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Ist das Produkt auch für ältere Patienten von Nutzen?

Gesundheit im Alter: Forschungsschwerpunkt Dyn Age benennt neue Bedarfe
Ist das Produkt auch für ältere Patienten von Nutzen?

Ist das Produkt auch für ältere Patienten von Nutzen?
Prof. Dr. med. Ulrich Keilholz ist Kommissarischer Direktor des Charité Comprehensive Cancer Center und einer der Sprecher des Projekts Dyn Age
Im Forschungsschwerpunkt Dyn Age analysieren Berliner Forscher, wie gut und schnell die heutige Medizin auch älteren Patienten hilft. Wo sich Lücken zeigen, sollte laut Prof. Ulrich Keilholz bald auch die Medtech-Industrie ins Boot geholt werden.

Herr Professor Keilholz, warum ist es aus medizinischer Sicht sinnvoll, auf neuen Wegen etwas für die Gesundheit im Alter zu tun?

Bisher sind viele Therapien und entsprechend auch viele Arzneimittel und Medizinprodukte vor allem darauf ausgelegt, Patienten mittleren Alters zu behandeln. Aber was für diese gilt, lässt sich nicht unbedingt direkt auf ältere Menschen übertragen. Betrachten wir das Beispiel eines Knochenbruchs: Mit Mitte 40 ist der Heilungsprozess ein anderer, und auch das Ausmaß an Hilfsbedürftigkeit unterscheidet sich immens von der Situation bei einem 80jährigen. Bisher können wir diese Unterschiede noch nicht genau genug beschreiben, um konkrete Schlussfolgerungen daraus zu ziehen und den Nutzen von Produkten für Patienten unterschiedlichen Alters zu bewerten. Aber genau daran arbeiten wir im Projekt Dyn Age in Berlin – mit einem interdisziplinären Ansatz, der auch die Soziologie und die Psychologie mit einbezieht.
Welche Arten von Erkrankungen stehen hierbei im Vordergrund?
Wir haben vier komplexe und auch häufige Themen modellhaft ausgewählt: Krebserkrankungen, Demenz, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Beeinträchtigungen des Bewegungsapparats. Noch stehen wir am Anfang unserer Untersuchungen, denn der Forschungsschwerpunkt Dyn Age ist erst Anfang 2014 gestartet. Was wir aber anhand dieser Beispiele in den nächsten Jahren lernen – welche Fragen wir stellen müssen und wie wir methodisch zu Verbesserungen kommen –, wird sich auch für die Analyse weiterer Krankheitsbilder wie Diabetes, Mangelernährung oder Störungen des Verdauungstraktes nutzen lassen.
Ist dafür noch Grundlagenforschung erforderlich?
Zum Teil liegen die Daten schon vor und müssen nur neu gruppiert werden, um zu erkennen, welchen Effekt das Alter auf den Verlauf einer Erkrankung hat. Daraus kann man dann ableiten, welche Behandlung funktioniert und welche nicht oder wo sich eventuell neue Bedarfe ergeben.
Welche Rolle spielt die Medizintechnik- Industrie in diesem Ansatz?
Im ersten Schritt ist sie noch nicht im Projekt vertreten, da wir zunächst die Situation und die verfügbaren Produkte analysieren und zu einem Gesamtbild kommen wollen. Sobald wir diese Stufe erreicht haben, wird eine Beteiligung der Medizinproduktehersteller aber sehr sinnvoll sein. Der erste Bereich, in dem das soweit sein wird, betrifft wahrscheinlich den Bewegungsapparat – hier rechnen wir mit Ergebnissen schon im kommenden Jahr. In rund zwei Jahren wird es voraussichtlich konkrete Einschätzungen zum Thema Onkologie geben. Die längste Analysephase erwarten wir für den ausgesprochen komplexen Themenbereich der Demenzerkrankungen.
Welche Unternehmen aus der Industrie können sich als Partner einbringen?
Alle, die nach Vorliegen der Analysen zu Verbesserungen an den Produkten und Therapien beitragen wollen. Wir werden entsprechende Berichte veröffentlichen und auch im Internet auf die Möglichkeiten hinweisen. Darüber hinaus sind Veranstaltungen wie der Life Science Day im Oktober in Berlin eine gute Gelegenheit, sich über den Fortgang der Untersuchungen zu informieren und Ansatzpunkte für eine Beteiligung auszumachen.
Welche Veränderungen könnte die Betrachtung der Gesundheitsfragen im Alter für den Bereich Medizinprodukte mit sich bringen?
Belastbare Aussagen können wir dazu erst machen, wenn unsere Untersuchungen weiter vorangeschritten sind. Aber ich denke nicht, dass wir überall vollständig neue Produkte brauchen werden. Wahrscheinlicher ist, dass viele Produkte einer Überarbeitung bedürfen. Ein Beispiel dafür wäre ein steuerbarer elektrischer Rollstuhl, der sehr gut geeignet sein mag, die Mobilität eines Patienten mittleren Alters zu verbessern. Für einen 80jährigen muss so ein Gerät aber vor allem einfach zu bedienen sein. Und vielleicht wäre es hilfreich, es so auszustatten, dass der Rollstuhl eine Positionsbestimmung gleich mit ermöglicht. Vergleichbare Beispiele wird es wohl viele geben.
Welche technischen Hilfsmittel sind für die Zukunft interessant?
Wir werden unter anderem betrachten, in welchen Altersgruppen eine Diagnostik sinnvoll erscheint und wie Screening-Programme organisiert werden müssen. Die Telemedizin wird hier von Nutzen sein, wenn wir zum Beispiel an die Überwachung von Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen denken. Für die Tumortherapie ist die Individualisierung ein zentrales Thema: Wir sollten nicht nur einen Lungenkrebs behandeln können, sondern wissen, welches Mutationsmuster in diesem Patienten eine Rolle spielt – auch in Abhängigkeit von seinem Alter. Um das zu ermitteln, ist viel Diagnostikwissen, Software und die Verarbeitung großer Datenmengen gefragt, wie man sie unter dem Stichwort Big Data zusammenfasst.
Welches wird aus Ihrer Sicht das übergeordnete Thema für Medizinprodukte sein?
Solange wir forschen, gilt: je umfassender wir mit einer Technik arbeiten können, desto besser. Aber für Patienten im hohen Alter muss man komplexe Produkte oft einfach als Fehlentwicklung bezeichnen. Meines Erachtens wird die Bedienerfreundlichkeit das zentrale Thema für das Überarbeiten bestehender Produkte sein.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen Über den Forschungsschwerpunkt Dyn Age: www.fu-berlin.de/en/sites/dynage Über den Stand des Forschungsschwerpunktes informiert der Life Science Day am 16. Oktober in Berlin. Er findet im Rahmen der Health Week statt. www.lifescienceday.de/

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