Herkömmliche textile Stents werden von lebenden Zellen besiedelt. Sobald die Strukturen aber in die Länge gezogen oder gestaucht werden, ist das zarte Gewebe in Gefahr. Wie sich das verbessern lässt, testen Ingenieure und Bioissenschaftler gemeinsam.
Mit Hilfe des Tissue Engineering lassen sich vitale Gefäßprothesen züchten. Ein entsprechendes Verfahren wurde in Aachen entwickelt und in den vergangenen zwei Jahre so weit ausgebaut, dass sich damit vitale Stents sowie Stent-Grafts – eine Kombination aus Stent und Gefäßprothese – herstellen lassen. Auf dem textilen Teil dieser Implantate werden unter anderem Endothelzellen angesiedelt, die mit dem Textil einen Verbund bilden. Dieses Verfahren lässt sich auf alle Bereiche anwenden, in denen im menschlichen Körper Stents gebraucht werden, also zum Beispiel für Arterien, Luft- und Speiseröhre sowie den Gallengang. Daher kann man von einer Bio-Stent-Plattform sprechen.
Textile Geflechte, die bisher als Stents verwendet werden, sind aber eher weich, haben also eine geringe Radial- und Axialsteifigkeit und lassen sich gut verformen. Das ist aber nicht optimal für Strukturen, die von miteinander verbundenen lebenden Zellen besiedelt werden. Jede Verformung, die zum Beispiel auftritt, wenn der Stent in die Länge gezogen wird, belastet das lebende Gewebe sehr stark und schädigt es. Schon das Vorbeiströmen der Nährlösung an einem weichen Geflecht kann diesen Effekt hervorrufen – und führt darüber hinaus dazu, dass der Stent am Ende nicht die gewünschte Gestalt aufweist.
Daher wurden in Aachen zwei neue textile Strukturen daraufhin untersucht, ob und wie gut sie sich dafür eignen, selbstexpandierende Stents herzustellen. Ein Kandidat waren Gewirke aus Polyvinylidenfluorid (PVDF), die mit hochelastischen Nitinolringen verstärkt zu einer hybriden Struktur wurden. Der zweite Ansatz beruhte auf zweidimensionalen Rundgeflechten aus Nitinoldrähten. Unter geeigneten Bedingungen besiedelten lebende Zellen beide Strukturen. Beim Komprimieren und Einführen der Stents in einen Transportkatheter, dem so geannten Crimping, gab es jedoch Probleme.
Beim nitinolverstärkten Gewirk ließ sich das auf die inhomogene Struktur zurückführen. Sie führte zu einer inhomogenen Steifigkeitsverteilung und während des Crimpings lokal zu unzulässig hohen Spannungen. Die zweidimensionalen Rundgeflechte aus Nitinoldrähten hingegen ermöglichen es, einen Stent herzustellen, der beim Crimpen fast keine Längenveränderung erfährt. So löst sich die Zellschicht nicht ab und reißt auch nicht ein. Um solche Strukturen zu fertigen, wurde ein dreidimensionales Flechtverfahren verwendet. Hierfür lassen sich die Drahtspeicher in der Flechtmaschine auf einer Ebene beliebig bewegen, ähnlich wie bei einem Schiebepuzzle.
Die neue Palette von Implantaten, die auf Basis der Bio-Stent-Plattform hergestellt werden können, bieten Potenzial zur Behandlung verschiedener Krankheiten. Die Technik soll in Zukunft genauer erforscht werden – unter anderem geht es darum, die Besiedelung durch die Zellen noch zu verbessern.
Weitere Informationen Im Jahr 2011 wurde an der RWTH Aachen die neue Brückenprofessur Tissue Engineering & Textile Implants eingerichtet und mit Prof. Dr. med. Stefan Jockenhövel besetzt. Sie ist am Bereich Life Science und Smart Textiles angesiedelt. An der Zusammenarbeit beteiligen sich das Institut für Textiltechnik und das Institut für Angewandte Medizintechnik. www.ame.hia.rwth-aachen.de www.ita.rwth-aachen.de
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