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Von der Liebe zum Detail und dem Blick für Innovationen

Standort Schweiz: Präzision aus Tradition
Von der Liebe zum Detail und dem Blick für Innovationen

Ob beim Mischen und Verpacken von Kräuterbonbons oder beim Herstellen von hochsensiblen Herzschrittmachern: Präzision hat in der Schweiz Tradition. Aber auch das Tüfteln liegt den Eidgenossen im Blut.

Eher zufällig wurde Mitte der 90er-Jahre in der Schweiz die Wood-Welding-Technologie erfunden. Sie ermöglicht es, Schrauben unlösbar mit Holz zu verbinden. Das Verfahren nutzt dazu Ultraschallenergie: Durch die Ultraschallvibrationen wird das thermoplastische Verbindungselement verflüssigt, und es dringt unter geringem Druckaufwand in das poröse Material ein. Innerhalb weniger Sekunden nach Abkühlung des Thermoplastes erhält man eine stabile Verbindung. Vorteile des Verfahrens sind im Wesentlichen die kurzen Prozesszeiten und eine sofortige Stabilität. Ideale Voraussetzungen für den Einsatz in der Medizintechnik. Hier wird das Verfahren zwischenzeitlich zur Fixierung von Knochen und Implantaten eingesetzt. 2006 erhielt die schweizerische WW Technology AG aus Schlieren für die Technologie-Plattform den Swiss Economic Award und ist seither in der Branche bekannt.

Die deutsche KLS-Martin-Gruppe hat inzwischen für ihr auf Basis der Wood-Welding-Technologie entwickeltes SonicWeld Rx-System zur Fixierung von Knochenteilen in der Schädelchirurgie sowohl die Freigabe der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA als auch die europäische CE-Zertifizierung erhalten. Weiteres Potenzial für Wood-Welding bieten detailgenaue Verbindungen in der Orthopädie und in der Zahntechnik.
Die Liebe zum Detail prädestiniert die Schweizer Unternehmen und Forschungseinrichtungen für die Herstellung innovativer Produkte und Geräte, die heute weltweit in der Medizintechnik eingesetzt werden. Hervorgegangen aus der Präzisions- und Uhrenindustrie, hat sich die Medizintechnik zu einer der bedeutendsten Branchen im Alpenland entwickelt. Sie umfasst Unternehmen im Sektor medizinische Instrumente und Pharma. Heute genießt die Schweiz nicht nur als Produktionsstandort für Präzisionsuhren, sondern auch für medizintechnische Leistungen Weltruf. Knapp 300 Unternehmen stellen eigene Produkte her. Vor allem bei Implantaten, Hörgeräten, diagnostischen Messgeräten und Systemen für die Chirurgie sind die Schweizer Medizintechniker führend.
Den Herzschrittmacher hat zwar der Schwede Prof. Ake Senning erfunden, doch seit er 1961 in Zürich impantiert wurde, haben die Schweizer auf dem Gebiet der Herzschrittmacher eine Vorreiterrolle übernommen. Bereits 1981 wurde die Arbeitsgruppe Herzschrittmacher der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie gegründet, mit dem Ziel, die Problemlösungen zwischen den einzelnen Implantationszentren und der Defibrillatorbehandlung in der Schweiz zu koordinieren. Die Zusammenarbeit mit Industriepartnern wie Bard Medica, Biotronik, Johnson & Johnson Medical, Medtronik und Sorin hat sich nach Ansicht von Prof. Dr. Urs Bauersfeld, Präsident der Arbeitsgruppe, bewährt. „Unsere Herzschrittmacher werden heute auf der ganzen Welt implantiert.“ Die präzise Arbeit der Zulieferbetriebe habe daran einen entscheidenden Anteil.
Auch in anderen medizintechnischen Bereichen ist ihr Know-how gefragt. So wundert es nicht, dass ihre Dichte in dem kleinen Bundesstaat außergewöhnlich hoch ist: Zur Branche gehören neben den 300 Unternehmen der Medizintechnik rund 200 Zulieferbetriebe. Die Branche beschäftigt nach aktuellen Auswertungen insgesamt 40 000 Mitarbeiter, die hauptsächlich in den Zentren Bern, Basel und Zürich sowie in der Westschweiz angesiedelt sind. Nach Angaben der Bundesagentur für Außenwirtschaft e.V. (Bfai) beschäftigen in Europa nur Deutschland und Großbritannien mehr Arbeitnehmer in dieser Wachstumsbranche.
Auch die Investitionen in Forschung und Entwicklung sind überdurchschnittlich hoch: Zwischen 500 und 600 Mio. sfr fließen laut Fasmed, dem Dachverband der Schweizerischen Handels- und Industrievereinigungen der Medizinaltechnik in Muri bei Bern, jährlich in diesen Bereich.
Der Medtech-Markt in der Schweiz boomt – und erwirtschaftet über 6 Mrd. sfr Gesamtumsatz pro Jahr. Die Nachfrage nach Medizintechnik aus der Schweiz ist hoch – und wird nach Ansicht von Dr. Melchior Buchs, Generalsekretär des Fasmed, weiter wachsen. „Wir exportieren heute rund 95 % unserer Medizinprodukte,“ erläutert Dr. Buchs, „deshalb müssen wir Sorge tragen, dass die Schweiz als Produktionsstandort stark bleibt.“ Dazu trägt seiner Meinung nach „der verhältnismäßig rasche Zugang zu Produkt- und Leistungsinnovationen“ bei. Wie in anderen Hightech-Branchen sieht Buchs auch den Mangel an guten Ingenieuren als Problem für den Schweizer Medtec-Markt. „Wir müssen im Ausbildungsbereich an Hochschulen und Fachhochschulen in Zukunft noch aktiver werden.“ Dies seien zwei der wichtigsten Rahmenbedingungen des Standortes Schweiz, die der Branchenverband vorantreiben will. Der Fasmed wurde 2000 durch die Organisationen Asmed (Vereinigung Schweizer Lieferanten von Medical Produkten) und FAS (Verband Schweizerischer Firmen für Arzt- und Spitalbedarf) gegründet. Er vertritt heute 80 bis 90 % der Medizintechnikfirmen und ist aktuell unterteilt in die Sektionen Implantate, Medizinische Investitionsgüter, Medizinische Verbrauchsgüter und Rehabilitation. Alle Mitglieder halten sich dabei an den „Code of Business Conduct“, der ethische Grundsätze betreffend die Geschäftspraxis und den Umgang mit anderen Partnern im Gesundheitswesen festlegt.
Die Kölner Bundesagentur sieht die Schweizer Gesundheitbranche auch als interessanten Markt für deutsche Unternehmen. Die Schweiz verfüge über eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP betrage etwa 11 %. Da mit zunehmendem Alter die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen zunimmt, werde auch die Nachfrage nach Medizintechnik in den nächsten Jahren steigen, zumal die Bevölkerung der Eidgenossenschaft einer Umfrage des Verbandes Interpharma zufolge nicht bereit ist, die Kosten zu Lasten der Qualität des Gesundheitswesens zu senken, so die Bfai. Deshalb könnten auch deutsche Hersteller von den hohen Anforderungen der Schweizer an ihre Gesundheitsversorgung profitieren.
Der Wert der Inlandsnachfrage dürfte den Bfai-Berechnungen zufolge 2007 bei 5 Mrd. sfr gelegen haben. In Zukunft wird die Nachfrage nach Angabe von Beobachtern vermutlich um 4 bis 6 % pro Jahr wachsen. Besonders gute Marktchancen sehen Branchenkenner für fortgeschrittene Diagnosesysteme, Monitoring und Intensivpflegeausrüstungen, Computersoftware, Kardiologie-Ausrüstungen, orthopädische Geräte, klinische Laborausrüstungen, In-vitro-Diagnosegeräte, qualitative Heimpflege- und Reha-Ausrüstungen sowie chirurgische Verbrauchsgüter. Der Import von Medizintechnik erhöhte sich 2007 gegenüber 2006 um knapp 16 % auf 2,6 Mrd. US-$. Produkte aus Deutschalnd erreichten mit etwa 0,7 Mrd. US-$ einen Importanteil von 26,4 %. Hohe Importanteile verzeichnete Deutschland laut Bfai bei Medizinmöbeln (65 %), bei Röntgenapparaten (42 %) sowie bei Spritzen, Nadeln und Kathetern (35 %). Auch im Export ist Deutschland ein starker Partner: Etwa ein Fünftel der Produkte im Wert von rund 6,8 Mrd. US-$ wurde auf dem deutschen Markt abgesetzt. Etwa zwei Drittel der Ausfuhren entfielen auf orthopädische Apparate vor Spritzen, Nadeln und Kathetern.
Die Erfolge der Schweizer Firmen sind nicht zuletzt auch in der Cluster-Struktur begründet, die eine Zusammenarbeit zwischen Industrie, Wissenschaft und Anwender ermöglicht und in der Schweiz einen hohen Stellenwert besitzt. So bestehen in den jeweiligen Clustern geografisch konzentriert intensive Verflechtungen zwischen Unternehmen untereinander sowie mit wissenschaftlichen Institutionen.
Die Biotechnologie und die Medizintechnik sind zwei der fünf Schweizer Cluster. Sie sind hauptsächlich in fünf Regionen angesiedelt: im BioValley um die Stadt Basel, im Medizinal-Cluster Bern mit Bern, Biel, Solothurn und Neuchâtel als Zentren, im Zurich Mednet mit Zürich, Zug, Luzern, Schaffhausen, St. Gallen als bedeutende Städte, in den BioAlps mit dem Zentrum Genfer See sowie im Biopolo Ticino mit den Zentren Lugano, Locarno, Varese und Bellinzona.
Schweizer Medtech-Produkte werden in die ganze Welt exportiert
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