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Wo der Staat gesund macht

Skandinavien: Schweden, Norwegen und Dänemark investieren in Gesundheitseinrichtungen
Wo der Staat gesund macht

Schweden will sich bei den Life Sciences einen festen Platz an der Weltspitze sichern. Im Mittelpunkt dieses Vorhabens steht ein Krankenhaus-Großprojekt, der Neubau der Stock- holmer Universitätsklinik. Auch Norwegen und Dänemark investieren. Sie wollen ihre staatlichen Gesundheitssysteme weiter modernisieren.

Eine kleine Nation denkt groß: Schweden will die Region Stockholm in den nächsten 15 Jahren zu einem weltweit führenden Standort der Life Sciences ausbauen. Schon heute konzentrieren sich viele Unternehmen und Einrichtungen aus dem Gesundheitsbereich um die Hauptstadt. Zudem tragen fünf Universitäten mit Forschung und Lehre zum Renomee von Skandinaviens führendem Cluster der Lebenswissenschaften bei.

Im Zentrum der ehrgeizigen Pläne steht Nya Karolinska Solna, die neue Stockholmer Universitätsklinik. Baustart war 2010, bis 2017 entsteht auf 320 000 m2 Bruttofläche inmitten eines neuen Stadtteils ein hochmodernes Großklinikum, dem ein medizinisches Forschungsinstitut für bis zu 1700 Mitarbeiter angegliedert wird. Das Krankenhaus solle der hoch spezialisierten medizinischen Versorgung dienen, mit einem Fokus auf effizientem Patientenfluss, Patientensicherheit und der verstärkten Zusammenarbeit zwischen Gesundheitswesen, Forschung und Ausbildung, so erklärt Marit Brusdahl Penna, die bei der Provinzialverwaltung für das Projekt zuständig ist.
600 Betten, 550 davon in Einzelzimmern für die stationären Patienten. 36 Operationssäle, inklusive dreier Hybrid-OPs. Je 100 Zimmer für die Tagespflege und in einem Patientenhotel. 168 Ambulanzzimmer, dazu Räume für Strahlentherapie, Bildgebende Verfahren und Funktionsdiagnostik und zwei Hubschrauberlandeplätze: Allein die Investitionskosten für das Megaprojekt belaufen sich auf 14,5 Mrd. Schwedische Kronen (Skr), rund 1,7 Mrd. Euro – die neue medizintechnische Ausstattung für 4 Mrd. Skr (knapp 0,5 Mrd. Euro) nicht eingerechnet.
Branchenunternehmen verspricht Nya Karolinska Solna interessante Geschäftsaussichten, und auch darüber hinaus ist Skandinavien ein nicht großer, aber interessanter Markt. Schweden, Norwegen und Dänemark legen Wert auf einen hohen Standard ihrer Gesundheitseinrichtungen und investieren, um diesen weiter zu verbessern. Die zunehmende Alterung der Gesellschaft schafft zusätzlichen Handlungszwang.
In allen drei Ländern ist das Gesundheitssystem überwiegendend staatlich organisiert und steuerfinanziert, der private Bereich spielt bislang eine untergeordnete Rolle. Dahinter steht die Idee des Wohlfahrtsstaates, dass alle Menschen den gleichen Zugang zu Gesundheitsleistungen haben sollen. Eine Kooperation mit privaten Investoren wie beim Karolinska-Neubau, der als weltweit größtes Public-private-Partnership-Krankenhausprojekt gilt, ist daher ungewöhnlich. Staatlichen beziehungsweise regionalen und kommunalen Behörden kommt bei der Budgetierung und Organisation des Gesundheitsbereichs sowie der Beschaffung von Medizintechnik und Verbrauchsmaterialien eine wesentliche Aufgabe zu. Auch bei Nya Karolinska Solna bleibt die Zuständigkeit für alle medizinischen und pflegerischen Belange in öffentlicher Hand.
Optimierungsbedarf gibt es auch in Skandinavien, besonders in Norwegen und Dänemark. So kommt es etwa im reichen Norwegen zu Versorgungsengpässen und längeren Wartezeiten, obwohl die Gesundheitsausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt weltweit zu den höchsten zählen. Hohe Investitionen und ein umfassender Pflege- und Gesundheitsplan, der Omsorgsplan 2015, sollen Abhilfe schaffen. So sind etwa bis 2030 5000 zusätzliche Krankenhausbetten geplant, die Hälfte davon bereits bis 2015.
Dänemark muss dafür Sorge tragen, dass die staatliche Garantie für eine Behandlung binnen eines Monats eingehalten wird, sie gilt auch für Operationen. Zudem haben Sparmaßnahmen zu Nachholbedarf geführt. Im Rahmen eines Masterplans sollen nun bis 2020 rund 5,6 Mrd. Euro in die Modernisierung und den Bau von Krankenhäusern fließen. Rund ein Viertel des Betrags ist für Medizin- und EDV-Technik vorgesehen. Das Marktvolumen für Medizintechnik soll in Dänemark und Norwegen in den kommenden Jahren um jährlich 3,5 % bis 4 % wachsen. In Schweden wird ein Zuwachs von rund 2,4 % erwartet: Dies ist den aktuellen Branchenberichten von Germany Trade and Invest (Gtai), der Bundesgesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing, zu entnehmen.
„Die skandinavischen Länder und hier insbesondere Schweden spielen für uns als Hersteller eine sehr wichtige Rolle“, sagt Martin Liebel, stellvertretender Geschäftsführer der zum 1. Mai 2013 gegründeten Weinmann Sweden AB. Bislang war die mittelständische Hamburger Weinmann Geräte für Medizin GmbH + Co. KG, die auf Produkte zur Beatmung spezialisiert ist, in Skandinavien allein durch Distributoren vertreten. „Mit diesem Schritt möchten wir die Nähe zu unseren Kunden und Anwendern in Schweden weiter stärken und unsere Marktposition konsequent ausbauen“, erklärt Liebel. Weinmann will sich in Schweden überwiegend auf das Homecare-Geschäft im Bereich Schlaf, Ventilation und Masken konzentrieren. Skandinavien zeichne sich durch erfolgreiche und effektive Gesundheitssysteme aus, die eine moderne Patientenversorgung auf gutem Niveau ermöglichen, insbesondere in Schweden werde kontinuierlich in die Weiterentwicklung des Systems investiert. Auch die vollständige Kostenerstattung durch die staatlichen Krankenkassen trägt laut Martin Liebel zur Attraktivität der Märkte bei.
Die neue Weinmann-Niederlassung liegt in der Gemeinde Solna bei Stockholm – so wie das Karolinska-Universitätsklinikum oder die Produktionsgesellschaft Maquet Critical Care: Sie produziert Beatmungssysteme und Anästhesiegeräte (siehe Interview S. 78). Die Maquet GmbH & Co. KG, Rastatt, mit weltweit 6300 Mitarbeitern ist die größte Tochtergesellschaft der schwedischen Getinge AB. Das börsennotierte Medizintechnikunternehmen erzielt zusammen mit der Gambro AB rund 50 % des Gesamtumsatzes der in Schweden gefertigten Medizintechnik.
Beim Import steht Deutschland mit einem Marktanteil von rund 16 % in Schweden hinter den USA an der Spitze der Lieferländer. Laut Gtai stieg das Importvolumen bei den wichtigsten Produktgruppen 2011 gegenüber dem Vorjahr um 4,6 % auf 1,6 Mrd. Euro. Norwegen führte Medizintechnik für rund 600 Mio. Euro ein, wobei Deutschland und die Schweiz neben Schweden und Dänemark, Japan und den USA zu den wichtigsten Lieferländern zählten. Das Land der Fjorde ist zwar kein EU-Mitglied, erkennt aber die europäischen Regeln an. In Dänemark hat sich der Wert der Ein- und Ausfuhren in den vergangenen zehn Jahren auf jeweils rund 1 Mrd. Euro verdoppelt, wobei zwei Drittel der Importe aus anderen EU-Ländern kommen. Der deutsche Anteil ist seit 2009 von 18 % auf 15 % zurückgegangen.
Gefragt sind innovative Qualitätsprodukte, funktional, gut designt, Preis und Service müssen stimmen. „Wie in ganz Europa ist der Preisdruck auch in Skandinavien groß“, sagt Juha Saukkonen, Geschäftsführer der skandinavischen Tochterunternehmen der B. Braun Melsungen AG. Krankenhäuser und Regionen täten sich zusammen, um größere Beschaffungsgruppen aufzubauen und Skaleneffekte zu erzielen. Die Vereinbarungen könnten bis zu vier Jahre laufen. Um diesen Marktveränderungen zu begegnen, konzentriere sich das Unternehmen darauf, Partner und Lösungsanbieter zu sein. „Wir unterstützen die Krankenhäuser in ihrer täglichen Arbeit mit unseren Produkten und Service-Konzepten, und dadurch helfen wir ihnen, auch Kosten einzusparen“, erklärt Saukkonen. B. Braun hat Tochterunternehmen in allen drei skandinavischen Ländern, es gibt eine enge Zusammenarbeit, auch mit Finnland. Das Lager in Schweden bedient Norwegen und Dänemark mit, wo der Umsatz 2012 um 20 % nach oben schnellte.
In Solna ragen indessen die Rohbauten der neuen Universitätsklinik bis zu zehn Stockwerke hoch in die Höhe. Die Ausschreibungsverfahren für Bildgebende Diagnostik und Deckenversorgungseinheiten sind bereits angelaufen. Weitere Bereiche sind in der Planungsphase. 2016 soll ein erster Teil des Karolinska-Krankenhauses in Betrieb gehen, das auch in puncto Nachhaltigkeit einen Spitzenplatz beansprucht – dank Gold-Zertifizierung in Sachen Energie- und Umweltfreundlichkeit.
Bettina Gonser Freie Journalistin in Stuttgart
Weitere Informationen Zum Klinikprojekt Nya Karolinska Solna: www.nyakarolinskasolna.se Zum Gerätehersteller Weinmann: www.weinmann.de Zum MedTech-Unternehmen B. Braun: www.bbraun.de
Moderne Patientenversorgung auf gutem Niveau

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