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Wirkt im Inneren

Sterilisation: Neues Verfahren für hermetisch verschlossene Verpackungen
Wirkt im Inneren

Auf dem 11. Würzburger Medizintechnik-Kongress hat Prof. Dr. Jürgen Engemann eine neue Technologie für die Sterilisation luftdicht verpackten Materials vorgestellt. Das plasmabasierte Verfahren ist flexibel einsetzbar und sehr kostengünstig.

Die Sterilisation medizinischer Güter gewinnt zunehmend an Bedeutung – vor allem wegen stringenterer gesetzlicher Auflagen sowie aufgrund der Zunahme multiresistenter Keime wie des Staphylococcus aureus. Ein Sterilisationsverfahren, das für alle Einsatzbereiche gleichermaßen geeignet wäre, müsste verschiedene Kriterien erfüllen:

  • kein gesundheitliches Risiko
  • nicht toxisch
  • ökologisch verantwortbar
  • für eine Vielzahl unterschiedlicher Applikationen einzusetzen
  • verlässlich und reproduzierbar
  • einfach zu verwenden
  • leicht zu skalieren
  • validierbar
  • unproblematisch in bestehende Produktionsanlagen zu integrieren
  • kostengünstig
Solch eine Eier legende Wollmilchsau existiert derzeit jedoch nicht. Traditionelle und weit verbreitete Verfahren in der Medizintechnik umfassen unter anderem das Autoklavieren, den Einsatz von Gamma-Strahlung, die Gasphasensterilisation mit ETO sowie plasmabasierte Verfahren. Für die letztgenannte Kategorie hat jetzt Prof. Dr. Jürgen Engemann von der JE PlasmaConsult GmbH, Wuppertal, eine neue Technologie entwickelt und Anfang Mai auf dem 11. Würzburger Medizintechnik-Kongress vorgestellt.
Das mit dem geschützten Begriff PlasEt bezeichnete Verfahren basiert auf der Gewinnung von Ozon aus der Umgebungsluft oder eines anderen sauerstoffhaltigen Gasgemisches mit Hilfe eines hermetisch eingeschlossenen Atmosphärendruckplasmas. Die Technologie ist nicht neu – bereits vor über 150 Jahren hatte sie Werner von Siemens zur Wasserdesinfektion eingesetzt. „In unserem Fall wird jedoch das Plasma innerhalb einer luftdichten Verpackung erzeugt, welche das zu sterilisierende Material enthält“, erklärt Prof. Engemann.
Und das funktioniert so: Insgesamt drei Anregungselektroden sind im Innen- und Außenbereich der Verpackung angebracht. An die äußeren Elektroden wird eine kHz-Wechselspannung angelegt, welche kapazitiv auf die innere Elektrode eingekoppelt wird. Diese Anordnung führt bei einer geeigneten geometrischen Auslegung zu einer dielektrisch behinderten Entladung (DBD) – ausschließlich im Inneren der Verpackung.
„Solange die Entladung aktiv ist, wird aus der in der Verpackung enthaltenen Atmosphäre Ozon erzeugt“, beschreibt der Wissenschaftler den Vorgang. „Natürlich nur, solange wir elektrische Energie zuführen.“ Während dieser Zeit sind die in der Verpackung befindlichen Güter dem oxidierenden und sterilisierenden Einfluss des Ozons ausgesetzt. Sobald die Stromversorgung ausgeschaltet wird, zerfällt das Ozon entsprechend einer Halbwertzeit von 20 bis 30 Minuten bei Raumtemperatur. Auch während der Abbauphase ist es noch mikrobiologisch aktiv.
„Mit PlasEt können wir problemlos eine Ozonkonzentration von 20 000 ppm erreichen. Damit eignet sich das Verfahren auch für sehr anspruchsvolle Sterilisationsprozesse in der Medizintechnik“, betont Prof. Engemann.
Die Möglichkeit, Güter in einer hermetisch verschlossenen Verpackung – wenn nötig sogar am Ort der Endnutzung – behandeln zu können, ist eines der herausragenden Merkmale von PlasEt. „Die zu sterilisierenden Produkte besitzen oftmals eine komplexe Geometrie“, verdeutlicht Prof. Engemann. Dazu gehören auch Schlauchsysteme mit unterschiedlichen Längen und Lumen. Um die Effizienz der neuen Technologie nachzuweisen, hat der Experte verschiedene Prüfkörper in einer geschlossenen Verpackung aus PE-Folie behandelt. Wahlweise wurde mit einer Argon-Sauerstoff-Atmosphäre, einem Kohlendioxid-Sauerstoff- Gemisch oder Luft gearbeitet. In diversen Testreihen haben die Prüfer die für medizintechnische Einsätze geforderte Keimreduktion um 6 Zehnerpotenzen nach 30 Minuten erreicht.
An seine Grenzen stößt das Verfahren bei Geometrien, die durch Diffusion von Ozon nicht erreichbar sind. Dazu gehören beispielsweise geschlossene Hohlräume und fest miteinander verschraubte Gegenstände.
„Insgesamt gesehen ist die PlasEt-Technologie kostengünstig und hocheffizient“, fasst Prof. Engemann zusammen. Verpackung, Elektroden und Leistungsversorgung bilden ein aus drei Komponenten bestehendes System, das im Batch-Betrieb oder als zusätzliche Sterilisationseinheit in eine Inline-Anlage integriert werden kann.
Jens-Peter Knauer Fachjournalist in Waldenbuch

Ozon
Ozon ist eines der effektivsten und stärksten Oxidationsmittel. Auch in geringer Konzentration inaktiviert es wirkungsvoll eine Vielzahl von Mikroorganismen wie Bakterien, Viren, Pilze und Sporen. Beim PlasEt-Verfahren dient das Plasma lediglich dazu, Ozon aus der Verpackungsatmosphäre zu gewinnen. Eine für die meisten Mikroorganismen lethale Konzentration von mehreren tausend ppm (parts per million) lässt sich innerhalb weniger Sekunden erreichen.
Da Ozon instabil ist und sich nach Abschaltung der Leistungszufuhr wieder zersetzt, ist es wichtig, die prozessbedingte Halbwertzeit zu kennen. Diese hängt unter anderem von der Temperatur, dem Verpackungsmaterial und der Feuchtigkeit innerhalb der Verpackung ab. Sie kann von wenigen Minuten bis zu einigen Stunden reichen. In dieser Zeit bleibt das restliche Ozon mikrobiell wirksam.
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