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EU-HTA: Eine Übersicht

Nutzenbewertung
Health Technology Assessment – was für die EU geplant ist

Health Technology Assessment – was für die EU geplant ist
Was bringt eine neue Gesundheitstechnologie für Patienten und für das System? Was bisher in jedem Land der EU einzeln betrachtet wurde, soll mit der neuen Verordnung einheitlichen Regeln folgen (Bild: Kentoh/Fotolia)
Das Health Technology Assessment, also die Nutzenbewertung neuer Gesundheitstechnologien, soll künftig mit einer Verordnung europaweit vereinheitlicht werden. Das EU-Parlament hat den ersten Vorschlag der Kommission inzwischen mit Änderungen angenommen.

Dr. Enno Burk
Gleiss Lutz, Berlin

Am 31. Januar 2018 hat die EU-Kommission den Entwurf einer Verordnung veröffentlicht, in der es um die Bewertung innovativer Gesundheitstechnologien geht: die HTA-Verordnung – COM (2018) 51 final. Im Kern soll mit dem HTA, wie das Health Technology Assessment abgekürzt genannt wird, ein unionsweit einheitliches und verbindliches Nutzenbewertungsverfahren eingeführt werden. Das betrifft nicht nur Arzneimittel, die im zentralen Zulassungsverfahren zugelassen werden, sondern auch viele Medizinprodukte und In-Vitro-Diagnostika mit hohem Risikoprofil. Die Wirksamkeit und Sicherheit neuer Verfahren soll im Vergleich zu vorhandenen Technologien betrachtet werden.

Bereits am 23. September 2018 hat das EU-Parlament den HTA-Entwurf der Kommission mit Änderungen angenommen. Gegenwärtig beraten die Mitgliedstaaten über den Entwurf. Sobald diese im Rat der Europäischen Union ihren Standpunkt verabschiedet haben, folgen Verhandlungen mit dem Parlament über die Neuregelung. Der Kommissionsentwurf sah vor, dass die Mitgliedsländer auf EU-Ebene in mehreren Punkten kooperieren:

  • Eingeführt werden sollten verbindliche gemeinsame klinische Bewertungen für die innovativsten und erfolgversprechendsten Gesundheitstechnologien, die maximalen EU-Mehrwert bieten.
  • Es sollte verbindliche gemeinsame wissenschaftliche Konsultationen geben, die es Herstellern ermöglichen, sich über die Art der zu übermittelnden Daten und Nachweise beraten zu lassen, die voraussichtlich für eine HTA verlangt werden.
  • Kommende Gesundheitstechnologien sollten identifiziert werden.
  • Für andere Gesundheitstechnologien als Arzneimittel und Medizinprodukte – wie beispielsweise chirurgische Verfahren – war eine freiwillige Koordinierung vorgesehen, ebenso in Bezug auf die wirtschaftlichen Aspekte von Gesundheitstechnologien.

Nur eine Bewertung – statt in jedem Land eine

Die HTA-Verordnung soll die Innovationsfähigkeit fördern und die medizintechnische Industrie wettbewerbsfähiger machen: durch einheitliche Standards für die klinische Bewertung und das Vermeiden von Mehrfachbewertungen in jedem Land. Bislang werden Bewertungen in den nationalen Systemen vorgenommen – in Deutschland primär durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sowie den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA). Die neue Verordnung wäre im Unterschied zu den bislang weitgehend freiwilligen HTA-Regelungen in allen Mitgliedsstaaten unmittelbar verbindlich und bedürfte keiner Umsetzung in nationales Recht. Die einmalige Bewertung auf EU-Ebene würde dann weitgehend die bisher auf Ebene der Mitgliedstaaten vorhandenen Bewertungsmethoden ersetzen. Für die Bewertung soll eine Koordinierungsgruppe aus Vertretern der Mitgliedstaaten neu geschaffen werden.

Die Zahl der gemeinsamen klinischen Bewertungen von Arzneimitteln und Medizinprodukten soll nach dem Kommissionsvorschlag während eines dreijährigen Übergangszeitraums allmählich erhöht werden, wobei Kapazitäten und Prioritäten der Mitgliedstaaten berücksichtigt werden. Danach sollen alle Arzneimittel und Medizinprodukte, für die die Verordnung greift, einer gemeinsamen klinischen Bewertung unterzogen werden. Allerdings können die Mitgliedstaaten ihre Mitwirkung an der Umsetzung der Verordnung um weitere drei Jahre aufschieben.

Die Medizintechnik- und Pharmaindustrie bewertete den HTA-Entwurf überwiegend positiv. Auch einige Krankenversicherungen haben die Idee begrüßt. Allerdings äußerten Sozialversicherungsträger und Ärzte die Befürchtung, ein Verfahren auf EU-Ebene unter Federführung der „industriefreundlichen“ Kommission könne Industrieinteressen den Vorrang einräumen.

Gemeinsame Bewertung – mit Folgen für die jeweiligen Länder

Kompetenzrechtlich würde die von der Kommission vorgeschlagene HTA-Verordnung die Mitgliedstaaten stark einschränken: in den nachgelagerten Entscheidungen über die Erstattungsfähigkeit sowie auch bei der Preisfestsetzung. Diese sollen zwar in der Verantwortung der Mitgliedstaaten verbleiben. Steht der klinische Mehrwert einer Gesundheitstechnologie allerdings fest, kann ein Gesundheitssystem seinen Patienten diese schwer vorenthalten und muss auch die Kosten hierfür übernehmen. Unterschiedliche Erstattungspreise sind bei einer einheitlichen klinischen Nutzenbewertung ebenfalls schwerer zu rechtfertigen.

Die Kompetenzen der EU im Bereich des Gesundheitswesens sind jedoch beschränkt. Daher hatte der Deutsche Bundestag bereits im März 2018 eine so genannte Subsidiaritätsrüge gegen den HTA-Entwurf der Kommission mit der Begründung erhoben, die Kommission überschreite ihre Befugnisse. Übereinstimmende Rügen kamen aus Tschechien und Frankreich.

Im Unterschied zum beschriebenen Kommissionsentwurf soll in der aktuell diskutierten Version des EU-Parlaments den Mitgliedstaaten die Möglichkeit verbleiben, eigene klinische Bewertungen zum Zusatznutzen durchzuführen – soweit diese Bewertungen nicht bereits Gegenstand des HTA-Verfahrens auf EU-Ebene waren und sie für eine Bewertung der Technologie notwendig sind (Art. 8 Abs. 1a neu). Neben weiteren Maßnahmen soll auch die Transparenz in Bezug auf das Entscheidungsgremium auf EU-Ebene verbessert werden.

Grundsätzlich vermeidet das vereinheitlichte HTA-Verfahren doppelte Arbeit. Nachdem das EU-Parlament den Entwurf befürwortet, ist es unwahrscheinlich,
dass der Entwurf aufgrund der Kritik aus den Mitgliedsstaaten komplett fallen gelassen wird. Allerdings werden diese voraussichtlich darauf drängen, ergänzende klinische Bewertungen innovativer Gesundheitstechnologien in ihren Gesundheitssystemen vornehmen zu können. Wann und mit welchem genauen Inhalt die Verordnung dann tatsächlich in Kraft tritt, ist derzeit offen.

www.gleisslutz.com


Um diese Produkte geht es

Folgende Technologien sollen der HTA-Verordnung unterliegen:

  • im zentralen Zulassungsverfahren zugelassene Arzneimittel
  • implantierbare Medizinprodukte der Klasse III
  • bestimmte aktive Medizinprodukte der Klasse II b
  • In-Vitro-Diagnostika der Risikoklasse D

Die Basis für die Entscheidung ist jeweils die Klassifizierung nach der neuen MDR und IVDR.

Im Rahmen der Konformitätsbewertung für Medizinprodukte wird der klinische Nutzen bislang grundsätzlich nicht bewertet. Hieran würde sich unmittelbar nichts ändern. Das HTA-Verfahren wäre unabhängig von der Konformitätsbewertung durchzuführen.

https://ec.europa.eu/health/technology_assessment/overview_de

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