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Regulierung behindert Start-ups in der Medizintechnik

Start-ups in der Medizintechnik
Regulierung behindert Start-ups

Regulierung behindert Start-ups
Die Zusammenarbeit mit Start-ups forciert B. Braun seit November 2017 mit seinem sogenannten Accelerator-Programm Bild: B. Braun
Start-ups | Mehr als 2800 neue Jobs haben deutsche Healthcare-Start-ups 2016 und 2017 auf Joblift ausgeschrieben. Und 2017 gab es im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg der Stellenanzeigen um 19 %. Dennoch rief die Jobplattform Anfang dieses Jahres Alarm aus: Die Regulierung bremse Innovation in der Gesundheitsbranche.

Sabine Koll
Journalistin in Böblingen

Deutsche Healthcare-Start-ups sind im vergangenen Jahr laut Joblift um 6 % schwächer gewachsen als der restliche Gesundheitssektor, der im gleichen Zeitraum um 25 % zulegte und 660 000 Stellen ausschrieb. In anderen Branchen hingegen, so ergab die Auswertung, sind junge Unternehmen um ein vielfaches stärker gewachsen als der Gesamtmarkt. Viel deutet für Joblift darauf hin, dass diese Besonderheit von der starken Regulierung des Gesundheitswesens in Deutschland verursacht wird. Ein Blick auf europäische Nachbarn unterstütze diese These: In Frankreich entstanden 2017 ein Viertel mehr Stellen in Healthcare Start-ups als hierzulande, in Großbritannien mehr als doppelt so viele.

„Start-ups stehen vor der Herausforderung, ihr Business auf Basis geltender Regeln im Markt zu etablieren. Die Schwierigkeiten bestehen darin, diese Gesetze und Vorschriften zu kennen und die Wirkung auf das eigene Geschäftsmodell einzuschätzen“, sagt Ekaterina Alipiev, Leiterin des Pfizer Healthcare Hub Berlin und Gründerin des E-Health Start-up Jourvie, das eine App zur Unterstützung der Therapie von Essstörungen entwickelt hat. Sie rät Gründern deshalb, sich frühzeitig zu informieren, welche Regulierungen sie selbst betreffen.

Start-ups brauchen einen langen Atem und eine gute Finanzierung

Als erste Hürde, an der Start-ups im medizinischen Umfeld scheitern, macht Prof. Christian Johner, Inhaber des Johner Institut, eine unzureichende Finanzierung aus: Vielen Gründern sei nicht bewusst, dass sie einen besonders langen Atem benötigen. Bis ihr Produkt die regulatorischen Hürden überwunden und eine Kostenerstattung erreiche, vergehen Jahre. Nur wenige Start-ups finanzieren sich laut Johner durch Venturecapital beziehungsweise durch Business Angel. Sein Tipp: „Start-ups sollten nicht nur klassische Investoren ansprechen, sondern gezielt auch Medizinproduktehersteller und potenzielle Kunden wie etwa Versicherungen, Krankenhausketten, Fachgesellschaften oder Pharmahersteller.“

Alipiev rät Gründern im Hinblick auf Regulierungen zunächst zu klären, ob es sich bei dem geplanten Produkt um ein Medizinprodukt handelt und damit eine CE-Zertifizierung notwendig ist. Auch Überzeugungsarbeit bei den Krankenkassen sei ein absolutes Muss, um eine Zulassung in den Gesundheitsmarkt zu erhalten. „Vor allem für junge Unternehmen, die nicht traditionell aus dem Gesundheitswesen stammen, sind die Anforderungen der Krankenkassen zur Erstattungsfähigkeit geradezu unüberschaubar“, weiß Alipiev.

Start-ups scheitern häufig am Datenschutzrecht

„Der Prozess, um eine Kostenerstattung zu erreichen, dauert meist Jahre“, sagt auch Johner. Er macht auch das Datenschutzrecht für das Scheitern von jungen Unternehmen aus: „Viele Healthcare Start-ups wissen keine genaue Antwort auf Fragen wie: Was muss eine Einverständniserklärung enthalten? Reicht diese aus? Darf ich Gesundheitsdaten in der Cloud speichern? Wann muss ich Daten auf Antrag der Patienten löschen? Wann darf man das nicht? Welche Technologien etwa zur Verschlüsselung müssen gewählt werden? Welche Normen und Gesetze gilt es zu beachten?“

Weitere Gründe für das Scheitern sieht Johner in mangelnder Organisation und Kompetenzen: Da viele Produktideen in einem universitären oder/und klinischen Umfeld entstehen, finden sich nach seiner Beobachtung unter den Gründern häufig Wissenschaftler wie Doktoranden, Post-Docs, Ärzte und Professoren. „Doch gute Wissenschaftler verfügen nicht immer über die nötigen Kompetenzen, um eine Firma zum Erfolg zu führen.“ Diese Kompetenzen müsse man sich an Bord holen und Prozesse etablieren. „Andernfalls sind Rollen und Prozesse unklar“, so Johner. Somit ist für ihn das Qualitätsmanagement nicht nur eine Frage der regulatorischen Anforderungen, sondern eine Voraussetzung für ein stabiles Unternehmenswachstum.

Vom Start an ein digitales Qualitätsmanagement

Einen anderen Weg beim Management von Compliance und Qualität beschreitet das Saarbrücker Start-up Akknatek, das Messmethoden im Bereich der Augenheilkunde entwickelt: Quasi vom Start an setzt es auf ein digitales Qualitätsmanagementsystem nach ISO 13485 – und versucht erst gar nicht, allen Normen, Vorschriften und Regularien mit papierbasierten Dokumenten und Prozessen Herr zu werden. Umgesetzt wird dies im Rahmen des Förderprogramms Ventures von DHC Business Solutions für Start-ups regulierten Branchen wie der Medizintechnik. Im Rahmen von Ventures erhalten junge Unternehmen die Software DHC Vision ohne Lizenzkosten und mit Sonderkonditionen für Systemeinführung und -validierung. Akknatek-Geschäftsführer Dr. Edgar Janunts: „Die Anforderungen in unserer Branche sind hoch. Digitalisierte Qualitätsmanagementsysteme werden früher oder später unumgänglich. Für uns als junges Unternehmen sind daher herkömmliche Verwaltungsformen heute schon absolut indiskutabel.“


Start-ups auf der Medica

Auf der Medica im November in Düsseldorf stehen Start-ups ebenfalls im Fokus: Im Rahmen des Connected Healthcare Forums und der App Competition in Halle 15 betreten mehr als 50 Start-ups die Bühne. Im Start-up Park und in den Gemeinschaftsständen insbesondere von Frankreich, Israel und Finnland finden sich ebenfalls spannende Start-ups. Viele bieten Lösungen für die Prävention und Therapie schwerwiegender Erkrankungen.

www.medica.de/mchf1

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