Startseite » Allgemein »

„Warum nicht auch einen Blogger einladen?“

Social-Media-Einstieg: Schritt für Schritt an den Nutzer herantasten
„Warum nicht auch einen Blogger einladen?“

Eigene Social-Media-Aktivitäten starten nicht an allen Fronten zugleich. Zu Beginn sind sie sogar eher Passivitäten. Social-Media-Berater Ralf-Thomas Hillebrand erläutert, wie man Kontakt zu interessierten und manchmal kritischen Nutzern aufbaut.

Herr Hillebrand, welchen Weg empfehlen Sie einem Unternehmen für den Einstieg in Social Media?

Wenn die Ziele festgelegt sind, die Strategie klar ist und man seine Zielgruppe geortet hat, muss man als erstes Zuhören – zum Beispiel in Patientenforen oder in Plattformen für Ärzte. Das heißt, ein Mitarbeiter meldet sich an – meist unter einem Nickname – und verfolgt, was die Nutzer bewegt. In so einer passiven Rolle des Zuhörers fällt man übrigens keineswegs auf: 90 Prozent derer, die sich auf den Plattformen anmelden, tun nichts anderes als zu lesen. Nur neun Prozent wagen den ersten Schritt, drücken einen Like-Button oder schreiben einen Kommentar. Und das Gros der Inhalte, seien das Blogs oder Fragen und Antworten, stammen von nur einem Prozent der Teilnehmer.
Dieser Prozess des Zuhörens ist aufwendig. Wie findet man die besten Stellen dafür?
Zunächst ist das Angebot anscheinend groß. Man bekommt aber recht schnell mit, wo die Dinge diskutiert werden, die für einen selbst beziehungsweise für das Unternehmen relevant sind. Und am spannendsten wird es, wenn man sich näher mit der Minderheit, den aktiven Forumsteilnehmern befasst. Oft lohnt es, diese persönlich kennenzulernen. Schließlich haben sich diese Meinungsbildner schon sehr ausführlich mit „meinem“ Thema befasst und verbringen wahrscheinlich sehr viel Zeit damit, darüber zu kommunizieren. Das gilt vor allem, wenn sie als Blogger aktiv sind. Nicht um sonst werden sie auch Influencer genannt. Warum also sollte man diese nicht zur nächsten Tagung oder zur nächsten Pressekonferenz mit einladen? Dort bekommen sie wichtige und weitergehende Informationen aus erster Hand zur Verfügung gestellt. Sie werden diese höchstwahrscheinlich nutzen und weiterverbreiten.
Wie kann ein Unternehmen nach der Zuhörphase aktiver werden?
Dafür gibt es drei Möglichkeiten: das Verbreiten von Informationen, also das Broadcasting, das Ausdehnen der Zielgruppe, Expanding genannt, und schließlich das Conversating – also das Einstellen von Diskussionsbeiträgen in Foren.
Können Sie das genauer erläutern?
Das Verbreiten von Informationen ist die einfachste Form der Social-Media-Nutzung. Wer bisher Pressemitteilungen verschickt hat – per Post, Fax oder E-Mail –, wird sich heute fragen müssen, ob er damit seine Zielgruppe noch erreicht. Mancher Journalist recherchiert vielleicht mittlerweile lieber via Twitter als nur klassische Pressemitteilungen zu lesen, oder er hat sich in diversen Sozialen Netzwerken mit Patienten und Medizinern vernetzt und liest daher überwiegend, was dort an Infos zu finden ist. Auch wenn das noch kein echter Dialog ist: Es ist wichtig, dass ein Unternehmen seine Botschaften – und seinen es auch nur Pressemitteilungen – zunächst einmal überhaupt in sozialen Netzwerken zur Verfügung stellt, damit sie trotz Medienwandel die Adressaten noch erreichen können.
Und wie sieht das Erweitern der Zielgruppe aus?
Das Expanding setzt darauf, dass sich Informationen quasi von selbst weiter verbreiten. Genau genommen werden sie natürlich von einzelnen Nutzern in deren Netzwerken weitergeben. Damit das passiert, müssen die Informationen aber bestimmten Kriterien genügen. Was im weitesten Sinne lustig ist, hat gute Chancen, mit anderen geteilt zu werden. Nun ist Spaß aber nicht für alle Produkte und Themen ein angemessener Begleiter. Im Medizintechnik-Bereich kann ein hoher Nutzwert dazu führen, dass sich Informationen verbreiten. Für ein Unternehmen, das seinen Empfängerkreis ausweiten will, bedeutet das: Man muss sich überlegen, was diese Leute brauchen – und auch einigen Aufwand treiben, um genau das zu erstellen. Und je spezifischer und kleiner die angepeilte Zielgruppe ist, desto mehr Arbeit muss man hierein investieren. Desto länger sollte man vor dem Projektstart auch darüber nachdenken. Ohne passende Strategie verpuffen solche Anstrengungen leicht.
Und was ist beim Conversating, dem direkten Kontakt mit den Nutzern, zu beachten?
Was in Diskussionen erwartet wird, ist eine Menge. Die Teilnehmer in Foren wollen ernst genommen werden, auch wenn sie vielleicht keine Fachleute sind. Sie möchten eine Kommunikation unter Gleichberechtigten erleben. Das kann für ein Unternehmen nur jemand leisten, der seine Aufgabe gern und freiwillig übernimmt. Wenn der Chef einen Mitarbeiter dazu bestimmt, der einen inneren Widerwillen gegen diese Art der Kommunikation hat, werden die anderen Teilnehmer das merken. Davon würde ich dringend abraten. Umgekehrt lohnt es sich, bei den Mitarbeitern nachzufragen, wer vielleicht schon als Privatperson zu relevanten Themen ein Netzwerk pflegt. Das kann ein guter Einstieg für weitere Aktivitäten oder das Vergrößern der Community sein. Wahrscheinlich waren solche Mitarbeiter schon vor dem Festlegen offizieller Firmenrichtlinien für die Social-Media-Nutzung rührig und haben sich damit jenseits der Vorgaben ihrer Vorgesetzten bewegt. Schelte wäre hier dennoch nicht angebracht. Man sollte lieber in die Zukunft denken. Alles in allem aber muss der Schritt zum Conversating gut überlegt sein. Ein „Zurück“ aus den Social Media gibt es nicht – zumindest nicht, ohne dass das Image schaden nimmt.
Kann man denn über alles frei von der Leber weg diskutieren?
Nein, leider nicht. Zu manchen Fragen, zum Beispiel im Pharmabereich, kann man sich aus rechtlichen Gründen oft nur in einem Wortlaut äußern, der etwa mit Medizinern, Juristen oder Behörden abgestimmt wurde. Das enttäuscht aber zumeist die Nutzer, die einen freien und offenen Dialog erwarten. So äußerten sich kürzlich in einer Studie 61 Prozent der befragten Social-Media-User enttäuscht, weil Unternehmen bei Anfragen über Soziale Netzwerke nicht konkret auf ihre Belange eingegangen seien, sondern offensichtlich zu oft Textbausteine zurückgesandt hatten. Wirklich lösen können Unternehmen diesen Konflikt wohl nicht.
Was wären die Worst-Case-Szenarios im Zusammenhang mit Social-Media-Aktivitäten?
Schlimm ist es, wenn in einer Diskussion keine Absenderklarheit besteht – wenn ein Mitarbeiter etwas postet, ohne zu sagen, dass er für ein bestimmtes Unternehmen tätig ist. Sobald diese Information doch verfügbar wird, fühlen sich die anderen Teilnehmer hintergangen. Dann schlägt die gut geplante Maßnahme ins Gegenteil um, und das Firmenimage nimmt Schaden. Das gleiche Risiko besteht, wenn man mit der Meinung anderer Teilnehmer nicht vorsichtig genug umgeht. Wer Beiträge über den Plattformbetreiber löschen lässt, gerät schnell in den Ruf, etwas zensieren oder verbergen zu wollen. Das gilt auch, wenn das Unternehmen juristisch gesehen das Recht dazu hat. Im ungünstigsten Fall organisieren sich dann die Diskussionsteilnehmer und machen ihren Protest so öffentlich, dass das Thema bis in die klassischen Medien hinüberschwappt. Von Abmahnungen, dem Eingreifen der Rechtsabteilung oder dem Beseitigenlassen von Beiträgen sollte man daher die Finger lassen. Es widerspricht einfach der Idee der „Kommunikation auf Augenhöhe“, die für Social Media nun einmal erwartet wird.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen Zur Homepage von Ralf-Thomas Hillebrand www.politik-und-internet.de Zum Titelthema „ Social Media in der Medizintechnik“ erschienen in der Ausgabe 6/2011 von medizin&technik
Unsere Whitepaper-Empfehlung
Aktuelle Ausgabe
Titelbild medizin technik 2
Ausgabe
2.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Titelthema: PFAS

Medizintechnik ohne PFAS: Suche nach sinnvollem Ersatz

Alle Webinare & Webcasts

Webinare aller unserer Industrieseiten

Aktuelles Webinar

Multiphysik-Simulation

Medizintechnik: Multiphysik-Simulation

Whitepaper

Whitepaper aller unserer Industrieseiten


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de