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Wiener Forscher bewerten Symptom-Checker

Digitale Gesundheitsanwendungen (Diga)
Gesundheitsapps: Nutzen von „Symptom-Checkern“ fraglich

Gesundheitsapps: Nutzen von „Symptom-Checkern“ fraglich
Den Digitalen Gesundheitsanwendungen, kurz Diga, sollen – eingesetzt vom Patienten selbt – bei der Diagnose und Therapie von Erkrankungen helfen (Bild: MQ-Illustrations/stock.adobe.com)
Das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) evaluierte eine Gruppe von digitalen Gesundheitsanwendungen (Diga), die so genannten „Symptom-Checker“. Das Hauptergebnis der Studie zu den Gesundheitsapps: Dass die Symptom-Checker einen Nutzen haben, hat sich bisher nicht ausreichend erwiesen.

Der Markt für digitale Gesundheitsanwendungen (Diga) boomt, mehrere 100.000 solcher Gesundheitsapps versprechen gesundheitliche Vorteile für ihre Nutzer. Verstärkt hat sich der Trend nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie und sich wiederholende Lockdowns. Die Angebote reichen von niederschwelligen Anwendungen wie Pulsmessern oder Schrittzählern über digitale Erinnerungshilfen für die Einnahme von Medikamenten bis zu ärztlichen Diagnose-Tools. Für die meisten Gesundheitsapps liegt jedoch nur wenig Evidenz zum tatsächlichen medizinischen Nutzen vor. Das hat eine Studie des Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) bereits im Vorjahr gezeigt.

Was die Symptom-Checker unter den Gesundheitsapps bieten

Nun hat Studienleiter Reinhard Jeindl vom AIHTA in einer aktuellen Untersuchung die Gruppe der sogenannten „Symptom-Checker“ evaluiert. Sein Fazit: „Diese Apps sind mit Vorsicht zu verwenden.“

Wer etwa an Kopfschmerzen leidet, gibt auf einer Eingabemaske Alter und Geschlecht ein und wird anschließend von einem Chat-Bot gefragt, wie lange beispielsweise die Kopfschmerzen schon dauern oder ob gleichzeitig Fieber aufgetreten ist. Am Ende der Befragung präsentiert der Symptom-Checker mehrere mögliche Ursachen für die gesundheitlichen Beschwerden. Die digitalen Anwendungen versprechen so eine Unterstützung beim Diagnoseprozess und eine Verbesserung der Steuerung von Patientenflüssen.

Wenn Gesundheitsapps zu Ängsten führen

Das Prinzip hinter den Apps erinnert an die Gesundheitshotline 1450, nur dass hier häufig nicht nur Handlungsempfehlungen, sondern auch eine Liste an möglichen Diagnosen geliefert wird. „Beim Symptom ‚Kopfschmerz‘ können diese von Verspannungen bis zum Hirntumor reichen. Das führt mitunter zu erheblichen Verunsicherungen und Ängsten“, betont Jeindl.

Die Auswahl der in der Studie berücksichtigten Symptom-Checker basiert auf einer systematischen Suche in vier medizinischen Datenbanken. Für die Analyse der Evidenz wurden neben einer Übersichtsarbeit, die 27 Studien umfasste, weitere 14 Studien berücksichtigt.

Kein Schaden, aber auch keine Evidenz für die Diagnosevorschläge

Was die „Sicherheit“ der Symptom-Checker betrifft, wurden bisher zwar keine möglichen Schäden durch Verwendung der Apps identifiziert. Die Evidenz zur Genauigkeit der Diagnosevorschläge und der daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen lieferte aber keine zufriedenstellenden Ergebnisse.

Die Studien zu Symptom-Checkern weisen methodische Mängel auf, sie werden meist auf Basis von fiktiven, klinischen Fällen über Rollenspiele der Probanden getestet. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Algorithmen der Symptom-Checker mit denselben Fallvignetten trainiert wurden, die auch für die Erhebung der Daten in den Studien herangezogen wurden. „Demnach können die Ergebnisse häufig nicht auf reale Bedingungen umgelegt werden“, betont Reinhard Jeindl.

Tipps für die Nutzer von Gesundheitsapps

Anwender von Symptom-Checkern empfiehlt der Studienleiter auf die Quellen zu achten, auf deren Basis die Diagnosevorschläge abgeleitet werden. „Apps, die verwendete Quellen nicht offenlegen, sind wenig vertrauenswürdig“, gibt Jeindl zu bedenken. Aber auch die Qualität sei ausschlaggebend. „Es macht einen großen Unterschied, ob seriöse medizinische Quellen herangezogen werden oder die Informationen von einer Homöopathie-Seite oder Nahrungsergänzungsmittel-Werbeplattform stammen“, ergänzt der Experte.

Für die Kostenerstattung von Diga sollten sich die Sozialversicherungsträger den Studienautoren zufolge an der Relevanz der Anwendungen, ihren technologiespezifischen Anforderungen (wie der Einhaltung der Datenschutzvorgaben, Kompatibilität mit ELGA) und besonders am Nachweis des Nutzens orientieren. Für Symptom-Checker konnte dieser Nutzennachweis aber „nicht ausreichend erbracht werden“, heißt es im AIHTA-Bericht abschließend.

Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Austrian Institute for Health Technology Assessment
Dr. med. Reinhard Jeindl
Garnisongasse 7/20
1090 Wien
E-Mail: reinhard.jeindl@aihta.at
www.aihta.at

Mehr zum Thema Diga in Deutschland:

https://medizin-und-technik.industrie.de/recht/digitale-gesundheitsanwendungen-chancen-fuer-hersteller/

Was das BfArM in Sachen Diga bewertet:

https://diga.bfarm.de/de/diga-nutzer

Mehr zum Thema HTA

https://medizin-und-technik.industrie.de/recht/health-technology-assessment-fuer-medizinprodukte-in-der-eu-ab-2029/

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