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Kunststofftechnik: Branche setzt auf digitale Anlagen und Prozesse

Digitale und automatisierte Fertigung
Smarte Anlagen und Prozesse steigern die Wertschöpfung in der Kunststoffverarbeitung

Die zunehmende Digitalisierung von Produkten, Lieferketten und Anlagen bestimmt die künftige Ausrichtung der Unternehmens- und Produktentwicklung – auch bei den Herstellern von kunststoffverarbeitenden Maschinen. Die Medizintechnik kann von der vernetzten und automatisierten Fertigung profitieren.

Susanne Schwab
susanne.schwab@konradin.de

Für die Digitalisierung in der Kunststoffverarbeitung wird der Ansatz verfolgt, Prozess- und Maschinendaten vollständig an sämtlichen Maschinen und Peripheriegeräten verfügbar zu machen. Diese Daten können dann für die Weiterentwicklung von Technologien und damit für eine ressourcen- und qualitätseffiziente Produktion verwertet werden. Dabei erstreckt sich die digitale Vernetzung immer weiter von Maschinen wie Spritzgieß- oder Extrudieranlagen über die Peripheriegeräte wie Mischer, Schneidmühlen, Dosier- und Temperiergeräte bis hin zu Robotik- und Handlingsystemen. Basis hierfür sind gemeinsame Schnittstellen, wie sie beispielsweise der OPC-UA-Standard ermöglicht.

Ein weiteres Anwendungsfeld ist die Digitalisierung der Kundenschnittstelle in der Entwicklung und in der Produktion: Oft gehört der Austausch von digitalen Daten mit Kunden, aber auch mit externen Konstrukteuren, bereits zum Alltag. Diese Vernetzung entlang der Wertschöpfungskette ist umso stärker, je enger die Kunden-Lieferanten-Beziehung ist.

Damit beschäftigt sich zum Beispie lder Loßburger Maschinenhersteller für die Kunststoffverarbeitung, Arburg GmbH + Co. KG, der großes Potenzial in der Digitalisierung sieht. In seinem neuen Programm Arburg-X-World hat das Unternehmen jetzt alle seine digitalen Produkte und Services sowie das gleichnamige Kundenportal zusammengefasst. Neben „smarter“ Maschinentechnik und innovativen Lösungen im Service-Bereich kommt dem zentralen Portal mit seinen zahlreichen Apps eine Schlüsselposition zu. Es soll dem Anwender die Arbeit über die ganze Wertschöpfungskette des Spritzgießens hinweg erleichtern.

Smart Production: Daten erfassen und rückverfolgen

Über die digitalen Lösungen des Kundenportals hinaus entwickelt Arburg auch die „Smartness“ seiner Maschinen kontinuierlich weiter: Um standardisiert mit dem Kundenportal oder dem Arburg Remote Service (ARS) vernetzt werden zu können, sind die neuen Allrounder-Maschinen mit einem IIoT-Gateway ausgestattet.

Um die Kunststoffteile noch effizienter fertigen zu können, unterstützt das Leitrechnersystem ALS die Spritzgießfertigung bei der Produktionsplanung, Datenerfassung und Rückverfolgung. Neben Spritzgießmaschinen anderer Hersteller lassen sich beispielsweise auch metallbearbeitende Maschinen und Peripheriegeräte anbinden. Im Zuge der Corona-Auswirkungen hat Arburg zudem die Möglichkeit der Remote-Maschinenabnahme geschaffen: Dabei geht der Vertriebsexperte mit Hilfe eines iPads gemeinsam mit dem Kunden Punkt für Punkt das Lastenheft durch und liefert ein ausführliches Protokoll mit Bilddokumentation, bevor seine Spritzgießmaschine vor Ort in Betrieb genommen wird.

Vernetzte Produktion passt sich den Bedingungen an

Besonders für die sensible Medizintechnik-Branche sind neben Sicherheit, reinraumgerechter Produktion und Präzision die lückenlose Dokumentation und Nachvollziehbarkeit des Herstellungsprozesses wichtig. Digitale Technologien ermöglichen dabei viele Chancen, erfordern jedoch auch neue Denkansätze. Die österreichische Engel Austria GmbH setzt mit dem Programm Inject 4.0 auf eine vernetzte und sich selbstoptimierende Spritzgießproduktion, denn bereits kleine Abweichungen in den Produktionsbedingungen können einen großen Einfluss auf das Endprodukt haben. Die Smart-Machine-Produkte aus Schwertberg erkennen diese Einflüsse in laufenden Prozessen und stellen automatisch die erforderlichen Produktionsparameter ein. Maschinen und Roboter regulieren sich damit selbst und passen sich den gegebenen Produktionsbedingungen automatisch an.

Die auf die jeweiligen Anwendungen exakt zugeschnittenen Produktionszellen, die neben der Spritzgießmaschine und Automatisierung zum Beispiel auch Lösungen für die Digitalisierung und Vernetzung umfassen, kommen auch in der Medizintechnik zur Anwendung: Für die Produktion von Pipettenspitzen hat Engel beispielsweise die Fertigungszelle einer vollelektrischen Spritzgießmaschine E-Mac mit den intelligenten Assistenzsystemen IQ Weight Control und IQ Flow Control ausgestattet. Während IQ Weight Control für jeden einzelnen Schuss das Schmelzevolumen nachjustiert und damit für eine konstant hohe Qualität der Spritzgießprodukte sorgt, regelt IQ Flow Control Temperaturdifferenzen im Kühlwasserverteilerkreis automatisch aus. Dafür nutzt die Software die von den elektronischen Temperierwasserverteilern ermittelten Messwerte. Das Ergebnis sind konstante Temperierverhältnisse und eine bessere Energieeffizienz, denn auch die Drehzahl der Pumpen in den E-Temp-Temperiergeräten wird automatisch bedarfsgerecht geregelt. Nach dem Einspritzen entnimmt ein Viper 20 Linearroboter die jeweils 64 Pipettenspitzen aus dem Werkzeug und gibt diese zur kavitätensortierten Ablage weiter. Die Automatisierungszelle lässt sich individuell auslegen.

Arbeitzelle kontrolliert alle Parameter im Reinraum

Auch der Maschinenhersteller Wittmann Battenfeld hat sein Automatisierungskonzept weiterentwickelt: „In der Medizintechnik war schon bisher die Vermeidung von Kontaminationen von entscheidender Bedeutung. Daher ist es wichtig, die menschliche Interaktion zu minimieren, da der Mensch typischerweise der größte Verursacher von Feinstaub ist“, erklärt Giorgio Pigozzo, Digital Product Manager der Wittmann Gruppe, Wien. Eine Lösung ist die Wittmann-4.0-Arbeitszelle mit zentraler Unilog B8 Anzeigesteuerung. Die Anzeige der Arbeitszelle kann zusätzlich auf einem dezentralen Bildschirm erfolgen, der sich nicht im Reinraum befindet. Auf diesem Bildschirm können beliebige Parameteränderungen vorgenommen werden. Jedoch nicht nur für die Spritzgießmaschine, sondern auch für alle an diese Maschine angeschlossenen Wittmann-4.0-Peripheriegeräte und -Roboter. „Wenn diese Arbeitszelle dann auch noch mit unserer MES-Lösung Temi+ verbunden ist, stehen dem Anwender auch Fernüberwachung und -analyse zur Verfügung“, so Pigozzo.

Zusammenspiel aller Produktionsmittel koordinieren

Wittmann 4.0 ist eine Kombination aus Hardware und Software, die die Interaktion zwischen den Peripheriegeräten und Robotern sowie den Maschinen von Wittmann Battenfeld automatisiert und optimiert. „Der zentrale 4.0-Router verhält sich dabei wie der Dirigent eines Orchesters, der die Produktionsmittel harmonisiert und zum perfekten Zusammenspiel führt“, erklärt der Digital-Experte. Der Router erkenne, welche Geräte an die Arbeitszelle angeschlossen sind oder angeschlossen sein sollten. Wenn für die Produktion eines bestimmten Spritzgießteils ein falsches Gerät herangezogen wird, gibt er eine Warnung aus. Die Anzeige aller Geräte kann zentral an der Unilog-B8-Anzeigeeinheit erfolgen.

Intelligente Materialien intelligent und digitalisiert verarbeiten: Krauss Maffei stellt dies unter anderem beim Mikro-Spritzgießen unter Reinraumbedingungen inklusive Nachbearbeitung unter Beweis. In einer Anwendung in der Schweiz produziert eine PX 25 Clean Form mit einer Schließkraft von 250 kN geschlitzte Mikro-Membranen aus Flüssigsilikon (LSR) für die medizinische Anwendung. Die Membranen mit einem Gewicht von je nur 0,0375 g entstehen mit einem Schussgewicht von 0,3 g (8-fach-Kavität). Die Zykluszeit beträgt 30 s. „Digitale Lösungen wie der Data Xplorer und Adaptive Process Control, kurz APC Plus, sorgen dabei für eine konstant hohe Prozess-transparenz und Bauteilqualität“, so Bruno Schleiss, Geschäftsführer der Krauss Maffei (Schweiz) AG, Rotkreuz.

Automation und Produktion unter Reinraumbedingungen

Die Krauss-Maffei-Automation wurde speziell für diese filigrane Anwendung optimiert. Das Schlitzen der flexiblen Mikro-Membran geschieht noch im Werkzeug mittels feiner Messer, die in den Greifer integriert sind. Die Entnahme und das Verbeuteln in der Anlage werden über ein Kamerasystem kontrolliert und durch einen IR-Roboter Kuka IR 6 R 900 Agilus unterstützt. Dank der Modulbauweise ist auch die kleinste PX 25, wie alle PX-Maschinen von Krauss Maffei, einfach mit einer Reinraum-Ausstattung aufzurüsten. Digitale Lösungen zur Prozessverbesserung sowie der Sammlung und Auswertung von Daten ergänzen das Angebot.

Die Maschinenfunktion APC plus sorgt bei dieser Mikrospitzgieß-Anwendung mit LSR für eine hohe Konstanz bei Schussgewicht und Bauteilqualität. Der Data Xplorer bietet einen weiteren Mehrwert: Er zeichnet bis zu 500 verschiedene Signale der Maschine innerhalb einer Millisekunde als kontinuierliche Kurvenverläufe auf und ermöglicht so einen Blick in die Tiefe von Prozess und Hardware. „Alle Produktionsvorgänge können bei entsprechender Kennzeichnung der Formteile noch Jahre später schussgenau zugeordnet werden“, so Schleiss. „Speziell für Kunden in der Medizintechnik oder auch bei sicherheitsrelevanten Bauteilen ist solch eine lückenlose Dokumentation zwingend gefordert.“


Weitere Informationen

Zum Hersteller Arburg: www.arburg.com

Zum Hersteller Engel:www.engelglobal.com

Zum Hersteller Wittmann: www.wittmann-group.com

Zum Hersteller Krauss Maffei: www.kraussmaffei.com


Kontakt zu den Herstellern:

Engel Austria GmbH
Ludwig-Engel-Straße 1
A-4311 Schwertberg
www.engelglobal.com

Arburg GmbH + Co. KG
Arthur-Hehl-Strasse
72290 Lossburg
www.arburg.com

Wittmann Battenfeld GmbH
Wiener Neustädter Straße 81
A-2542 Kottingbrunn
www.wittmann-group.com

Krauss Maffei Group GmbH
Krauss-Maffei-Straße 2
80997 München
www.kraussmaffei.com

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