In der EU ist die Medizintechnik vom Stoffverbot RoHS ausgenommen. Wer exportiert, sollte die Grenz- werte trotzdem beachten, rät Technologie-Experte Dr. Joachim Giesekus vom Spectaris-Verband.
Herr Dr. Giesekus, warum ist das Stoffverbot RoHS ein Aufreger für die Medizintechnik-Branche?
Seit Sommer 2006 gilt in der EU das Stoffverbot RoHS, das für Blei, Cadmium, Chrom-VI und Quecksilber in Elektrogeräten sehr niedrige Grenzwerte vorschreibt und Hersteller von Unterhaltungselektronik und weißer Ware zum Umdenken zwingt. Die Medizinprodukte sind davon bis 2010 ausgenommen. China hat allerdings im März bekanntgegeben, dass auch dort Stoffverbote kommen. Die chinesische Vorschrift lehnt sich an die EU-Grenzwerte an, kennt aber keine Ausnahmen und wird schon ab März 2007 Maschinenbau und Medizintechnik betreffen.
Was bedeutet das für die Hersteller von Medizingeräten?
Ein Medizinprodukt, das den Grenzwerten nicht entspricht, darf so nicht nach China exportiert werden. Veränderungen am Produkt erfordern aber eine Neuzulassung für den chinesischen Markt, und allein dieses Verfahren dauert etwa drei Jahre. Im schlimmsten Fall haben also Unternehmen mit viel Geld und Geduld gute Geschäftskontakte aufgebaut und können nun nicht davon profitieren.
Lohnt sich eine Orientierung am chinesischen Markt schon?
Derzeit wächst der chinesische Markt für Medizintechnik mit Raten von rund 20 Prozent. Für High-Tech-Anbieter ist das sehr interessant.
Was empfehlen Sie den Herstellern?
Wer neue Geräte entwickelt, sollte sich nicht auf Ausnahmeregeln verlassen, die für die Medizintechnik in der EU gelten, sondern von vornherein global denken und auf gefährliche Stoffe verzichten.
Gibt es denn geeignete Ersatzstoffe?
In manchen Fällen geht es wohl nicht ohne die verbotenen Stoffe. Gerade zugekaufte Elektronikbauteile enthalten in der Regel Blei als Lot und sind kaum zu ersetzen. Oft lässt sich aber ein schadstofffreies Produkt bauen, wenn man bereit ist, die Gesamtkonzeption zu ändern.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Im Operationssaal werden Geräte mit Bleigewichten austariert. Jedes andere Material würde mehr Bauraum erfordern, was bei der Enge nicht in Frage kommt. Wenn ein Hersteller für das gesamte Gerät Leichtbauwerkstoffe einsetzt, lässt es sich mit weniger Masse, also auch ohne Blei, im Gleichgewicht halten.
Ist damit zu rechnen, dass sich die Regelungen auch in der EU ändern?
Die Ausnahmeregelung für die Medizintechnik hat bis 2010 Bestand. Dann wird auf Basis einer technologischen Studie in einem Review-Verfahren erneut entschieden, ob Sonderregelungen für die Branche erforderlich sind. Dieser Prozess wiederholt sich alle vier Jahre. Auf lange Sicht ist allerdings davon auszugehen, dass die generelle Ausnahme abgeschafft wird und Unternehmen eine Sonderregelung für ihren Einzelfall begründen müssen.
Wie können sich die Hersteller darauf vorbereiten?
Es ist sinnvoll, in der Entwicklungsphase alle Tests zu dokumentieren, mit denen sich belegen lässt, dass es zu Blei oder einem anderen verbotenen Stoff keine sinnvolle Alternative gibt. Generell kann man sich bei allen Überlegungen nach den Vorgaben der EU-RoHS-Vorschriften richten, denn andere Länder – wie auch China – orientieren sich im Moment an diesen Grenzwerten. Wer die EU-RoHS erfüllt, kommt also überall durch.
Wofür sind die Dokumentationen wichtig?
Wer die Probleme schriftlich im Detail ausführt, findet manchmal noch eine Alternative ohne Schadstoff. Und falls es nachweislich keine andere Lösung gibt, könnte die Dokumentation vielleicht dazu beitragen, dass strenge Regeln selbst in China gelockert werden und eine politische Lösung gefunden wird, um die medizinische Versorgung von Patienten mit einem unverzichtbaren Gerät sicherzustellen.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen Der Verband Spectaris plant Veranstaltungen zu „Neuen Stoffverboten in der EU und China“ Termine unter: www.spectaris.de
Stoffverbote weltweit
Die Umsetzung der RoHS-Verordnung (Restriction of Hazardous Substances) betrifft derzeit die EU-Staaten und wurde in Deutschland im Juli wirksam. Ähnliche Verordnungen oder freiwillige Verpflichtungen setzen aber auch andere Länder in Kraft.
In Japan reduzieren Hersteller den Bleianteil in ihren Produkten nach Angaben von Spectaris schon seit knapp vier Jahren. Auch in den USA hat der Staat Kalifornien Gesetze verabschiedet, die in etwa dem Zeitplan der EU entsprechen. Schon zum 1. März 2007 soll in China eine Verordnung gelten, die mit den Grenzwerten der EU arbeitet, aber von Anfang an die Medizinprodukte und andere Investitionsgüter einschließt. Weitere Informationen: www.chinarohs.com
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