In Deutschland werden jährlich etwa 43 000 onkologische Neuerkrankungen im zentralen Nervensystem (ZNS) diagnostiziert. Häufig ist eine mikrochirurgische Tumorresektion am ZNS indiziert. Je radikaler der Neurochirurg den Tumor entfernt, desto seltener treten in der Folge lokale Tumorrezidive auf. Problematisch dabei: die oft mangelhafte Erkennbarkeit von Tumor, Gefäßverläufen und Tumorgrenzen in Abgrenzung zum gesunden Gehirngewebe.
Zur Tumor- und Tumorgrenzdarstellung werden üblicherweise ein OP-Mikroskop und fluoreszierende Farbstoffe genutzt, die sich im Tumor anreichern und ihn unter dem Operationsmikroskop mit speziellen Filtern sichtbar machen. Als weitere Hilfsmittel zur Tumordarstellung können der intraoperative Ultraschall und die intraoperative Kernspintomographie sowie die Neuronavigation zum Einsatz kommen.
Höhere Lebensqualität für die Patienten
Das Verbundprojekt Neuro-OCT untersucht nun den Einsatz von dreidimensionaler, hochauflösender Echtzeit-Mikroskopie bei neurochirurgischen Operationen. Ziel ist es, Tumore des Zentralen Nervensystems künftig radikaler entfernen und gesundes Hirngewebe zugleich wirksamer schonen zu können. Frühe Rezidive sollen damit verhindert werden und den Patienten eine höhere Lebensqualität erhalten bleiben.
Die Forscher vergleichen dabei das gängige Verfahren der intraoperativen Fluoreszenz mit den zwei neuen unterschiedlichen intraoperativen Bildgebungsverfahren: mit der bereits in der Neurochirurgie „als Prototyp“ vorhandenen optischen Kohärenztomographie (OCT) (spectral domain OCT bei 800 nm Wellenlänge), bei der dem Operateur ein Tiefenquerschnitt dargestellt wird, sowie mit einer innovativen Hochfrequenz-OCT (MHz-swept source OCT bei 1300 nm Wellenlänge), entwickelt von Prof. Robert Huber, Leiter des Teilprojekts des Instituts für Biomedizinische Optik der Uni Lübeck.
Tumorgrenzen in Echtzeit erkennen
Die extrem schnelle Hochfrequenz-OCT der dritten Generation hat den Vorteil, dass der gesamte Resektionsraum in 3-D in Echtzeit dargestellt werden kann. Durch die höhere Wellenlänge hat man zudem eine deutlich niedrigere Gewebestreuung, wodurch eine höhere Gewebeeindringtiefe erreicht wird. Darüber hinaus soll die optische Darstellung von Blutgefäßen (Angiographie) realisiert werden. Im klinischen Umfeld werden beide Methoden bezüglich ihrer Sensitivität und Spezifität zur Tumorerkennung gegen die Fluoreszenz evaluiert und in puncto Tumorzelldetektion mit dem Goldstandard, der Histologie, validiert. Darüber hinaus wird im Verbund auch erarbeitet werden, wie 3-D-Volumendaten dem Operateur optimal in Echtzeit visualisiert werden können, um die aktuellen Tumorgrenzen, dem jeweiligen Operationsschritt kontinuierlich anzupassen.
An dem Verbundprojekt beteiligt sind die Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, das Institut für Biomedizinische Optik der Universität zu Lübeck und das Medizinische Laserzentrum Lübeck.