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Die besten Tipps für die Markterschließung in Polen

Markterschließung in Polen
„Es lohnt sich, die Kunden jetzt an sich zu binden“

„Es lohnt sich, die Kunden jetzt an sich zu binden“
Dr. Markus Reichel koordiniert als Geschäftsführer die Aktivitäten der Dreberis GmbH sowie der Tochtergesellschaften in Polen und der Ukraine. Agata Reichel-Tomczak ist Gesellschafterin von Dreberis, verantwortet den Bereich Business Development und ist Geschäftsführerin der Schweizer Tochtergesellschaft. (Bild: Dreberis)
Markterschließung | Eine gründliche Konkurrenzanalyse und lokale Vertriebsstrukturen sind das A und O für den Vertriebserfolg in Polen, sagen Dr. Markus Reichel und Agata Reichel-Tomczak vom Dresdener Strategieberatungsunternehmen Dreberis. Interkulturelle Aspekte würden noch immer unterschätzt.

Bettina Gonser
Freie Journalistin in Stuttgart

Frau Reichel-Tomczak, Herr Dr. Reichel, „Life Sciences Polen 2018“ nennt sich ein aktuelles Markterschließungsprojekt der sächsischen Landesregierung, das Dreberis realisiert. Was macht den Markteinstieg in Polen für Hersteller von Medizinprodukten gerade jetzt interessant?

Reichel: Die Situation auf dem mit knapp 38 Millionen Einwohnern sechstgrößten Markt in der EU ist sehr spannend geworden. Erstens wächst der Standard der medizinischen Versorgung, was auch ein Ergebnis der Anpassungen an die europäischen Richtlinien ist. Zweitens, die heute noch relativ junge Gesellschaft wird immer älter und die Bevölkerungszahl ist rückläufig. Dafür steigt die Kaufkraft, und die jährlichen Umsätze mit Medizintechnik werden auf zirka 2,5 Milliarden Euro geschätzt. Da das Gesundheitssystem den Patienten immer noch keinen effizienten Zugang zu Spezialisten ermöglicht, ist es fast zu einer Selbstverständlichkeit geworden, selbst Geld in die Hand zu nehmen und in private Arzttermine, Behandlungen oder Geräte und Arzneimittel zu investieren.

Reichel-Tomczak: Dabei sind deutsche Produkte und Dienstleistungen besonders hoch angesehen, was es den Anbietern ermöglicht, auch mit „deutschen“ Preisen auf dem polnischen Markt erfolgreich zu sein. Eine Ausnahme sind öffentliche Ausschreibungen, bei denen immer noch meist der Preis und nicht die Qualität entscheidet.

Was müssen Medizintechnikunternehmen berücksichtigen, wenn sie ihre Produkte in Polen verkaufen wollen?

Reichel: Eine gründliche Konkurrenzanalyse und lokale Vertriebsstrukturen sind hier das A und O. Sie werden entscheidende Informationen über die Preise, aber auch die Bedürfnisse des Marktes liefern. Auch wenn Pauschalaussagen gefährlich sind: Für einfache Einwegprodukte ist es in Polen zu spät, vieles wird zum Beispiel aus China importiert. Für moderne automatisierte Medikationssysteme kann es aber in vielen Kliniken noch zu früh sein.

Was sind typische Fehler beim Markteintritt, und wie vermeidet man sie?

Reichel-Tomczak: Unterschätzt werden immer noch interkulturelle Aspekte. Deutsche Produkte kommen zwar sehr gut an, jedoch scheitert der Markteintritt häufig bereits an der Kontaktaufnahme zu den Vertriebspartnern vor Ort oder beim Rekrutieren des Personals. Der Beziehungsaufbau zu den Partnern und Mitarbeitern ist in Polen kein „nice to have“, sondern eine echte Grundlage für den erfolgreichen Markteintritt, gerade für Mittelständler.

Gibt es besondere Anforderungen beim Import aus EU-Ländern?

Reichel: Die Mitgliedschaft in der EU, die vieles in Bezug auf Arzneimittel- oder Medizintechnikzulassung reguliert, ist natürlich ein großer Vorteil des Marktes. Produkte, die zur Verwendung auf dem Gebiet von Polen bestimmt sind, müssen über Kennzeichnungen und Bedienungsanweisungen in Polnisch verfügen beziehungsweise mit harmonisierten Symbolen oder erkennbaren Codes versehen werden.

Reichel-Tomczak: Was man noch wissen muss: Die Agentur für Bewertung von medizinischer Technologie bremst die Einführung neuer medizinischer Technologien, die nach ihrer Einschätzung ein schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis haben. Anderseits jedoch reicht die positive Bewertung der Agentur allein nicht aus. Dieses Thema sollte also jeweils produktspezifisch vor dem Markteintritt geklärt werden.

Was ist wichtig, um bei öffentlichen Ausschreibungen zum Zuge zu kommen?

Reichel-Tomczak: Unterlagen in polnischer Sprache sowie ein konkurrenzfähiger Preis sind notwendig, zusätzlich schadet eine lokale Präsenz nicht.

Wie vorteilhaft ist eine eigene Niederlassung vor Ort?

Reichel: Auch bereits für Vertriebszwecke ist eine Niederlassung vorteilhaft, weil sich so die Beziehung zu den Verkäufern besser aufbauen und pflegen lässt. Hier sind wir also wieder beim Thema der interkulturellen Aspekte und der lokalen Marktexpertise angekommen. Wir selbst als Dreberis haben seit fast 20 Jahren eine Tochtergesellschaft in Breslau und können dadurch den Markt viel besser einschätzen und ausländische Firmen aus dem Bereich Life Sciences beim Markteintritt betreuen.

Polen gilt nach wie vor als interessanter Produktionsstandort. Welche Anreize gibt es – neben den vergleichsweise niedrigen Lohnkosten?

Reichel-Tomczak: Wenn man weiterhin in Europa produzieren möchte, ist Polen wirklich ein sehr attraktiver und bei Deutschen beliebter Standort. Zahlreiche Sonderwirtschaftszonen bieten immer noch spürbare Steuervergünstigungen, es gibt EU-Mittel für Innovationen und Personalentwicklung, junges fleißiges Personal vor Ort und natürlich sehr gute Lebensqualität für Manager und Produktionsmitarbeiter. Aber natürlich hat sich auch Polen in den vergangenen Jahren entwickelt, die Gehälter sind angestiegen, und die Arbeitslosigkeit ist stark gesunken. Daran muss man sich als Arbeitgeber anpassen.

Wie wird sich der Markt für Medizinprodukte weiterentwickeln?

Reichel: In Polen ist bis 2060 mit einem Bevölkerungsrückgang von etwa fünf Millionen zu rechnen. Gleichzeitig altert die Bevölkerung, was dazu führen kann, dass der Anteil der über 65-jährigen im Jahr 2060 33 Prozent erreicht. Das wird eine Kundenstruktur ergeben, die der heutigen in Deutschland oder in der Schweiz ähnelt. Das ist aber eine sehr langfristige Perspektive.

Reichel-Tomczak: Kurzfristig werden die Themen Modernisierung und Sanierung, Digitalisierung und E-Health sowie lokale Innovationen und Herstellung eine noch größere Rolle spielen. Es lohnt sich also, die Kunden bereits jetzt an sich zu binden und eigene Produkte und Dienstleistungen in Polen zu positionieren.


Weitere Informationen

Dr. Markus Reichel und Agata Reichel-Tomczak sind ein deutsch-polnisches Ehepaar, das mit seinem internationalen Strategieberatungsunternehmen Dreberis bereits mehr als 1200 Firmen beim Markteintritt auf allen Kontinenten unterstützt hat. Mit Teams in Deutschland, Polen, der Schweiz und der Ukraine spezialisieren sie sich auf innovative Branchen, vor allem Life Sciences, IT und Automatisierung. Der Hauptsitz ist in Dresden.

www.dreberis.com

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