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Winkelfehler adé

Aktives Spannsystem: Positionieren von Präzisionsteilen in der Werkzeugmaschine
Winkelfehler adé

Ein neues Konzept für automatisierte Spannsysteme positioniert Bauteile in der Maschine äußerst präzise. Das funktioniert unabhängig vom Maschinentyp, der Anzahl der Bewegungsachsen, vom Werkstückkoordinatensystem, der Maschinensteuerung und der Qualität der Spannflächen.

Wenige Millimeter groß, Toleranzen von wenigen Mikrometern: Das sind häufige Anforderungen in der Fertigung von Präzisionsbauteilen für die Medizintechnik. Mikrofräsen und Mikrofunkenerosion sind geeignete Verfahren für solche Herausforderungen. Ihre hohen Genauigkeiten sind aber oft nur durch zeitaufwendige manuelle Ausrichtvorgänge beim Werkstückspannen realisierbar, die pro Teil schon mal eine ganze Stunde in Anspruch nehmen können.

Das zeigt, dass in den Bereichen Verfahrens- und Maschinenentwicklung zwar große Fortschritte erzielt wurden, in peripheren Bereichen – wie Spannen, Positionieren, Messen, Winkelfehlerkompensation – aber noch großer Handlungsbedarf besteht. Für diese Bereiche existieren ausgereifte Einzellösungen, jedoch ist bisher keine durchgehende Lösung kommerziell erhältlich. Aus diesem Grund wurde im Rahmen des InnoNet-Projekts „Active Clamp“ eine neue Generation von Spannsystemen entwickelt, die Winkelfehler beim Positionieren von Präzisionsbauteilen in Werkzeugmaschinen automatisiert kompensieren.
Dabei standen zwei Aspekte im Vordergrund: zum Einen die Konstruktion, Fertigung und der Aufbau einer kompakten Mechanikeinheit zur Kompensation von Winkelfehlern, zum Anderen die Entwicklung und der Aufbau der nötigen Elektronikkomponenten mit Steuerungssoftware, die eine Integration in bestehende Maschinensteuerungen ermöglicht. Der erste Demonstrator hat einen Durchmesser von 230 mm und eine Höhe von 142,3 mm bei einem Gesamtgewicht von 10,4 kg. Die maximale Winkelkompensation beträgt ± 10 mrad mit einer Winkelauflösung von 0,002 mrad.
Zum Spannen der Werkstücke wird hier ein pneumatisch betriebenes Nullpunktspannsystem von Hirschmann eingesetzt. Die Systembewegungen lösen hochgenaue Piezoaktoren des schwedischen Anbieters Piezo Motor aus. Diese haben einen Hub von bis zu 20 mm bei einer Auflösung von wenigen Nanometern. Stellkraft sowie Haltekraft der Aktoren betragen 300 N, die durch Kontaktreibung übertragen werden. Der Aufbau der Piezoaktoren ermöglicht das Halten der Position auch ohne Motorarbeit.
Um das System geregelt zu betreiben, ist der erste Demonstrator mit einem kapazitiven Sensorsystem Capa NCDT 6300 CS 2 von Micro-Epsilon ausgestattet. So kann der Messbereich von 2 mm statisch mit 2 Hz bei einer Auflösung von 20 nm erfasst werden. Die maximale Abtastrate für dynamische Messungen beträgt 8 kHz, wobei die Sensorsignalauflösung 200 nm beträgt.
Bei diesen hohen Anforderungen können keine konventionellen Gelenke oder Führungen eingesetzt werden. Daher wurden spezielle Festkörpergelenke entwickelt. Das Gelenk im ersten Prototyp ist aus der Aluminiumlegierung EN AW 7075 hergestellt. Neben den Materialeigenschaften waren weitere Größen sehr wichtig: der Radius der Einkerbung, die Stegbreite an der dünnsten Stelle und die Steghöhe der Gelenkstelle. Das verwendete Gelenk kann bis zum doppelten des maximalen Kippwinkels ausgelenkt werden, ohne dass es plastisch verformt wird. Damit das System auch unter Kühlschmiermittel oder Dielektrikum eingesetzt werden kann, ist es mit einem Flüssigkeitsschutz nach IP68 ausgestattet.
Winkelfehler lassen sich nun in vier Schritten ausgleichen. Zunächst erfasst das Messsystem der Werkzeugmaschine die Ist-Position des Werkstückes an drei Punkten. Diese Daten erhält die Steuerung des Systems. Sie vergleicht die Ist- und Soll- Position. Der Positionsunterschied wird dann mit Hilfe des geschlossenen Regelkreises aus Piezomotoren und kapazitiven Sensoren ausgeglichen. Die korrigierte Position halten die Piezomotoren dauerhaft kraftschlüssig. Abschließend wird die Position vom maschinenintegrierten Messsystem überprüft und eine Freigabe zur Bearbeitung erteilt.
Der erste Demonstrator wurde am Berliner Fraunhofer IPK aufgebaut und mit der am IGS in Rostock entwickelten Elektronik in Betrieb genommen. Im Bearbeitungsraum einer Senkerodieranlage ist den Ergebnissen zu Folge bei Entladeenergien von etwa 20 µJ, wie in der Mikrobearbeitung üblich, nicht mit Signalverschiebungen zu rechnen. Zurzeit ist das System in ein hybrides Bearbeitungszentrum integriert, mit dem sich komplexe Mikrobohrungen fertigen lassen.
Prof. Dr. h. c. Dr.-Ing. Eckart Uhlmann, Dr.-Ing. Dirk Oberschmidt, Dipl.-Ing. Jörg Essmann, Dipl.-Ing. Malte Langmack, Dipl.-Ing. Armin Löwenstein Fraunhofer IPK, Berlin
Weitere Informationen An dem Projekt Active Clamp haben sich das Berliner Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) und das Institut für Gerätesysteme und Schaltungstechnik (IGS) der Universität Rostock beteiligt. Industriepartner waren Hirschmann, SEM, Zimmer&Kreim, Kern, Mahr und Faulhaber. Kontakt am IPK: Dipl.-Ing. Armin Löwenstein, E-Mail: armin.loewenstein@ipk.fraunhofer.de

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