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Wie ein Scout durch den Produkt-Lebenszyklus

Entwicklung: Mit vernetzter Kompetenz zum Ecodesign-Produkt
Wie ein Scout durch den Produkt-Lebenszyklus

Nachhaltigkeit und Marktakzeptanz sind ausschlaggebend für die Innovationskraft der Medizintechnikbranche. Hilfe für die Entwicklung neuer Produkte holen sich Unternehmen schon während des Planungsprozesses von externen Ecodesignern.

Erfolgreiche Produkte für den Markt herzustellen, ist Ziel aller produzierenden Industrien. Dabei wird in jedem Markt die Leistung der Unternehmen von Konsumenten und Anwendern nach unterschiedlichen und sich ändernden Kriterien bewertet. Aufgrund dieser Beurteilung fällt schließlich der Kaufentscheid. Qualität und Preis können dabei Kriterien sein, aber aktuell vermehrt auch Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit. In diesem Kontext bewährt sich in der Produktinnovation der Ansatz des Ecodesign, weil es auf einer ganzheitlichen Betrachtung des Produktlebens aufbaut. Ecodesign ist dabei eher als strategischer Entwicklungsansatz zu verstehen und nicht als taktische Maßnahme, um einem Produkt einen grünen Touch zu geben.

Zu den Branchen, in denen sich eine weitsichtige Produktstrategie besonders lohnt, gehört die Medizintechnik. Viele Eigenentwicklungen wie die des amerikanischen Unternehmens Stryker sind aus Krankenhäusern und Arztpraxen nicht mehr wegzudenken: Angefangen bei der kleinen Kreissäge zum gefahrlosen Entfernen von Gipsverbänden über medizinische Betten bis zu Endoskopie-Kameras für die Schlüssellochchirurgie. Um nachhaltige Resultate erzielen zu können, setzt das Unternehmen heute vermehrt auf neue Technologien und optimierte Innovationsverfahren mit Ecodesign. Denn: Die Produktezyklen in der Medtech-Branche beschleunigen sich zusehends und dauern inzwischen oft weniger als zwei Jahre.
Derzeit investiert Stryker rund 6 % des Konzernumsatzes oder 300 Mio. US-$ pro Jahr in Forschung und Entwicklung, um im hart umkämpften Medizintechnikmarkt zur ersten Liga zu gehören. Dabei konzentriert sich das Unternehmen bei der Weiterentwicklung von Produkten auf seine Kernkompetenzen und optimiert seine Sortimentspolitik. Trotz der im Haus vorhandenen Ressourcen an Erfahrung und technischem Know-how leistete sich der Branchenprimus externe Berater, um eine Innovation im Ecodesign und der Bediener-führung (Interaction Design) seiner jüngsten Generation von Navigationsgeräten für die chirurgische Operationstechnik zu verwirklichen. „Uns geht es darum, den OP der Zukunft zu gestalten“, unterstreicht José Moctezuma, Leiter der Abteilung für Advanced Technologies Development auf dem Gebiet der chirurgischen Navigation bei Stryker.
Das entsprechende Konzept für die Zukunft lieferte Stryker die Erdmann Design AG in Brugg/Schweiz. Der Bereich Medizintechnik gehört zu den Spezialgebieten des von Raimund Erdmann 1979 gegründeten Unternehmens. „Wenn die Forschungs- und Entwicklungsabteilung zu delegieren versteht, können die Industriedesigner einem Unternehmen auf vielen Ebenen dienen“, weiß Firmenchef Erdmann. Ein solches Outsourcing von Design-Kompetenzen ist nicht selbstverständlich, denn in der Medizintechnik produzieren viele Firmen immer noch für einen umsatzstarken Arzt. Auch bei dem vom Chirurgen Dr. Homer Stryker gegründeten US-Unternehmen war dies lange Zeit der Fall. Diesen traditionsreichen Modus Operandi – bei dem eine Partnerschaft elaboriert, aber keine Intelligenz ans Unternehmen gebunden wird – galt es aufzubrechen, denn durch die Fokussierung auf einzelne Spezialisten gelangten immer wieder unausgereifte Produkte auf den Markt.
Von Ingenieuren für Ingenieure entwickelt – das ist auch in der Medizintechnik eine oft gehörte Kritik. „Mangelnde Energie-Effizienz ist da ein besonders oft gesehenes Negativ-Beispiel“, präzisiert Erdmann und hält fest, dass der Ecodesigner den gesamten Produkt-Lebenszyklus von der Produktion über den Vertrieb zur Nutzung und auch Entsorgung als Scout erforschen muss. Besonders kritische Reaktionen auf Neuentwicklungen gilt es bei den künftigen Kunden einzusammeln.
Dabei machen Erdmann und sein Team ihre Trend- und Technologie-Audits als Außenstehende und damit wertfrei. Dies gelingt durch die starke Verflechtung mit einem Netzwerk, das einen weiten Blickwinkel auf die Problemstellung garantiert. „Jede Technologie muss mit geringem Schulungsmoment bedienbar sein“, unterstreicht der Industriedesigner Erdmann. Das zu erkennen, ist keine Sache des Expertentums, sondern des gesunden Menschenverstandes. Entsprechend ließ das Erdmann-Team die Bedienungsführung (Usability) des OP-Navigationssystems von Stryker schon in der Konzeptphase durch potentielle Anwender anhand von realistischen Operationsprozessen testen.
Feed forward nennt sich diese Methode, bei der die Funktionstüchtigkeit innovativer Lösungsansätze bereits in der Konzeptphase durch Designmodelle getestet wird. Möglichst früh sollen Bedürfnisse erkannt und Abnehmerfelder geschaffen werden. Gegenüber dem Technologiehersteller wird der Industriedesigner durch Ecodesign-Erkenntnisse zum Advokaten des Anwenders. „Natürlich ist es dennoch nicht so, dass der Kunde am Ende die Interaktion definiert“, schränkt Erdmann ein. Aufgabe des Ecodesign ist es, das strategische Moment des Technologieproduzenten in Form eines Standards, der eine Modularität erlaubt, von Beginn an zu definieren. Es ist diese Standardisierung der Strategie, die zum Unternehmenswert und damit letztlich zur Kundenbindung führt.
Das Beispiel der durch die Erdmann Design AG geleiteten Schweizer Expertgroup zeigt jedoch, dass auch aufwendige Ecodesign-Aufgaben von einem Team von Unternehmen effizient umgesetzt werden können. „Projekte lassen sich wesentlich schneller realisieren, wenn sich die verschiedenen Entwicklungspartner nicht jedes Mal neu auf das Thema einspielen müssen“, erklärt Raimund Erdmann. Seine Partner aus den Bereichen Engineering und Fertigung bringen daher auch die Fähigkeit mit, neue, Ecodesign-freundliche Ideen rasch in die Praxis umzusetzen.
Wie effizient die Expertengruppe dabei vorgeht, zeigt die jüngste Generation eines Dental-Scansystems des Komplettanbieters von dentaler CAD/CAM-Technik, der Schweizer Imetric 3D GmbH aus Courgenay: Die mit berührungslosem Streiflicht für hohe Präzision und Datenqualität funktionierenden Scanner unterscheiden sich den Angaben zufolge von Wettbewerbsprodukten durch eine benutzerfreundliche Ergonomie und sparsames Design.
Um die Bedürfnisse der Kunden von Imetric proaktiv analysieren zu können, wurden daher zu Beginn des Entwicklungsprojektes verschiedene 3D-Simulationen der neuen Scanner-Generation generiert. Durch den Einsatz von Ressourcen schonenden Rapid-Manufacturing-Technologien beim Engineering-Partner konnten die so ausgewählten Konzepte in nur einem Schritt weiter optimiert werden. Das gemeinsame Prozess-Know-how der verschiedenen Entwicklungspartner stellte sicher, dass neue Erkenntnisse und außergewöhnliche Problemlösungen in der Fertigung auch kostengünstig produziert werden konnten. Der auf die Fertigung hochwertiger Medtech-Einzelteile und -Instrumente mit kurzen Lieferzeiten spezialisierte Fertigungspartner realisierte schließlich die Serienfertigung der Scanner termingerecht und mit hoher Präzision.
Patrick Roth Geschäftsführer Competence Center for Medical Technology CCMT, Bern

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