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Viele Millionen Schritte weit

Prothesenfertigung: Koordinatenmessgeräte sichern die Qualität für ein selbstbestimmtes Leben
Viele Millionen Schritte weit

Der isländische Hersteller Össur ermöglicht mit seinen Hightech-Prothesen ein Leben ohne Einschränkungen. Um die Qualität der hochkomplexen Prothesen sicherzustellen, verwendet das Unternehmen produktionsbegleitend zwei Koordinatenmessgeräte von Zeiss.

Reykjavik, Island. 400 Menschen arbeiten in der nördlichsten Hauptstadt der Welt daran, das Leben von Menschen weltweit barrierefrei zu machen. Einer von ihnen ist Lukas Kalemba, ein schlanker, sportlicher Mann, der mit 19 Jahren sein linkes Bein verlor. Der 29-jährige Deutsche bewegt sich jedoch ohne Einschränkungen. Kalemba, dessen Welt mit dem Unfall vor zehn Jahren zusammenbrach, steht heute mit beiden Beinen im Leben: „Meine Prothese hat mir ein Stück meiner Lebensqualität zurückgegeben.“ Unter seinem linkem Hosenbein verbirgt sich ein Mini-Computer in einem Aluminium-Rahmen mit Plastikverschalung. Er ist über eine Metallröhre mit dem künstlichen Fuß aus zwei verschraubten Karbonplatten verbunden. Über den verbleibenden Oberschenkel oberhalb der Amputation hat Kalemba eine Art Silikonstrumpf gezogen. Dieser schützt sein Bein und stellt über eine Steckverbindung den direkten Kontakt zur Prothese her. Durch einen Computer und eine Flüssigkeit, die auf elektrische Impulse hin zähflüssig wird, reagiert das Bein automatisch auf Bewegungen: Es rastet ein und stützt, wenn Kalemba es beim Stehen stärker belastet und passt sich beim Gehen an die natürliche Bewegung an. Zur Weiterentwicklung dieser Technologie trägt der junge Deutsche inzwischen aktiv bei: Bei Össur, dem Hersteller seiner Prothese, arbeitet er als Orthopädietechniker und Testperson.

Fast eine Million Schritte weit muss eine Beinprothese den Körper im Schnitt pro Jahr tragen. Damit sie diesem Anspruch sicher und komfortabel gerecht wird, muss jede einzelne Komponente halten, was die Konstruktion verlangt. „Unsere Teile müssen klein und leicht, aber gleichzeitig sehr stark und beständig sein, das lässt uns wenig Raum für Abweichungen“, erklärt Ásgeir Páll Gústafsson, Qualitätsmanager und Experte für Koordinatenmessmaschinen bei Össur.
Bei 10 µm liegen beispielsweise die Toleranzen einiger Teile für ein computergesteuertes Knie. Um deren Einhaltung sicher zu stellen, benötigt die Qualitätssicherung genaue Messinstrumente. Diese müssen zudem in der Lage sein, die komplexen Geometrien korrekt abzubilden. Deshalb übernehmen zwei Koordinatenmessgeräte von Zeiss im produktionsnahen Messraum die fertigungsbegleitenden Stichprobenmessungen.
„Wenn alle Maschinen in der Produktion laufen, messen wir mindestens siebzehn unterschiedliche Teile pro Stunde“, sagt Gústafsson. Die Messungen startet der jeweilige Maschinenbediener per Knopfdruck. Messtechniker Gústafsson und seine Kollegin bereiten die dafür notwendigen Messprogramme und Aufnahmevorrichtungen so vor, dass es für die Kollegen einfach ist, ihre Werkstücke richtig auf der Koordinatenmessmaschine zu platzieren und das entsprechende Messprogramm zu wählen. Der Tastsensor scannt dann automatisch das Werkstück und ermittelt die Form- und Lagedaten.
Messungen mit Handmessmitteln dagegen reduziert Össur mehr und mehr. „Das Hauptproblem bei manuellen Messungen ist das, was wir als Error 45 bezeichnen: der menschliche Bedienungsfehler“, sagt Gústafsson. „Zudem brauchen sie Zeit, die man nicht zugleich für etwas anderes nutzen kann.“ Vor zehn Jahren sah das noch ganz anders aus. Bevor Össur 2004 das Koordinatenmessgerät Zeiss Contura anschaffte, konnte das Unternehmen geometrisch anspruchsvolle Teile gar nicht messen. Komplexe Kniekomponenten mit gewölbter Oberfläche zum Beispiel kaufte Össur daher zu. Um auch optisch messen zu können, hat das Unternehmen zudem das Multisensormessgerät Zeiss O-Inspect im Einsatz.
Als Hersteller medizinischer Produkte stellt das Unternehmen die Nachverfolgbarkeit seiner Messdaten nach ISO 13485 sicher, bis vor einem halben Jahr noch in Excel-Tabellen. Um die Masse an Daten für die Qualitätssteigerung zu nutzen, führte Össur Zeiss PiWeb ein, eine Software, die Qualitäts- und Prozessdaten in Echtzeit analysiert, auswertet und grafisch darstellt.
Letztlich zahlt dies erheblich auf das Qualitätskonto des Unternehmens ein. Qualität, die am Ende dazu führt, dass Menschen wie Lukas Kalemba sich in ihrem Alltag bewegen können wie auf zwei gesunden Beinen. su

Össur aus Island
Össur Kristinsson, ein junger Isländer, war mit seiner schwerfälligen Beinprothese unzufrieden und suchte nach einer besseren Lösung. 1971 gründete er in Reykjavik eine kleine Werkstatt und erfand bald darauf den Silikonliner, eine neuartige Verbindung zwischen Körper und Prothese. Innerhalb von zwei Jahrzehnten ging aus der Werkstatt ein an der Kopenhagener Börse notiertes Unternehmen mit derzeit rund 2300 Mitarbeitern hervor. Von weltweit 18 Standorten aus entwickelt, fertigt und vertreibt es heute Prothesen für Amputierte und orthopädische Produkte für Menschen, die an Arthrose leiden oder sich von Verletzungen erholen.

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