Sprache ist oft schwerer zu verstehen, wenn zusätzliche Stimmen als Störgeräusche auftreten – etwa in einem lauten Restaurant. Dies gilt vor allem für ältere Menschen und jene, die Hörgeräte tragen. Selbst moderne Hörhilfen können diesen sogenannten Cocktail-Party-Effekt nicht ausgleichen. Denn die Geräte erhalten keine Information darüber, welchem Sprecher ihr Träger gerade folgen möchte.
Wahrnehmung für eine Schallquelle schärfen
„In diesen Situationen könnte die transkranielle elektrische Hirnstimulation Abhilfe schaffen“, sagt Psychologe Prof. Christoph Herrmann von der Universität Oldenburg. Um mit dieser Methode das Sprachverstehen zu verbessern, wertet ein eigens von den Forschern entwickeltes Computerprogramm zunächst ein auf die Ohren treffendes Schallsignal aus und berechnet die so genannte Hüllkurve. Gemeint ist die grobe Struktur des Schalls, beispielsweise eines gesprochenen Satzes. Dieses Signal wird als schwacher elektrischer Wechselstrom über zwei oder mehr auf der Kopfhaut angebrachte Elektroden durch den Schläfenlappen geleitet – die Region, in der das Gehirn Hörinformationen verarbeitet. Ziel ist, die Wahrnehmung für eine bestimmte Schallquelle zu schärfen, indem die elektrische Hirnaktivität, die beim Hören zu messen ist, mit der äußeren Stromquelle in Gleichtakt gebracht wird. „In der Fachsprache heißt dies Frequenzmitnahme“, erläutert Herrmann.
Doppelt-blind Studie
In der aktuellen von Forscher der Universitäten Lübeck, Oldenburg und Salzburg durchgeführten Studie erhielten insgesamt 19 junge gesunde Testpersonen eine solche Stimulation, während sie aus fünf Wörtern bestehende Sätze hörten. Dabei überdeckte unterschiedlich starkes Rauschen diese Sätze. Im Anschluss wiederholten die Probanden die Worte – soweit sie diese verstanden hatten. Die Studie wurde doppelt-blind durchgeführt: Weder Wissenschaftler noch Probanden wussten, ob letztere gerade per Strom stimuliert wurden oder nur einen leichter Gleichstrom oder gar kein Strom durch die Elektroden floss.
Strom wirkt individuell unterschiedlich
Das Ergebnis: Die Testpersonen verstanden im Vergleich zu den Kontrollmessungen die Sätze trotz Rauschens signifikant besser, wenn sie eine transkranielle Hirnstimulation erhielten. Dabei zeigte sich allerdings, dass sich eine Zeitverzögerung im Bereich von Zehntelsekunden zwischen Einsetzen des Sprachsignals und Einsetzen des stimulierenden Stroms individuell unterschiedlich auf die Testpersonen auswirkte. Die Forscher vermuten, dass der verabreichte Strom die so genannte Frequenzmitnahme entweder verstärkt oder stört – je nach gewählter Verzögerung.
Prototyp ist das nächste Ziel
Bevor die Technik alltagstauglich ist, müssen die Forscher noch einige Hürden überwinden. Beispielsweise sei noch nicht klar, wie lange der Effekt durch die Hirnstimulation anhalte. Zudem müssen die Wissenschaftler noch realistischere Gesprächssituationen testen. Und noch ist die Apparatur sperrig. Langfristig sei daher das Ziel, die Elektroden und die datenverarbeitende Technik möglichst klein zu machen und mit vorhandenen Hörhilfen zu kombinieren, sagt Herrmann und: „Unser Ziel ist, im Laufe des Projekts einen Prototypen zu entwickeln.“
https://doi.org/10.1016/j.neuroimage.2018.01.038