Wissenschaftler der Hochschule Niederrhein arbeiten daran, eine einheitliche, international gültige und auf Codierungen aufbauende Medizin-Sprache zu etablieren – damit sich die Mediziner besser verstehen und weniger Fehler passieren.
Wenn Mediziner untereinander reden, verstehen Laien oft nur Bahnhof. Besonders problematisch wird es, wenn sich Mediziner auch untereinander nicht mehr hundertprozentig verstehen. Denn die von ihnen verwendeten Begrifflichkeiten sind häufig ungenau oder können unterschiedliche Bedeutungen haben.
„Wenn die Sprache exakt ist und bei allen Beteiligten gleich verstanden wird, passieren auch weniger Fehler in der Medizin“, sagt Dr. Sylvia Thun, die am Fachbereich Gesundheitswesen der Hochschule Niederrhein lehrt und forscht. Die Professorin für Informations- und Kommunikationstechnologie im Gesundheitswesen leitet drei aktuelle Forschungsprojekte am Fachbereich, die sich alle mit den Themen Wissensmanagement und Kommunikation in der Medizin beschäftigen. Das mit 1,5 Mio. Euro Volumen größte Projekt ist „Standards zur Unterstützung von eCommerce im Gesundheitswesen“. Bei diesem durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderten Forschungsprojekt geht es darum, Einkaufsprozesse im Gesundheitswesen zu vereinheitlichen und transparenter zu gestalten. „Wir wollen eine Interoperabilität der unterschiedlichen eBusiness-Standards im Gesundheitswesen herstellen. Wenn wir automatisierte Bestellprozesse haben, können sich die Kliniken wieder stärker auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren“, erklärt Thun.
Bei einem weiteren Projekt geht es um das Infektionsschutzgesetz, das Ärzte verpflichtet, bestimmte Erreger zeitnah an die Landesgesundheitsämter und das Robert-Koch-Institut zu melden. Diese Meldungen werden in der Regel gefaxt, der Meldeprozess dauert oft lange. Thun arbeitet mit ihrem Team daran, für ein elektronisches Meldesystem die exakte Bezeichnung verschiedener Erreger mit einer weltweit angewandten Terminologie zu codieren – damit auch hier sprachliche Klarheit und Genauigkeit herrscht.
Ein drittes Forschungsprojekt widmet sich der Notfallmedizin. Dort gibt es Begriffe, die einen gewissen Interpretationsspielraum lassen, wie zum Beispiel der GCS (Glasgow Coma Scale) mit dem Parameter „Augen öffnen prompt“, ein medizinischer Ausdruck, um die Ansprechbarkeit des Patienten zu verifizieren. Was mit „prompt“ genau gemeint ist, bleibt dabei unklar. „Das muss eindeutig definiert werden, die semantische Interoperabilität ist nur dann gewährleistet“, sagt Thun.
Bei einem Notfall verfassen Ärzte und das medizinische Fachpersonal ein aufwändiges Aufnahmeprotokoll. „Durch die von uns entwickelte Methode wird dieses im Hintergrund in die Medizin-Sprache codiert. Dadurch ist das Protokoll zwischen zwei Menschen, zwei Rechnern oder Mensch und Rechner interoperabel anwendbar. Wir schließen damit eine Reihe von Fehler-Quellen, wenn Dinge klar und eindeutig benannt werden“, führt Thun weiter aus. Für die Ärzte bedeutet die Einführung der Terminologien und Schnittstellen eine Entbürokratisierung; die Codierung in die einheitliche Medizinsprache bekommen sie gar nicht mit.
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