Forscher entwickeln eine Methode, die Chirurgen helfen könnte, bei Gehirnoperationen die richtigen Entscheidungen zu treffen. Mathematische Modelle und Algorithmen berechnen, an welcher exakten Position sich das Operationsziel und kritische Bereiche aktuell befinden.
Chirurgen operieren oft im Dunklen. Ihre Sicht beschränkt sich auf die Oberfläche des Organs, und sie können normalerweise nicht sehen, was sich im Inneren verbirgt. Zwar können vor der Operation routinemäßig Bilder von hoher Qualität aufgenommen werden, doch sobald die Operation beginnt, verändert sich ständig die genaue Position des Operationsziels, wie zum Beispiel eines Tumors, und riskanter Bereiche, die der Chirurg meiden muss. Dadurch sind die Ärzte oft gezwungen, sich allein auf ihre Erfahrung zu verlassen, wenn sie chirurgische Instrumente steuern, um beispielsweise einen Tumor zu entfernen, ohne gesundes Gewebe zu beschädigen oder wichtige Blutgefäße zu durchtrennen.
Probeläufe vor komplexen Operationen
Stéphane Bordas, Professor für Computational Mechanics an der Fakultät für Naturwissenschaften, Technologie und Kommunikation der Universität Luxemburg, und sein Team haben Simulationsmethoden entwickelt, die es erlauben, dass Chirurgen vor derart komplexen Operationen Probeläufe absolvieren, und die während der Operation eine zusätzliche Orientierung bieten. Hierzu entwickelte das Team mathematische Modelle und Algorithmen, die vorausberechnen, wie sich das Organs während der Operation verformt, und an welcher exakten Position sich das Operationsziel und kritische Bereiche aktuell befinden. Mit diesen Hilfsmitteln könnte der Arzt eine spezielle Operation virtuell proben, um eventuelle Komplikationen vorauszusehen.
Je mehr Blöcke, desto genauer die Simulation
Da das Gehirn sich aus verschiedenartigen Substanzen zusammensetzt (graue Substanz, weiße Substanz und Flüssigkeiten), verwenden die Forscher Daten aus der medizinischen Bildgebung, zum Beispiel der MRT, um das Gehirn virtuell in Untereinheiten aufzuteilen, die mit Legosteinen vergleichbar sind. Die Farbe jedes Legosteins wird durch die Substanz bestimmt, für die er steht: weiße oder graue Substanz oder Flüssigkeit. Dieses farbcodierte „digitale Lego-Gehirn“ besteht aus Tausenden dieser interagierenden und sich verformenden Blöcke, mit deren Hilfe berechnet wird, wie sich das Organ durch die Einwirkung des Chirurgen verändert. Je mehr Blöcke die Forscher zur Modellierung des Gehirns verwenden, desto genauer ist die Simulation. Gleichzeitig wird die Simulation dadurch auch langsamer, da mehr Rechenleistung benötigt wird, wenn eine größere Zahl an Elementen berechnet wird. Für den Benutzer ist es daher wichtig, die richtige Balance zwischen Genauigkeit und Geschwindigkeit zu finden, wenn er entscheidet, wie viele Blöcke verwendet werden sollen.
Berechnungsaufwand steuern
Der wesentliche Aspekt der Arbeit von Prof. Bordas ist, dass es zum ersten Mal möglich ist, sowohl die Genauigkeit als auch die Berechnungszeit der Simulationen zu kontrollieren und zu steuern. Der Benutzer bekommt Hinweise, wie groß die Lego-Blöcke mindestens sein müssen, um einen bestimmten Genauigkeitsgrad zu erreichen. Diese Methode habe zwei Vorteile, heißt es: Die Nutzer erhalten eine Einschätzung zur Qualität und können den Berechnungsaufwand auf die Gebiete konzentrieren, bei denen dieser Aufwand wirklich notwendig ist. Dadurch sparen sie wertvolle Berechnungszeit.
Das längerfristige Ziel der Forscher ist es, für Chirurgen eine Lösung zu entwickeln, die während den Operationen eingesetzt werden kann und das Simulationsmodell in Echtzeit laufend mit Patientendaten aktualisiert.
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