Seit Jahren wächst der deutsche Medizintechniksektor deutlich stärker als die Gesamtwirtschaft: Seit 2016 verliert der Aufwärtstrend jedoch an Schwung. Ein erstmals berechneter Branchenindex der SHS Gesellschaft für Beteiligungsmanagement misst einen Wert von knapp 112 % für 2016, der 2017 auf 110,5 % zurückging und 2018 auf 109,7 % fiel. Die Wachstumsdynamik ausgebremst haben könnten demnach schärfere regulatorische Vorgaben, die 2017 mit der neuen Medical Device Regulation in Kraft traten.
Der Medizintechnik-Index misst das Innovations- und Wachstumspotenzial über die vier Indikatoren Umsatz, Erwerbstätigenzahlen, Patentzulassungen und Aktienkursentwicklungen. Er bildet die Entwicklung der Branche seit 2010 ab und soll künftig jährlich aktualisiert werden. Konzipiert und errechnet wurde der Index in Kooperation mit Christian Koziol, Professor und Lehrstuhlinhaber für Finance an der Universität Tübingen.
2016 wurde ein Outperformance-Höhepunkt erreicht. Steigende Komplexität und ein immer dichter werdendes regulatorisches Regelwerk scheinen die Dynamik seitdem zu hemmen. Die neue Medizinprodukteverordnung stellt deutlich höhere Anforderungen an die Zulassungs- und Prüfverfahren. Den zusätzlichen Aufwand für Innovationsprojekte und die Neuzertifizierung von Bestandsprodukten stemmen viele KMU nur noch mit Mühe.
„Wir sehen aber auch den Trend, dass kleine und mittelgroße Unternehmen verstärkt nach Akquisitionsmöglichkeiten Ausschau halten“, sagt Hubertus Leonhardt, Geschäftsführender Partner bei SHS. Sie versuchten so, eine kritische Größe zu erreichen. Durch Zusammenschlüsse und Zukäufe könnten sie zudem Marktanteile gewinnen und ihr Produktportfolio erweitern.
Die Anzahl der Patentzulassungen der deutschen Medizintechnik hat sich von 2010 auf 2016 mehr als verdoppelt, die Anzahl an Patentzulassungen insgesamt nahm dagegen nur um rund 50 % zu. Ab 2016 verkehrte sich die Lage. „Während die USA auf innovationsfreundliche Rahmenbedingungen zu setzen scheinen, droht Europa durch die zunehmende Regelungsdichte seinen Vorsprung einzubüßen“, betont Leonhardt.