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Heilung von Querschnittlähmung

Querschnittlähmung: Verbindungselement soll Regeneration des Rückenmarks ermöglichen
Heilung von Querschnittlähmung

Heilung von Querschnittlähmung
Mit Hilfe von Unterdruck werden Nervenfasern in das Implantat gesogen und dort von der besonderen Struktur an der Innenseite der Waben auch festgehalten Bild: TUHH
Ein an der TU Hamburg entwickeltes System soll verletztes oder durchtrenntes Rückenmark mechanisch zusammenführen und einen gezielten Zugang zum verletzten Gewebe herstellen.

Die Hoffnung am Himmel der Medizintechnik ist kleiner als ein Cent und hat Vorbilder in der Natur: Die Idee zur Entwicklung eines mechanischen Verbindungselements zur Heilung durchtrennten Rückenmarks hatten 2007 Prof. Dr.-Ing. Jörg Müller sowie Prof. Dr. med. Klaus Seide vom Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus Boberg. Seitdem forscht ein Team aus Ingenieuren und Ärzten unter Leitung des Mikrosystemtechnikers Müller an diesem zukunftsweisenden Vorhaben.

Im Innern des ellipsenförmigen Implantats befinden sich eine sehr große Anzahl parallel angeordneter, wabenförmiger Röhrchen mit einem Durchmesser von nur 300 µm – dies entspricht dem Durchmesser von etwa drei Haaren – und einer Länge von 1000 µm. An einer Stelle dieses Verbindungselements befindet sich ein Schlauch. Der Clou: Während der Implantation wird mit Hilfe dieses Schlauchs Luft abgesaugt, so dass ein Unterdruck entsteht, der die zertrennten Nervenenden zusammensaugt und dazu bringen soll, durch die wabenförmigen Röhrchen wieder zusammenzuwachsen.
Sobald der Unterdruck wegfällt, gibt es kein Zurück mehr für die Nervenbahnen. Dafür sorgen die Innenwände der wabenförmigen Röhrchen, die ähnlich wie die Oberfläche der Füße eines Geckos strukturiert sind, die sich durch perfekte Adhäsion auszeichnen, und es bekanntlich der Echse ermöglichen, glatte Wände hochzugehen.
Auch bei der Wahl der Form des Implantats stand die Natur Pate. Die Röhrchen sind sechseckig und nicht rund. „Mit der Wabenform nutzen wir die Fläche optimal und erhalten eine gute Stabilität“, sagt Prof. Dr.-Ing. Hoc Khiem Trieu. Er ist seit 2011 Nachfolger von Professor Müller am Lehrstuhl des Instituts für Mikrosystemtechnik.
Finanziert bis 2013 von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, gelang dem Team mit TUHH-Nachwuchswissenschaftler Dr. Christian Voß in enger Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Düsseldorf unter Leitung von Prof. Dr. rer. nat. Hans Werner Müller die Entwicklung des Implantats in der jetzt vorliegenden Version. Erste Tierversuche zeigten positive Resultate. Ziel der Hamburger Forscher ist es, in weniger als zehn Jahren mit einem serienreifen Implantat für querschnittgelähmte Patienten auf dem Markt kommen zu können.
Von entscheidender Bedeutung dafür wird auch sein, inwieweit Medikamente in das Gewebe zugeführt werden können. Denn bei einer Querschnittlähmung, bei der das Rückenmark schwer verletzt oder vollständig durchtrennt wird, erhalten die Nervenzellen unterhalb des Einschnitts keine Informationen mehr aus dem Gehirn. Die verletzten neuronalen Strukturen bilden dann so genannte Aussprossungen als Versuch einer Heilung. Gleichzeitig werden Substanzen freigesetzt, die der Heilung entgegenwirken und zu einer Narbenbildung führen. Um beides zu verhindern, sollen chemische Substanzen über einen Mikrokanal in den Wundspalt gelangen und das Wachstum der Nervenzellen fördern. Die Forscher hoffen, dass so die Heilung des Rückenmarks, welche früher als unmöglich galt, möglich werden könnte.
„Unser Plan sieht jetzt eine Reihe von Versuchen mit verschiedenen Medikamenten vor“, sagt Dr. Voß. Außerdem wird geprüft, inwieweit das Implantat auch dann funktioniert, wenn das Rückenmark gequetscht ist und nicht durch einen glatten Schnitt durchtrennt wurde. Zudem wollen die Forscher wissen, ob ihr System auch dann Erfolg hat, wenn der Unfall Monate zurückliegt und die Verletzung chronisch geworden ist.
Nicht zuletzt ist die Frage des Materials noch zu klären. Bisher wird eine Art Plexiglas verwendet. Wie verträglich dieses im Bereich des Rückenmarks ist, muss sich noch zeigen. „Wir brauchen ein Material, das sowohl biokompatibel ist als auch bioresorbierbar“, sagt Müller. Nach der Implantation des Verbindungselements muss dieses einerseits der organischen Umgebung standhalten, sich andererseits aber nach der etwa achtwöchigen Therapie wieder auflösen. „Eine operative Entfernung ist nach dem Zusammenwachsen der Nervenenden in den Wabenstrukturen nicht mehr möglich“, sagt Müller.
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