Startseite » Allgemein »

Trittbrettfahrer ausgebremst

Verpackungsverordnung: 5. Novelle stärkt Duale Systeme und ermöglicht Branchenlösungen
Trittbrettfahrer ausgebremst

Es geht auch ohne Grünen Punkt: Ab Januar 2009 brauchen Hersteller ihre lizenzierten Verkaufsverpackungen für private Endverbraucher nicht mehr extra zu kennzeichnen – die müssen sie dann ohnehin über ein Duales System entsorgen lassen. Als Ausnahme sind Branchenlösungen möglich.

Trittbrettfahrer auszubremsen – das ist ein wichtiges Ziel der 5. Novelle der Verpackungsverordnung, die im Wesentlichen am 1. Januar 2009 in Kraft tritt. Schon bisher waren Hersteller verpflichtet, Verkaufsverpackungen kostenlos zurückzunehmen, wenn diese beim so genannten „privaten Endverbraucher“ anfallen – das heißt bei Privathaushalten oder vergleichbaren Anfallstellen. Dabei standen ihnen zwei Alternativen zur Wahl: Sie konnten sich entweder für eine Selbstentsorgerlösung entscheiden oder an einem Dualen System beteiligen.

Diese Wahlmöglichkeit fällt jetzt erst einmal weg. Mit der Pflicht zur Teilnahme an einem oder mehreren der mittlerweile acht konkurrierenden anerkannten Dualen Systeme wird nun die Dunkelzone beleuchtet, in der sich jene bewegten, die darauf zählten, dass ihre Verpackungen sowieso im Gelben Sack oder der Gelben Tonne landen – auch ohne dass sie für Rücknahme und Wiederverwertung bezahlen. Immer weniger Verpackungen würden bei Dualen Systemen angemeldet, beklagte etwa die Duales System Deutschland GmbH im vergangenen Frühjahr eine deutliche Abnahme der Entsorgungsmoral. Dies zeige, dass die Novelle notwendig sei.
Krankenhäuser zählen zu den Anfallstellen, die dem privaten Endverbraucher gleichgestellt sind – ein wichtiger Punkt für die Medizintechnik-Branche. Die befürchtete nämlich nach den ersten Entwürfen für die Novelle, dass Krankenhäuser künftig nicht mehr wie private Endverbraucher behandelt würden und Verpackungen folglich nicht länger über das Duale System entsorgen könnten. „Dieser Weg ist jetzt weiterhin offen“, sagt Elke Vogt, Leiterin des Referats Verbraucherschutz/Medizintechnik beim Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) in Berlin. Sie erinnert daran, dass bei der ersten Verabschiedung der Verpackungsverordnung 1991 eine Entsorgung der Medizintechnik-Verpackungen über den Grünen Punkt überhaupt erst nach einer ganzen Reihe von Diskussionen und Treffen mit Vertretern von Umwelt- und Gesundheitsministerium möglich geworden sei.
Neben der Pflicht zur Teilnahme an einem der Dualen Systeme soll eine weitere gesetzliche Neuerung mehr Transparenz bei der Entsorgung bringen. Wer Verpackungen erstmals in Verkehr bringt – also der Hersteller oder Vertreiber –, hat künftig auch genau darzulegen, wie viel von welchem Material bei privaten und gewerblichen Endverbrauchern anfällt und an welchen Entsorgungssystemen er sich beteiligt. Dies verlangt eine so genannte Vollständigkeitserklärung. Sie muss von einem Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, vereidigten Buchprüfer oder unabhängigen Sachverständigen geprüft und jeweils bis zum 1. Mai des folgenden Jahres bei der örtlichen Industrie- und Handelskammer (IHK) elektronisch hinterlegt werden. Name und Anschrift der Unternehmen werden dann im Internet veröffentlicht.
Keine Regel ohne Ausnahme: Das gilt auch für die Neuerungen der Verpackungsverordnung. So müssen Hersteller und Vertreiber befüllter Verkaufsverpackungen nur dann eine Vollständigkeitserklärung abgeben, wenn bestimmte Jahresmengen überschritten werden. Die Grenzen wurden auf 80 t bei Glas, 50 t bei Papier, Pappe und Karton sowie 30 t bei Leichtstoffverpackungen festgelegt. Zu beachten sei jedoch – so informiert das Duale System Zentek – dass grundsätzlich jedes Unternehmen eine Vollständigkeitserklärung erstellen müsse: Nur bestehe für Mengen unterhalb der Bagatellgrenzen keine Prüf- und Hinterlegungspflicht. Behörden können jedoch immer die Abgabe einer solchen Erklärung verlangen.
Auch die Wahlmöglichkeit zwischen Selbstentsorgerlösung und Dualem System bleibt im Grunde genommen erhalten, wie in § 6 der Novelle festgehalten ist. Werden die leeren Verkaufsverpackungen regelmäßig kostenlos am Ort der Übergabe zurückgenommen und nachweislich der Verwertung zugeführt, erhalten die Vertreiber die Entgelte zurück, die sie dafür an ein Duales System bezahlt haben. Zudem können Verpackungen, die bei einer dem privaten Haushalt gleichgestellten Anfallstelle – neben Krankenhäusern etwa Arztpraxen oder Pflegeeinrichtungen – gesammelt werden, auch einer branchenbezogenen Lösung zugeführt werden.
Diese Branchenentsorgung ist eine Alternative, die gerade auch für Hersteller von Medizintechnik interessant ist. Wenn sie sich an einem solchen System beteiligen, müssen sie die entsprechenden Verpackungsmengen nicht bei einem Dualen System lizenzieren. Voraussetzungen für eine solche Branchenlösung sind unter anderem branchenbezogene Erfassungsstrukturen je Bundesland und eine regelmäßige kostenlose Rückgabemöglichkeit. Branchenübergreifende Lösungen sind nicht möglich.
„Der Knackpunkt ist jetzt: Zu welchem Prozentsatz kann man in ein Branchensystem gehen und zu welchem Prozentsatz muss man in die Dualen Systeme“, erklärt Karsten Hellmuth, Umweltrechtsexperte bei der B. Braun Melsungen AG (Interview S. 74). Grundsätzlich seien verschiedene Möglichkeiten denkbar. Zum einen könnten Hersteller aufgrund ihrer Vertriebsstrukturen sagen, welche Verpackungen an private Haushalte gehen und welche in der Branche anfallen. Wo dies nicht möglich sei, könne auf bundesweit einheitliche Zahlen zurückgegriffen werden. Manche Systemanbieter gäben die Zahlen auch vor. „Die Vfw GmbH beispielsweise greift nur auf ihre intern ermittelten Erfahrungswerte zurück“, sagt Karsten Hellmuth. Unternehmensspezifische Regelungen mit anderen Systemanbietern müssten dann nachgewiesen und ausgehandelt werden.
„Das Ganze ist eigentlich eine große Rechengeschichte, weil die Anteile bundesweit irgendwie flächendeckend aufgerechnet werden müssen“, erklärt Elke Vogt. Unmittelbar nachdem die Novelle im April verkündet wurde und zu Teilen in Kraft trat, informierte die BVMed-Expertin bei einem MedInform-Workshop über Umweltauflagen für die Branche, darunter auch über die Neuerungen bei der Verpackungsverordnung, die Karsten Hellmuth detailliert darstellte.
Doch noch immer bleiben offene Fragen, gerade auch aufgrund der verschiedenen Möglichkeiten. Duales System oder Branchenkonzept – und mit welchem Partner? „Im Moment ist alles noch ein bisschen in der Findungsphase“, meint Elke Vogt. Die Auswirkungen seien für sie momentan noch nicht überschaubar, alles müsse sich erst konsolidieren. „Wir haben bestimmt mittlerweile schon fünf Angebote vorliegen und es kommen noch mehr herein“, sagt Karsten Hellmuth: „Wir wissen jetzt noch nicht, wer die beste Lösung bietet.“
Bettina Gonser Freie Journalistin in Stuttgart
Für Bagatellmengen gibt es keine Hinterlegungspflicht

Verkaufsverpackungen
Die 5. Novelle der Verpackungsverordnung tritt am 1. Januar 2009 in Kraft, mit Ausnahme der Neuregelungen zur Vollständigkeitserklärung: Diese gelten bereits seit April 2008. Zum 1. Mai 2009 müssen dann erstmals die Erklärungen für den Zeitraum von April bis Dezember 2008 abgegeben werden. Im Mittelpunkt der Novelle steht die Entsorgung von Verkaufsverpackungen, die beim privaten Endverbraucher anfallen, wozu ausdrücklich auch Krankenhäuser gezählt werden. Unter Verkaufsverpackungen versteht man Behältnisse und Umhüllungen wie Beutel, Flaschen oder Schachteln, die als eine Verkaufseinheit mit der Ware angeboten werden. Nicht geändert wurden dagegen die Regelungen für Transportverpackungen sowie Umverpackungen – etwa die Schachtel für die Zahnpastatube, die wiederum eine Verkaufsverpackung ist. Auch bei der Rücknahme von Verkaufsverpackungen für gewerbliche Endverbraucher bleibt alles beim Alten.

Ihr Stichwort
Aktuelle Ausgabe
Titelbild medizin technik 2
Ausgabe
2.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Titelthema: PFAS

Medizintechnik ohne PFAS: Suche nach sinnvollem Ersatz

Alle Webinare & Webcasts

Webinare aller unserer Industrieseiten

Aktuelles Webinar

Multiphysik-Simulation

Medizintechnik: Multiphysik-Simulation

Whitepaper

Whitepaper aller unserer Industrieseiten


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de