komplexität der Problematik nimmt von Jahr zu Jahr zu“, so der Rechtsexperte.

Der zweite strittige Punkt in der aktuellen Rechtsdiskussion sei die Angemessenheit der Vergütung. „Hier muss die Verhältnismäßigkeit im weiteren und
im engeren Sinne gewahrt sein“, stellt Schneider klar. Er vertritt die Ansicht, dass Vergütungen bis zum 2,3-fachen Satz nach GÖA bei freiberuflichen Kooperationen angemessen sind. Diese
Ansicht sei „mehrheitsfähig, aber noch nicht durch die Rechtsprechung bestätigt“. (op)


Vier Prinzipien helfen gegen Korruption

Die beiden Paragrafen 299 a, b StGB sind so genannte Offizialdelikte, was bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft bei Vorliegen eines Anfangsverdachts von Amts wegen ermitteln muss. Gemäß der aktuellen Rechtslage im Bereich der Korruption im Gesundheitswesen können also schon erste Anhaltspunkte für den Beginn eines Ermittlungsverfahrens ausreichen. Laut Sascha Kuhn von der Anwaltskanzlei Simmons & Simmons sollten Unternehmen hier schon den Anfangsverdacht vermeiden, „da auch bei Unbegründetheit mit hohen Reputationsschäden zu rechnen ist“.

Um jedem Verdacht aus dem Weg zu gehen, sind vier Grundprinzipien zu be achten:

  • Trennung der Vergütung von heilberuflichen Entscheidungen und
  • Transparenz, insbesondere gegenüber dem Dienstherrn;
  • Dokumentation – es sollten nur schriftliche Vereinbarungen getroffen werden, die Art, Zweck und Spezifikation der Leistung beschreiben;
  • Angemessenheit – die Vergütung muss dem messbaren Wert der Leistung entsprechen.

Anhaltspunkte für die Angemessenheit der Vergütung sind die Vergütungssätze der Gebührenordnung für Ärzte, aber im Einzelfall auch Zeitaufwand, Schwierigkeitsgrad, Qualifikation und Reputation.

Zu weiteren Kriterien der Staatsanwaltschaft und der Rechtsprechung gehören die Plausibilität der Zielsetzung der Zusammenarbeit, der Wert und die Anzahl der Vorteile, der zeitliche Abstand zwischen der Zuwendung und der Leistung, die Einhaltung von Regelungen außerhalb des Strafrechts oder die Beachtung berufsrechtlicher Vorschriften.

Ausführlich beschrieben werden die Pirnzipien im „Kodex Medizinprodukte“, der 1997 vom BVMed erarbeitet, zuletzt 2016 geändert und zum 1. Januar 2018 ergänzt wurde.

www.bvmed.de

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