Krebs ist in den Industrieländern heutzutage nebst Herzkreislauferkrankungen Todesursache Nummer eins. Viele Betroffene erhalten die Diagnose erst dann, wenn ein Tumor bereits weit fortgeschritten ist. Dies schmälert die Aussichten auf Heilung oft massiv: Bei Prostatakrebs liegt die Heilungsrate bei 32 %, bei Dickdarmkrebs bei nur gerade 11 %. Könnte man solche Tumore zuverlässig und frühzeitig entdecken, würde das nicht nur Leben retten, sondern auch die Zahl von teuren und belastenden Therapien verringern.
System erkennt Krebs in sehr frühem Stadium
Forscher um Martin Fussenegger, Professor am Departement für Biosysteme der ETH Zürich in Basel, präsentieren nun eine mögliche Lösung für dieses Problem: ein synthetisches Gennetzwerk, das als Frühwarnsystem fungiert. Es erkennt die vier häufigsten Krebsarten Prostata-, Lungen-, Dickdarm- und Brustkrebs in einem sehr frühen Stadium, nämlich schon dann, wenn die Kalziumwerte im Blut aufgrund des sich anbahnenden Tumors erhöht sind.
Kalziumüberschuss regt Melaninproduktion an
Das Frühwarnsystem besteht aus einem genetischen Netzwerk, das die Biotechnologen in menschliche Körperzellen einbauten, die sie wiederum in ein Implantat verpackten. Das so verkapselte Gennetzwerk wird dann unter die Haut eingepflanzt, wo es permanent den Kalzium-Pegel im Blut überwacht.
Sobald der Kalziumpegel einen bestimmten Schwellenwert über eine längere Zeit überschreitet, wird eine Signalkaskade in Gang gesetzt, welche die Produktion des körpereigenen Bräunungsstoffs Melanin in den genetisch veränderten Zellen anstößt. In der Haut formiert sich in der Folge ein brauner Leberfleck, der mit dem bloßem Auge sichtbar ist.
Früherkennung erhöht Chancen
Der Leberfleck erscheint dabei lange bevor sich die entsprechende Krebserkrankung mit herkömmlichen Diagnosen feststellen lässt. „Ein Implantatträger sollte dann bei Erscheinen des Leberflecks zur weiteren Abklärung zu einem Arzt gehen“, erklärt Fussenegger. Der Fleck sei kein Grund zur Panik, sondern bedeute lediglich, dass Abklärungen und allenfalls eine Behandlung nötig seien. „Früherkennung erhöht die Überlebenschancen deutlich“, sagt Fussenegger. Wird beispielsweise Brustkrebs frühzeitig erkannt, beträgt die Heilungschance 98 %; wird der Tumor jedoch erst zu spät diagnostiziert, hat nur jede vierte Frau gute Aussichten auf Heilung. Wer sich jedoch nicht dem ständigen Stress aussetzen wolle, könne auch ein Implantat verwenden, dessen Fleck sich nur mit rotem Licht erkennen lasse. „Den regelmäßigen Check könnte in dem Fall auch gleich der Arzt machen.“
Als Indikator für andere Krankheiten denkbar
Bis jetzt ist das Frühwarnimplantat ein Prototyp. Im Tiermodell funktionierte es einwandfrei, von Tests an Menschen sind die Basler Wissenschaftler allerdings noch weit entfernt. Das Konzept der „biomedizinischen Tattoo“ wie Fussenegger diese neue Erfindung bezeichnet, wäre auch auf andere sich schleichend entwickelnde Krankheiten wie neurodegenerative Erkrankungen oder Hormonstörungen übertragbar.
http://stm.sciencemag.org/content/10/437/eaap8562
www.ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2018/04/biomedizinischer-leberfleck.html