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Digitalisierung: KMU-Erfahrungen in der Medizintechnik

Industrie 4.0
Digitalisierung bei Danmed: Was ein Mittelständler aus der Medizintechnik berichtet

Digitalisierung bei Danmed: Was ein Mittelständler aus der Medizintechnik berichtet
Mit Tablets für jeden Mitarbeiter die Produktionsdaten transparent machen und so effizienter arbeiten: Das war für Julian Dannoritzer (rechts im Bild) das Ziel der Digitalisierung bei Danmed
(Bild: Danmed)
Die digitale Vernetzung bietet auch für kleine Medizintechnik-Unternehmen Vorteile. Julian Dannoritzer hat mit einer schrittweisen Digitalisierung bei der Tuttlinger Danmed gute Ergebnisse erzielt. Seine Empfehlung: auf jeden Fall mit der Digitalisierung beginnen und Software-Dienstleister sorgfältig auswählen.

Dr. Birgit Oppermann
birgit.oppermann@konradin.de

Industrie 4.0 – das ist für Julian Dannoritzer nicht mehr als ein geflügeltes Wort, von dem keiner so recht weiß, was man sich darunter genau vorstellen soll. Von Digitalisierung in einem mittelständischen Medizintechnik-Unternehmen aber hält der Technische Leiter der Dannoritzer Medizintechnik GmbH & Co. KG in Tuttlingen viel: Dort haben die Mitarbeiter heute bereits Tablets zur Verfügung, auf denen sie selbst die Daten zur Produktion, beispielsweise zu ihrer eigenen Arbeit und zu vorgesehenen Prüfungen, sehen können. „Wir nutzen die Digitalisierung ganz selbstverständlich im Privatleben, wo sie uns viele Dinge erleichtert“, sagt Dannoritzer. „Da wären wir dumm, wenn wie uns das nicht auch im Betrieb zu Nutze machen würden.“

Regulierung bremst smarte Fabs aus

Hinter der heute bei Danmed praktizierten Digitalisierung steckte allerdings kein Masterplan. Sie hat sich über einen Zeitraum von über zehn Jahren Schritt für Schritt entwickelt. Das geht? „Ja“, sagt der Technische Leiter. Natürlich seien Schnittstellen zwischen den verwendeten Systemen immer wieder ein Thema gewesen – ein wichtiges noch dazu, worüber es noch mehr zu sagen gibt. Und ja, es wäre viel einfacher gewesen, hätte er vor zehn Jahren schon alle heutigen Anforderungen gekannt. Aber: „So einen umfassenden Plan kann man vielleicht in einem Konzern entwickeln. Für mittelständische Unternehmen ist das total unrealistisch.“

Inhaltsverzeichnis

1. Digitalisierung: Was beim Mittelständler funktioniert, ist für viele aus der Medizintechnik spannend
2. Digitalisierung schafft Überblick in der Produktion
3. Softwarevalidierung erforderte neuen Blick auf die Digitalisierung
4. Kommunikation mit den Dienstleistern ist sehr wichtig
5. Man muss sich mit dem Programmierer gut verstehen
6. Einblicke in die Digitalisierung ermöglichen
7. Video zu den Erfahrungen bei Danmed
8. Über das digitale System bei Danmed
9. Fördermittel für Digitalisierung

 

Digitalisierung: Was beim Mittelständler funktioniert, ist für viele aus der Medizintechnik spannend

Trotzdem nutzt Danmed heute ein Gesamtsystem, dass in der Kombination seiner Möglichkeiten so besonders ist, dass selbst Vertreter aus großen Medizintechnik-Unternehmen vorbeikommen, um sich die Lösung anzuschauen. Da gibt es

  • ein ERP-System für die Betriebsdatenerfassung,
  • daneben CAD/CAM-Systeme und
  • NC-Simulation mit einem virtuellen Zwilling der Maschine.
  • Das Qualitätsmanagement wird von CAQ-Software unterstützt,
  • und zuletzt kam auch noch ein MES-System hinzu.

Alle sind über Schnittstellen miteinander vernetzt, insgesamt sind sechs Dienstleister beteiligt – damit die 45 Mitarbeiter mit den Informationen aus ihrem Tablet so produktiv sein können wie möglich.

Digitalisierung schafft Überblick in der Produktion

Ihre Aufgaben: Danmed stellt um die 4.000 Produkte her, unter anderem Arthroskopie-Stanzen und -Zangen. Auf diese Produkte entfallen jedoch nur zehn Prozent des Umsatzes. Den größten Teil machen Reparaturteile für Medizinprodukte anderer Hersteller aus – die bei Bedarf als Ersatzteile aus dem Lager zur Verfügung gestellt oder anhand eines defekten Teils über Reverse Engineering eigens gefertigt werden. Diese Dienstleistung ist vor allem bei amerikanischen Kunden gefragt.

„Dass wir unsere vielfältige Fertigung jetzt anhand konkreter Daten so gut im Blick haben können, hat sich allmählich entwickelt“, berichtet Julian Dannoritzer. Anfangs sei es bei der Einführung neuer Software um einzelne Vorteile gegangen. „Nur“ darum, sich das wiederholte Programmieren und Probieren an der CNC-Fräsmaschine zu ersparen, mit dem ERP-System die Abläufe zu vereinfachen, mit dem Datenmanagementsystem (DMS) Rechnungen, Lieferscheine und Materialzertifikate zu archivieren oder das Qualitätsmanagement mit Software zu optimieren. Der Knackpunkt war dann, vor der Einführung des MES-Systems, die DIN ISO EN 13485:2016 mit der Forderung nach Softwarevalidierung.

Softwarevalidierung erforderte neuen Blick auf die Digitalisierung

„Von da an war klar, dass wir sehr gut überlegen müssen, wie wir mit der Digitalisierung weitermachen“, sagt der Technische Leiter. Wer an dieser Stelle nicht geschickt handele, riskiere „einen Riesenaufwand, um die Validierung durchzuführen“ – oder könne ohne Validierung die Vorteile der Digitalisierung nicht nutzen, da vieles über Papier laufen müsse.

Danmed entschied sich dafür, ein validiertes MES-System als zentrales Element einzuführen. „Das sitzt wie eine Datenkrake in der Mitte und hat Schnittstellen zu allen Systemen. Da das MES-System validiert ist, senkt es die Validierungslast für alle anderen erheblich.“ Das sah die Benannte Stelle auch so – und damit ist die Digitalisierung bei Danmed für den Übergang von der Medical Device Directive (MDD) zur Medical Device Regulation (MDR) zukunftssicher aufgestellt.

Trotzdem lief nicht immer alles glatt. „Über Schnittstellen und Validierung haben wir mit unseren insgesamt sechs Dienstleistern wirklich intensiv diskutiert“, berichtet Dannoritzer. Validierung sei auch für Softwaredienstleister ein schwieriges Thema, oft würde eine Prozessvalidierung empfohlen. Damit aber stehe ein Medizinproduktehersteller vor dem Audit-Termin quasi im Regen und habe noch viel zu erledigen. „Gerade für die Validierungsfrage haben wir uns einen Experten für Quality Affairs hinzugeholt, der einen Tag lang mit dem MES-Dienstleister alle wichtigen Punkte durchgegangen ist, damit wir eine wasserdichte Lösung bekommen.“ Dannoritzer war dabei und fand den Tag „sehr interessant.“

Kommunikation mit den Dienstleistern ist sehr wichtig

Für so eine Zusammenarbeit mit den Dienstleistern brauche es eine kommunikative und software-affine Persönlichkeit im Unternehmen, sagt der Technische Leiter. „Wir benötigen gelegentlich besondere Features, und nicht immer waren die Dienstleister sofort offen für unsere Wünsche.“ Zu viel Aufwand, gar nicht möglich, nur über einen Umweg möglich. Wer hartnäckig bleibe, sich mit einem Nein nicht zufriedengebe und vielleicht beim einen Dienstleister Informationen bekommt, die den Aufwand für den anderen senken, habe am Ende eine gute Lösung.

Gerade diese speziellen Software- Eigenschaften seien unter Umständen für die Dienstleister sogar von Vorteil. Ein zusätzliches Feature verursache zwar Programmieraufwand, mache das Produkt aber interessanter für weitere Anwender aus der gleichen Branche. Dass jeder Mitarbeiter wie bei Danmed mit einem Tablet auf die Daten zugreifen könne, sei nicht gerade verbreitet – und es kommen immer wieder Interessenten, um sich diesen Referenzfall anzuschauen.

Man muss sich mit dem Programmierer gut verstehen

Dannoritzer sagt es nachdrücklich: „Meiner Meinung nach ist die Zusammenarbeit mit den Software-Dienstleistern der entscheidende Punkt auf dem Weg der Digitalisierung.“ Es gebe immer wieder etwas zu ändern. Das sei nur möglich, wenn man sich nicht nur mit dem jeweiligen Vertriebler gut verstehe, sondern auch mit dem zuständigen Programmierer – kurz: wenn der Unternehmensstil insgesamt passt. „Und der Dienstleister sollte möglichst in der Nähe sein – die Programmierer werden oft zu Ihnen ins Haus kommen müssen.“

Die eigenen Mitarbeiter von den Vorteilen der Digitalisierung zu überzeugen, sei ebenfalls ein wichtiger Aspekt. „Im Zuge der Vernetzung unserer Systeme haben wir aus jeder Abteilung einen Mitarbeiter vorab eingebunden. Zum Start waren dann alle inklusive Pizza-Essen dabei: Wir wollten so viele wie möglich ins Boot holen und überzeugen, dass uns die Digitalisierung Vorteile bringt.“ Bleibende Ressentiments gebe es, heute aber nur noch bei einem kleinen Teil der Belegschaft.

Jeder Schritt auf dem Weg zur Digitalisierung habe dem Unternehmen schon für sich allein Vorteile gebracht. Heute geht es bei Danmed darum, darüber hinaus die Früchte der Vernetzung zu ernten. „Wir arbeiten gerade daran, systemübergreifende Auswertungen zu entwickeln und nutzbar zu machen“, sagt Dannoritzer.

Einblicke in die Digitalisierung ermöglichen

Was Danmed in Sachen Digitalisierung tut, will der Technische Leiter nicht als Geheimwissen unter Verschluss halten. „Ich gehe mir gern anschauen, wie andere ein Problem lösen. Also möchte ich umgekehrt auch die Möglichkeit bieten, als Referenzkunde meiner Dienstleister Einblick in unser Tun zu geben.“

Den Besuchern empfiehlt er, mit der Digitalisierung unbedingt loszulegen. Ohne ERP-Systeme laufe nichts. „Aber darüber hinaus fangen Sie einfach da an, wo Ihnen die Digitalisierung am schnellsten Geld bringt.“ Das Übrige entwickele sich dann. Schritt für Schritt.

www.danmed.com

Video zu den Erfahrungen bei Danmed

Wie es zugeht, wenn jemand in einem mittelständischen Unternehmen die Digitalisierung voranbringt, hat Danmed auch in einem – nicht immer ganz ernst gemeinten – Video zusammengestellt. Laut Julian Dannoritzer ist das Video aber gar nicht so weit von der Realität entfernt.


Über das digitale System bei Danmed

Mit sechs Software-Dienstleistern arbeitet Danmed zusammen. Die Systeme kamen nach und nach und wurden einzeln ausgewählt. Inzwischen geht es darum, aus den vernetzten Systemen Kennzahlen zusammenzuführen.

  • Von Inneo Solutions sind als CAD-CAM-System Creo, Creo NC und die Datenbank Windchill im Einsatz und schaffen Transparenz in der Konstruktion.
  • Für NC Simul von Hexagon Manufacturing Intelligence für die NC-Simulation sprach, dass mit dem virtuellen Zwilling der Maschine Kollisionskontrollen möglich sind sowie das Optimieren der Zerspanwege.
  • Das DMS-System Elo der IT.conex GmbH ermöglicht es, auch viele Nachweisdokumente zu archivieren.
  • Das ERP-System Majesty von der UB-Software- und Entwicklungs- und Vertriebs GmbH wurde wegen der guten Anpassbarkeit an die Medizintechnik und der Anbindung an CAQ- und MES-Systeme ausgewählt.
  • Das CAQ-System der Babtec Infomationssysteme GmbH erfasst Qualitätsdaten aus der gesamten Produktion.
  • Das MES-System kommt von der LA2 GmbH. Es bietet die Tablet-Steuerung und verwaltet Daten konform mit der 21 CFR Part 11 der FDA – wichtig bei vielen Kunden in den USA .

Fördermittel für Digitalisierung

Chancen im Bereich der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz besser nutzen: Dabei soll die Transferplattform für Industrie 4.0 (TPBW I4.0) mittelständische Unternehmen unterstützen. Angeboten wird sie von den Hochschulen Aalen, Esslingen und Reutlingen in Kooperation mit der Steinbeis-Stiftung. Das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg fördert das Projekt nach einer Pilotphase mit weiteren zwei Millionen Euro.

Die Transferplattform schafft Transparenz, demonstriert, berät und bietet sich als Forschungs- und Entwicklungspartner an. Entstehen sollen innovative und „anfassbare“ Lösungen. Zwei wesentliche Instrumente werden dafür verzahnt: standortübergreifende Industrie-4.0-Labore als Demonstrationszentren sowie Beratung zu Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz.

www.tpbw-i40.de


Kontakt zu Danmed:

Dannoritzer Medizintechnik GmbH & Co. KG
Sattlerstr. 25
78532 Tuttlingen
Tel.: +49 (0) 7461-96 239-0
E-Mail: mail@danrepair.de
Website: www.danmed.com

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