Forscher nutzen ein evolutionäres Prinzip zur Entwicklung nachhaltiger Behandlungsformen in der Antibiotikatherapie: Die Resistenz gegen den einen Wirkstoff hat oftmals eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber einem anderen Wirkstoff zur Folge.
Antibiotika-resistente Krankheitskeime könnten laut Vorhersage der Weltgesundheitsorganisation WHO binnen weniger Jahre zu den häufigsten Verursachern nicht-natürlicher Todesfälle werden. Diese dramatische Gefahr für die öffentliche Gesundheit beruht auf der schnellen Evolution von Antibiotika-Resistenzen, die das Spektrum wirksamer antibakterieller Medikamente weiter schrumpfen lässt. Die Forschung steht vor der Herausforderung, dieser Gefahr mit neuen Behandlungsansätzen möglichst schnell begegnen zu müssen. Neben der Entwicklung neuer antibiotischer Wirkstoffe besteht eine zentrale Strategie der Forschenden darin, die Wirksamkeit der vorhandenen Antibiotika durch neue Therapieansätze zu verbessern.
Kollaterale Sensitivität ausnutzen
Die Arbeitsgruppe Evolutionsökologie und Genetik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nutzt Erkenntnisse aus der Evolutionsmedizin zur Entwicklung effizienterer Behandlungsansätze. Als Teil des neu gegründeten Kiel Evolution Center (KEC) der CAU untersuchen die Forschenden unter der Leitung von Prof. Hinrich Schulenburg, wie sich verschiedene Formen der Antibiotika-Gabe auf die evolutionäre Anpassung der Erreger auswirken. Beim Krankheitskeim Pseudomonas aeruginosa, der häufig Multiresistenzen entwickelt und besonders für immungeschwächte Patienten bedrohlich ist, konnten sie zeigen, dass die Evolution von Resistenz gegen bestimmte Antibiotika gleichzeitig zu einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber anderen Wirkstoffen führt. Dieses Konzept der sogenannten „kollateralen Sensitivität“ eröffnet neue Perspektiven in der Bekämpfung multiresistenter Krankheitserreger.
Im Test: Acht Antibiotika
Dazu wurde der Erreger in 12-stündigen Intervallen immer höheren Dosierungen von acht verschiedenen Antibiotika ausgesetzt. Als Konsequenz entwickelte das Bakterium jeweils eine Resistenz gegenüber den verschiedenen Wirkstoffen. Im nächsten Schritt testeten die Forschenden, wie sich die resistenten Erreger gegenüber anderen Wirkstoffen verhielten, mit denen sie bis dahin nicht in Kontakt gekommen waren. So konnten sie feststellen, welche Resistenzbildungen zugleich eine Empfindlichkeit gegen einen anderen Wirkstoff mit sich brachten.
Kombinierter abwechselnder Einsatz
Als besonders effektiv stellte sich die Kombination von Antibiotika heraus, die unterschiedliche Wirkmechanismen aufweisen – insbesondere aus den Klassen der Aminoglykoside und Penicilline. „Durch den kombinierten oder abwechselnden Einsatz von Antibiotika mit wechselseitigen Sensitivitäten lassen sich die Keime potenziell in eine evolutionäre Sackgasse treiben: Sobald sie gegen das eine resistent werden, sind sie empfindlich gegen das andere und umgekehrt“, fasst Schulenburg die Bedeutung der vorliegenden Arbeit zusammen. Diese neuen Ergebnisse aus dem Labor machten Hoffnung: Eine gezielte Kombination der noch wirksamen Antibiotika könnte zumindest für eine Atempause im Kampf gegen die sehr problematischen Resistenzbildungen sorgen, so Schulenburg weiter.
Unsere Whitepaper-Empfehlung
Teilen: