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Chancen für etablierte Unternehmen

Studie Sharing Economy: Nicht nur Autos teilen, sondern auch Maschinen oder Dienstleistungen
Chancen für etablierte Unternehmen

Chancen für etablierte Unternehmen
Ungewohnt bunt, umgeben von einem Hauch von Anarchie: Dieser Eindruck prägt an mancher Stelle das Image der Sharing Economy. Dennoch macht diese offenbar ihren Weg in die heutige Wirtschaft Bild: Fotolia/gustavofrazao
Das Teilen von Gütern oder Dienstleistungen hat sich in manchen Bereichen stark verbreitet. Noch scheint die klassische Industrie diesem Trend abwartend gegenüberzustehen. Die Bedeutung der Sharing Economy wird aber künftig steigen.

Die Sharing Economy boomt. Immer mehr Konsumenten entdecken den Trend zum „Nutzen statt Besitzen“. Die nächste Übernachtungsmöglichkeit, das nächste Auto sind nur ein paar Klicks auf dem Smartphone entfernt. Digitale Plattformen bringen private Anbieter und Nachfrager global zusammen, entwickeln sich teils zu Milliarden-Dollar-Unternehmen und verändern die Regeln in etablierten regionalen Märkten. Welche Bedeutung hat dies für die klassische produktions- und verkaufsorientierte Wirtschaft?

Im Jahr 2015 hat das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, Stuttgart, eine branchenübergreifende Studie veröffentlicht, die den Umgang etablierter Unternehmen mit der „Sharing Economy“ zeigt. Doch schon bei der Frage „Was ist eigentlich Sharing Economy?“ gibt es eine große Bandbreite an Einschätzungen – und diese reicht vom „Couchsurfing-Phänomen“ bis hin zur „zukünftigen gemeinschaftlichen Nutzung industrieller Produktionsressourcen im Zuge des digitalen Industrie-4.0-Trends“.
Trotz dieser unterschiedlichen Einschätzungen sehen fast die Hälfte der Studienteilnehmer das Phänomen an sich als unausweichliche wirtschaftliche Weiterentwicklung. Rund zwei Drittel sind überzeugt, dass die Sharing Economy zukünftig großen Einfluss auf die Wirtschaft haben wird. Sie erwarten einen erhöhten Wettbewerbsdruck, spätestens, wenn unerwartet ein „rule breaker“ oder „nightmare competitor“ aufträte, wie dies im Fall von Air BnB oder Uber aus Sicht der betroffenen Branchen Hotel und Taxi bereits geschehen ist. Etwa drei Viertel der Unternehmen erwarten auch einen deutlichen Trend hin zu nutzungsorientierten Abrechnungsmodellen („Nutzen statt Besitzen“) bei Privat- und Geschäftskunden. Digitalisierung von Geschäftsmodellen und Individualisierung von Produkten und Leistungen katalysieren die Entwicklung.
Für einen Einstieg in die Sharing Economy bietet der Business-to-Consumer-Bereich (B2C) auch etablierten Unternehmen Möglichkeiten – nicht zuletzt deshalb, weil die Sharing Economy in eben solchen Märkten entstanden und gewachsen ist. So nutzt beispielsweise das Schweizer Telekommunikationsunternehmen Swisscom eine Facette der Sharing Economy, in dem sie im Kundenservice Peer-to-Peer-Marktplätze aufgebaut hat, als ergänzendes Element zur eigenen Wertschöpfungskette. Hier treten unternehmensexterne Experten, zum Beispiel bestehende Kunden, quasi als Servicetechniker für andere Kunden auf und helfen bei der Lösung technischer Probleme. Die deutsche Telekom wiederum integriert private „geteilte“ WLAN-Router, um eine eigene flächendeckende Infrastruktur, ein Hotspot-Netz, für ihre Leistungserbringung aufzubauen.
Im Business-to-Business-Bereich (B2B) hat die Sharing Economy noch nicht wirklich Fuß gefasst. Doch selbst hier gibt es Beispiele für Ansätze, die nach dem Prinzip „Nutzen statt Besitzen“ funktionieren. So werden entweder eigene, ungenutzte Ressourcen wie brachliegende Produktionskapazitäten verfügbar gemacht – oder Unternehmen stellen als Dienstleister Ressourcen bereit, die Nachfrager nicht ständig nutzen und daher nicht unbedingt erwerben möchten. Die Fragestellung für etablierte Industrien muss also zukünftig nicht lauten: „Wie verkaufe ich etwas?“, sondern: „Wie stelle ich dem Kunden etwas zur Verfügung?“
Das funktioniert sogar im Gesundheitsbereich. Ein in Medien häufig zitiertes Beispiel zum „Sharing“ medizintechnischer Ressourcen im Sinne eines B2B-Modells ist das, was Krankenhäuser mit Hilfe des in Boston ansässigen Unternehmens Cohealo tun. Dessen Software kombiniert Analyse und Logistik und ermöglicht es Krankenhäusern auf diese Weise, kostenintensive medizintechnische Geräte in Echtzeit zu tracken und zu managen. Dadurch und durch die Zusammenarbeit von Cohealo mit Logistikpartnern können Krankenhäuser investitionsintensive Ausstattungen untereinander bedarfsgesteuert teilen, also gemeinschaftlich nutzen und somit Investitionskosten reduzieren.
Einen anderen B2B-Sharing-Ansatz verfolgt das Thera-Log-Netzwerk der SAZ Rücken College AG. Das Unternehmen aus dem bayrischen Stubenberg ist ein Dienstleister für individualisierte Trainingsprogramme. Sein Netzwerk umfasst therapeutische Fachzentren an mehreren Orten, in denen sich Ärzte und Therapeuten Ausstattung, Geräte und Räumlichkeiten kostendämpfend teilen. So bieten sie den Patienten zusätzliche Gesundheitsdienstleistungen ohne hohe individuelle Investitionen an. Der Ansatz geht über das „Equipment-Sharing“ hinaus, da Thera-Log die Partner auch beim Aufbau oder durch zentralisierte Abrechnungsdienstleistungen unterstützt.
Das Teilen ist aber nicht nur bei Dienstleistungen oder Hardware interessant. Auch der Umgang mit geteilten Daten bietet Möglichkeiten: Indem sie individuelle Nutzungsdaten von Konsumenten über IT-Plattformen bereitstellen und austauschen, erschließen sich auch etablierte Unternehmen den „Treibstoff Daten“ für die Produktentwicklung und -vermarktung.
Die Rede ist hier vom Trend Health Tracking, Selftracking oder Digital Health Data. Diesen Trend haben nicht nur die Sportartikelhersteller, sondern auch Start-ups längst aufgegriffen. Obgleich derartige Trends kontrovers diskutiert werden, sieht die überwiegende Mehrheit der befragten Unternehmen die zukünftige Marktmacht in einer digitalisierten Wirtschaft und Sharing Economy bei denen, die Kundendaten und -informationen besitzen.
Auch die Medizintechnik ist den gängigen ökonomischen Spielregeln unterworfen. Daher trifft sicherlich auch auf diese Branche zu, was weit über 60 % der Studienteilnehmer als Nutzen für etablierte Unternehmen ansehen, wenn diese als Anbieter in einer Sharing Economy aktiv werden.
Die im Rahmen der Studie genannten Vorteile sind
  • der Aufbau von Wachstumspotenzialen in neuen Geschäftsfeldern als „Kompensation“ für gesättigte Märkte und
  • die Wettbewerbsdifferenzierung gegenüber bestehenden Wettbewerbern.
Durchschnittlich 72 % der Befragten sehen für sich einen Vorteil darin, die Sharing Economy zu nutzen, weil
  • sie Kostenoptimierungen der Wertschöpfungskette erwarten,
  • sich Geschäftsprozesse durch Sharing- Angebote (On-demand) flexibler gestalten lassen und
  • sich durch den Zugriff auf externe Sharing-Ressourcen die Investitionskosten reduzieren.
Die Sharing Economy in Summe steckt – insbesondere im B2B-Bereich – in Deutschland branchenübergreifend noch in den Kinderschuhen, vor allem dann, wenn man den US-amerikanischen Markt als Referenz nimmt. Aber nicht nur Protagonisten der existierenden Sharing Economy versprechen sich von diesem Wirtschaftsprinzip weiterhin großes Potenzial. Auch in etablierten Branchen beginnt diese Einschätzung im Zuge von Industrie 4.0 und des Internets der Dinge Fuß zu fassen. Es wird interessant sein zu beobachten, wie der Medizintechniksektor darauf zukünftig reagiert.
Helge Spindler, Simone Martinetz Fraunhofer IAO, Stuttgart
Weitere Informationen Die Studie des Fraunhofer IAO ist im Internet kostenlos verfügbar: http://bit.ly/23UErlm

Tipps für die Sharing Economy

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Die Experten, die in der IAO-Studie befragt wurden, haben auch Hinweise für etablierte Unternehmen gegeben. Um sich gegen Wettbewerb aus der aktuellen Sharing Economy zu wappnen oder sogar mit eigenen Sharing-Angeboten proaktiv aufzutreten, sollten diese:
  • die eigenen Geschäftsmodelle mittels Sharing-Konzepten als „rule breaker“ innovieren, bevor es andere schmerzhaft tun,
  • sich dem Aufbau digitaler Geschäftsmodelle für „sharinggerechte“ Produkte und Dienstleistungen widmen – in Kooperationen oder individuell,
  • beim Einstieg in eine Sharing Economy nicht alles auf eine Karte setzen, sondern verschiedene Geschäftsmodelle in kleinerem Maßstab ausprobieren und im Erfolgsfall auf andere Geschäftsbereiche übertragen (nach dem Prinzip der „Schnellboot-Strategie“), sowie
  • eigene Softwareentwicklungskompetenzen aufbauen, um den Wettbewerbsvorteil „Sharing-IT-Plattform“ in der Hand zu behalten.

  • Ihr Stichwort
    • Dienstleistungen teilen
    • Auf externe Ressourcen zugreifen
    • Medizingeräte in verschiedenen Kliniken nutzen
    • Eigene Konzepte für Sharing Economy entwickeln
    • Unsere Webinar-Empfehlung
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