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Medtech-Zulieferer Stüken stellt Daten für CO2-Fußabdruck bereit

Nachhaltigkeit und Bilanzierung
Medizintechnik-Zulieferer: Hier kommen die Daten zum CO2-Fußabdruck

Um nachhaltige Medizinprodukte herzustellen, müssen alle Akteure der Lieferkette auf den CO2-Fußabdruck und mehr achten. Das Beispiel eines Zulieferers, der Tiefziehteile für die Medizintechnik herstellt, zeigt, wie das in der Praxis aussehen kann. Mit den erhobenen Daten lassen sich viele verschiedene Anforderungen erfüllen.

Dr. Birgit Oppermann
birgit.oppermann@konradin.de

Beim Thema Nachhaltigkeit hängt gefühlt alles miteinander zusammen – und es wird komplex, unabhängig davon, wo man im Unternehmen anfängt. Dennoch hat sich die Hubert Stüken GmbH & Co. KG dieser Herausforderung gestellt. Fragt man Andreas Hellmann, der im Rintelner Unternehmen den Medical-Bereich leitet, wie es zu Beginn der Nachhaltigkeitsüberlegungen aussah, antwortet er: „Der erste Eindruck ist, dass endlich einmal begonnen wird, ehrlich zu bilanzieren und auch zu bewerten.“

Stüken fertigt Tiefziehteile, für Auftraggeber aus verschiedenen Branchen – auch aus der Medizintechnik – und hat seit einiger Zeit laut Hellmann die „Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung im ökologischen und sozialen Sinn übernommen“. Nachhaltigkeit sei einer der Kernwerte bei Stüken – wobei sich die jeweils aktuellen Themen verändern und entwickeln, anhand gesetzlicher Vorgaben oder anhand der von Kunden definierten Anforderungen.

Wo Tiefziehen Vorteile bringt, auch für Medizinprodukte

Die soziale Komponente des Themas Nachhaltigkeit sei durch das deutsche Lieferkettengesetz bereits geregelt. Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten trat 2021 in Kraft und fordert von allen Unternehmen, den Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten zu verbessern. „Diese Vorgaben müssen wir natürlich erfüllen“, sagt Hellmann. Da Deutschland bei Gleichstellung und Menschenrechten weltweit schon gut dastehe, sei derzeit vor allem die ökologische Seite der Nachhaltigkeit im Fokus.

Auch Medizintechnik-Branche fragt nach CO2-Fußabdruck

Auftraggeber fordern Auskünfte dazu auch ein, sagt er, allen voran die Automobilindustrie. Doch auch Auftraggeber aus der Medizintechnik stellen immer häufiger solche Fragen. Hier wie auch da „kann eine fehlende CO2-Bilanzierung zum KO-Kriterium werden“.

Entsprechende Daten hat Stüken bereits erhoben und die Prozesse in der Fertigung, aber auch das Drumherum bewertet. Und was zeigen die Erhebungen? Erste Erkenntnis: Das Tiefziehen, also die Kerntechnologie, um die sich bei dem Unternehmen alles dreht, ist ein vergleichsweise ressourcenschonendes Verfahren. Da als Werkstoff Metall verarbeitet wird, ist auch die Recyclingfähigkeit gegeben. „Den größten Anteil zum CO2-Fußabdruck unserer Produkte trägt das Vormaterial bei“, sagt Hellmann. „Interessant war auch zu sehen, dass zum Beispiel nachgeschaltete Prozesse wie die Reinigung oder der Reinraumbetrieb einen hohen Anteil haben.“ Auch die Logistik sei ein wesentlicher Faktor: beim Transport des Materials vom Lieferanten nach Rinteln und ebenso für den Weg des Produktes zum Auftraggeber.

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Ein Tiefziehteil entsteht bei Stüken in bis zu 24 Stufen der Fertigung. Die Analysen haben gezeigt: Bei einem typischen Edelstahlteil entfallen dabei fast 90 % aller Treibhausgas-Emissionen auf das Vormaterial – was also einem vorgelagerten Scope 3 zuzuordnen ist. Das Tiefziehen selbst ist damit als ressourcenschonendes Verfahren anzusehen
(Bild: Stüken)

Jedes Unternehmen kann etwas für die Nachhaltigkeit tun

Jedes einzelne Unternehmen hat laut Hellmann Handlungsspielräume, die sich anhand der Bilanzierungsdaten zeigen, und jeder kann „unheimlich viel tun“. Verbessern lasse sich immer etwas: eine optimale Gestaltung mache den Prozess schnell, sauber und sicher. Ein „Weiter-So“ zu Lasten der Umwelt und der ärmeren Menschen in anderen Erdteilen dürfe es nicht geben. „Das hat der Gesetzgeber meiner Meinung nach richtig entschieden.“ Und wenn ein verbesserter Prozess Material oder Energie einspare, „dient das der Nachhaltigkeit und der Wirtschaftlichkeit zugleich“, sagt Hellmann.

In kleinen Schritten zu nachhaltigen Produkten

Auf der Basis der vorliegenden Daten kann Stüken also seine Prozesse weiterentwickeln und auch das vielgestaltige Informationsbedürfnis der Auftraggeber befriedigen. In der Praxis ist der Austausch über die ökologischen Fragen der Nachhaltigkeit nämlich alles andere als einfach. Im ersten Schritt sind zwar laut Hellmann „viele Marktteilnehmer zufrieden, wenn ein Lieferant nach eigener Definition einen CO2-Footprint ermittelt.“ Manche Auftraggeber wünschen hingegen Zertifikate. „Es gibt auch Kunden, die den CO2-Ausstoß pro Euro Umsatz abfragen.“ Noch konkreter seien Angaben bezogen auf ein Bauteil oder eine Komponente – wobei der errechnete Wert davon abhängt, welche Scopes berücksichtigt wurden. Und bei manchen Anfragen stecke der Teufel im Detail: „Schwierig ist zum Beispiel, wenn grüne Energie in einem Energiemix ausgewiesen werden soll.“

Mit einheitlichen Vorgaben die Zahlen besser vergleichen

Aber auch damit ist die Vielfalt möglicher Fragen noch nicht erschöpft. Manche Auftraggeber arbeiten mit einem Zertifizierungsunternehmen zusammen, das alle Zulieferer bewerten soll. Manchen genügt eine Zertifizierung des Umweltmanagements nach ISO 14001 oder des Energiemanagements nach ISO 50001, andere legen unternehmensspezifische Fragebögen vor. All das kann Stüken beantworten. Aber: „Die Vielzahl der unterschiedlichen Vorgaben und Arbeitsgrundlagen macht es schon schwierig“, fasst Hellmann zusammen. Keine einfache Situation also für einen Zulieferer – obwohl es mit der ISO 14064 schon eine Vorlage für die Berechnung des CO2-Fußabdrucks gibt. „Die wird aber derzeit nicht häufig verwendet“, sagt der Rintelner.

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Der Erwartung, dass sich im Lauf der Zeit ein Standard durchsetzen wird, schließt er sich an. „Wichtig ist meines Erachtens, dass der Gesetzgeber sinnvolle und nachhaltige Definitionen schafft, diese in Vorgaben umsetzt und die Wirtschaft sich dann daran hält.“ Ein gutes Vorbild, an dem man sich orientieren könnte, wäre das Internationale Materialdatensystem IMDS, das für die Automobilbranche alle im Fahrzeugbau verwendeten Werkstoffe archiviert – so dass jeder Zulieferer und jeder Hersteller nachweisen kann, welche Materialien in welcher Menge im Produkt Fahrzeug enthalten sind. Auf dieser Basis ließe sich ein CO2-Fußabdruck schneller erstellen – was auch für die Medizintechnik ein interessanter einheitlicher Ansatz sein könnte.

Nachhaltigkeit und CO2-Bilanz: Einheitliche Vorgaben erleichtern vieles

Einheitlichkeit wäre auf jeden Fall sehr wünschenswert. „Wenn sich Unternehmen ihrer Verantwortung stellen, wäre es schließlich nur fair, dass alle Beteiligten weltweit dieselben Regeln einhalten müssen“, betont Hellmann. Nur so seien die Angaben vergleichbar und eine Zuordnung und Bewertung der Anstrengungen zur Nachhaltigkeit überhaupt möglich.

Bis das alles rund läuft, ist aber noch einiges zu tun – und längst nicht alle Unternehmen haben ihre Daten schon parat. „Viele KMU sind durch Eigeninitiative sehr gut aufgestellt – andere haben einfach keine Ressourcen dafür“, sagt Hellmann. Diese könnten an Netzwerken partizipieren, in denen es bereits einen regen Austausch gebe. Hellmann nennt als Beispiel die Gruppe Nachhaltigkeit, die sich unter medtec-online.de formiert hat. Entsprechende Diskussionen hält er für immens wichtig. „So richtig vorangehen wird es erst, wenn Unternehmen voneinander lernen.“

www.stueken.de


Weitere Informationen

Im Nationalen Community-Portal Medtec Online, das auf Initiative des BMBF entstand, gibt es 27 Arbeitsgruppen, darunter eine, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit befasst.

https://medteconline.de


Was ist…

  • Ecocockpit: Stüken weist seinen CO2-Footprint gemäß Ecocockpit nach. Das kostenlose Tool hat die Effizienz-Agentur NRW (EFA) entwickelt. Die Agentur unterstützt produzierende Unternehmen auch mit einer Ressourceneffizienz-Beratung dabei, ihre Produkte und Prozesse noch effizienter zu gestalten und damit Kosten und Umweltbelastungen zu reduzieren. Mit dem Online-Tool Ecocockpit lassen sich Standort-Bilanz, Prozess-Bilanz sowie Produkt-Bilanz erstellen.
    https://ecocockpit.de/
  • Treibhausgas: Alle Substanzen, die zum Treibhauseffekt beitragen, werden als Treibhausgase bezeichnet. Das sind Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Stickstoff(I)-oxid (N2O), Fluorkohlenwasserstoffe (FKW), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFKW) und Schwefelhexalfluorid (SF6).
  • GHG Protocol: Das Greenhouse Gas Protocol, kurz GHG Protocol oder im Deutschen „Treibhausgasprotokoll“, ist eine Standardreihe zur Bilanzierung von Treibhausgasemissionen. Es definiert auch ein dazugehöriges Berichtswesen, das von Unternehmen genutzt werden kann. Diese Vorgaben werden verbreitet verwendet, um Treibhausgasbilanzen zu erstellen. Sie sind auch die Basis für die dreiteilige
  • ISO 14064: Diese Norm für die Berechnung des CO2-Fußabdrucks liegt vor, ist für Unternehmen aber nicht verpflichtend.
  • Scope 1 bis 3: Als Scopes werden die Bereiche bezeichnet, in denen man CO2-Bilanzierungen erstellt. Scope1 umfasst die eigenen Emissionen, zum Beispiel aus dem Treibstoff für die Dienstwagen oder dem Heizen der Gebäude. Für Scope 2 zählt auch das freigesetzte CO2 mit, das für das Erzeugen von Fernwärme oder Strom entsteht. Scope3 schließt alle Emissionen ein, die in Zusammenhang mit Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen freigesetzt werden – es geht also um Vorgänge außerhalb des eigenen Unternehmens.
  • IMDS: Das Internationale Materialdatensystem wird seit gut 20 Jahren von dem US-amerikanischen IT-Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen DXC Technology zur Verfügung gestellt und von mehr als 50 Automobilherstellern und über 120 000 Lieferanten genutzt. Auch Nachhaltigkeit spielt dabei inzwischen eine Rolle.

Kontakt zum Tiefziehspezialisten:
Hubert Stüken GmbH & Co. KG
Alte Todenmanner Straße 42
31737 Rinteln
E-Mail: info@stueken.de
URL: www.stueken.de

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