Weltweit stecken Pharma- und Biotechunternehmen, Universitätsinstitute, Forschungseinrichtungen und Kliniken enorme Ressourcen in die Forschung und Entwicklung rund um Medikamente und Impfstoffe zur Bekämpfung der Pandemie. Für Entscheidungsträger aus Politik und Gesundheitswesen wird es da zunehmend schwierig, den Überblick zu bewahren – obwohl kostenintensive Entscheidungen spätestens dann notwendig werden, wenn die ersten Prophylaxen oder Therapien verfügbar werden. Daher baten das österreichische Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) und weitere Akteure des Gesundheitswesens das AIHTA um die Erstellung einer Übersicht der weltweiten Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Bereich Covid-19, die bei zukünftigen Entscheidungen evidenzbasierte Unterstützung leisten kann.
Inhaltsverzeichnis
1. Unterstützung bei akuten Entscheidungen
2. Taskforce für evidenzbasierte Zulassungsstudien
3. Impfstoffe noch im Entwicklungsstadium
4. Kurzinformationen zu Medikamenten und Impfstoffen
5. Entscheidungshilfe für Gesundheitssysteme
Unterstützung bei akuten Entscheidungen
Die Bitte erreichte das Wiener Institut genau zu dem Zeitpunkt, als dieses eine neue Produktlinie vorstellte, die sogenannten „Policy Briefs“, die einer schnellen und evidenzbasierten Politikberatung dienen und für akute Entscheidungen im Gesundheitswesen solide Grundlagen bieten soll. „Für die Übersicht zu Covid-19-F&E-Aktivitäten haben wir dann ein Horizon Scanning System (HSS) eingerichtet“, erläutert Dr. phil. Claudia Wild, Leiterin des AIHTA. „Ziel eines solchen HSS ist es, frühzeitige Information zu Interventionsmöglichkeiten bereitzustellen, die sich derzeit im F&E-Stadium befinden. In den nächsten Monaten werden deren Entwicklungen dann weiter beobachtet, Daten dazu aufbereitet und ein Einkauf durch das Gesundheitswesen evidenzbasiert unterstützt.“
Taskforce für evidenzbasierte Zulassungsstudien
Insgesamt konnte das Team um Dr. Wild anhand internationaler Quellen 155 Medikamente identifizieren, die derzeit auf ihre Wirkung gegen Sars-CoV-2/Covid-19 getestet werden. Diese basieren alle auf einem oder mehreren der folgenden, bekannten, antiviralen Wirkstoff(en):
- Remdesivir
- Lopinavir + Ritonavir (Kaletra)
- Favipirvir (Avigan)
- Darunavir (Prezista)
- Chloroquine Phosphate (Resochin)
- Hydroxychloroquine (Plaquenil)
- Camostat Mesilate (Foipan)
- APN01 (rhACE2)
- Tocilizumab (Roactemra)
- Sarilumab (Kevzara) und
- Interferon beta 1a (SNG001).
Zu diesen Wirkstoffen erläutert Dr. Wild: „Da es sich beim Großteil dieser Wirkstoffe um Medikamente handelt, die bereits für andere Indikationen zugelassen sind, betonen internationale Regulatoren die Notwendigkeit robuster Evidenz für Zulassungsstudien.“ Um diesem Anspruch Ausdruck zu verleihen, gründete die European Medicines Agency (EMA) am 9. April auch eine eigene Covid-19 Task Force.
Impfstoffe noch im Entwicklungsstadium
Die 79 Impfstoffkandidaten, die das AIHTA im Rahmen des HSS identifizieren konnte, teilen sich dabei auf drei Impfstoffarten auf: Lebendimpfstoffe (mit abgeschwächten Virusstämmen), Totimpfstoffe (mit Virusproteinen) oder genbasierte Impfstoffe (mit spezieller DNA oder mRNA). Die meisten dieser Projekte sind derzeit noch im Entwicklungsstadium und haben noch keine Zulassung.
Kurzinformationen zu Medikamenten und Impfstoffen
Für die in der Entwicklung besonders fortgeschrittenen Medikamente und Impfstoffe oder solche, die in der Fachliteratur als besonders vielversprechend gelten, hat das AIHTA sogenannte Vignetten erstellt. Dabei handelt es sich um prägnante Kurzbeschreibungen, die zusätzliche Informationen bereitstellen. Insgesamt erstellte das AIHTA elf Vignetten zu Medikamenten und acht zu Impfstoffkandidaten.
Entscheidungshilfe für Gesundheitssysteme
Der Bericht des AIHTA soll als Entscheidungshilfe dienen, wenn die Gesundheitssysteme aus mehreren Medikamenten oder Impfstoffen gegen COVID-19 die geeignetsten auszuwählen haben. Den Gesellschaftern des Instituts, dem BMSGPK, den Gesundheitsfonds der neun Bundesländer und dem Dachverband der Sozialversicherungsträger, kann das AIHTA mit der neuen Produktlinie „Policy Briefs“ somit in einer Gesundheitskrise bisher unbekannten Ausmaßes eine adäquate, evidenzbasierte Entscheidungshilfe anbieten.
Die Dokumentation ist auf dem AIHTA Dokumentenserver öffentlich verfügbar
Austrian Institute for Health Technology Assessment
1090 Wien
Website: www.aihta.at