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Sicher in Knochen und Bauch

Kunststoffe: Hohe Anforderungen für den medizinischen Einsatz
Sicher in Knochen und Bauch

Kunststoffe für medizinische Anwendungen müssen eine Reihe von zusätzlichen Anforderungen erfüllen. Biokompatibilität, Sterilisierbarkeit oder Langzeitstabilität in vivo sind nur einige der wichtigen Faktoren für den klinischen Einsatz.

In keiner anderen Branche nehmen die Sicherheit, die Zuverlässigkeit der eingesetzten Werkstoffe, das Herstellungsverfahren und die Gebrauchsfähigkeit des erzeugten Produkts einen vergleichbar hohen Stellenwert ein wie in der Medizintechnik. Damit einher gehen auch besondere Anforderungen an die Maschinentechnik, da mitunter eine Fertigung unter Reinraumbedingungen notwenig ist.

Ein Beispiel ist die Fertigung eines Kunststoff-Behälters für injizierbare Präparate in der pharmazeutischen Industrie. Dieser Behälter soll Vorteile in der Handhabung und beim Befüllen bringen und Verluste durch Glasbruch reduzieren. Der Behälter aus COC (Cycloolefin-Copolymer) mit einem Stopfen aus TPE (Thermoplastisches Elastomer) soll als gebrauchsfertiger Behälter, also partikelfrei und steril, verkauft werden. Dafür musste eine effiziente Reinraumfertigung in der Reinraumklasse 5 realisiert werden, das heißt vollautomatische Produktion, Montage und Verschluss des Behälters unter Reinraumbedingungen. Ziel war weiterhin die Eliminierung von zusätzlichen Reinigungsschritten des Behälters und Sicherstellung geringster Kontaminierung im Inneren.
In Partnerschaft mit der Rexam Pharma GmbH, Neuenburg, hat die KraussMaffei Technologies GmbH, München, eine weitgehend automatische Produktion von Behälter und Verschluss mit zwei Spritzgießmaschinen unter Reinraumbedingungen realisiert. Kernelemente der Anlage bilden die Zweiplatten-Spritzgießmaschinen der CX-Baureihe von KraussMaffei. Die freitragende Schließeinheit erlaubt eine effektive Trennung von Wartungs- und Fertigungsebenen mit laminarem Luftstrom vertikal durch die Schließeinheit. Nur die freitragende Schließeinheit taucht in den Reinraum der Klasse 5 ein. Die Plastifiziereinheit sowie die Pumpen und hydraulischen Einheiten befinden sich außerhalb des Reinraums.
Die innovative Lösung von KraussMaffei verkleinert die kostenintensive Reinraumfläche Klasse 5, senkt damit Kosten auf ein Minimum und verschafft Rexam Pharma einen Wettbewerbsvorteil. Es ist nicht mehr notwendig, den Behälter vor dem Befüllen zu reinigen und zu sterilisieren. Dennoch durchlaufen die Behälter trotz des extrem geringen Risikos einer inneren bakteriellen Kontamination eine nachträgliche Gammasterilisation zur Erfüllung der Sterilitätsstandards. Die Behälter verlassen den Reinraum geschlossen und verpackt.
Fortschritte in der Medizintechnik revolutionieren auch Diagnose und Therapie und versprechen damit erhebliche Verbesserungen für die Patienten. Ein interessanter Ansatz ist dabei die Herstellung von Implantaten aus resorbierbaren Polymeren. Diese werden seit mehreren Jahrzehnten im Bereich der Implantologie eingesetzt. Bekannt wurden resorbierbare Kunststoffe mit dem Aufkommen von chirurgischen Nahtfäden, die sich mit der Zeit und gewollt selbst auflösen. Diese wurden in den 70er Jahren auf der Basis von synthetisch hergestellten Polyglycoliden und deren Copolymeren produziert. In den folgenden Jahren wurden Implantate wie Platten und Schrauben zur Gewebe- und Knochenfixation aus den gleichen Biomaterialien gefertigt. Diese erfüllten zwar ihre Funktion, jedoch waren die Degradationseigenschaften noch nicht optimal und führten teilweise zu klinischen Problemen. In den 90er Jahren gelang es, erste resorbierbare Implantate zu entwickeln, die bis heute in der Klinik eingesetzt werden.
Eine Materialgruppe, die für resorbierbare Implantate eingesetzt wird, verbirgt sich hinter dem Namen Resomer der Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG. Mit Resomer wird eine Reihe von Polymeren bezeichnet, die auf Basis von Milch- und Glycolsäure hergestellt wird. Homopolymere aus Milchsäure (Polylactide) werden hauptsächlich für die Produktion resorbierbarer, medizinischer Implantate verwendet, wohingegen Copolymere aus Milch- und Glycolsäure hauptsächlich als Rohstoffe für die Herstellung von Depotsystemen zur kontrollierten Freisetzung pharmazeutischer Wirkstoffen dienen.
Ein Produkt, welches das Potenzial zur Verbesserung konventioneller Verfahren im Klinikalltag zeigt, sind die so genannten Herniennetze. Jede fünfte Operation, die weltweit durchgeführt wird, dient der Reparatur eines Leistenbruchs (Leistenhernie). Die größte Gefahr besteht bei allen Hernien darin, dass der Darm am Durchtrittsort in der Bauchdecke, der so genannten Bruchpforte, eingeklemmt wird. Deshalb müssen Hernien operativ verschlossen und der Darm zurückverlagert werden. Dies erfolgt entweder durch eine einfache Naht oder den Einsatz von so genannten Herniennetzen. Vorteile dieser Herniennetze sind die deutlich schonendere Operation und die dauerhafte Stabilisierung im Vergleich zur einfachen Naht. Dem Chirurgen stehen dabei zwei Operationsmethoden zur Auswahl, entweder durch den offenen Bauch oder laparoskopisch. Dabei wird der Darm zurück in den Bauchraum geschoben und die Bruchpforte anschließend mit einem flexiblen Herniennetz verschlossen. Die Poren des Netzes bieten neuem Gewebe ein Gerüst, in das es schnell einwachsen kann. So bildet sich innerhalb von drei bis vier Wochen eine dichte Gewebekapsel, die vollständig mit dem Gewebe der Bauchwand verwächst und sie zusätzlich stabilisiert.
Um den Einsatz von Herniennetzen weiter zu optimieren und Behandlung und Versorgung des Patienten weiter zu verbessern, wird in der Klinik und Poliklinik für Chirurgie der RWTH Aachen aktiv an Fragestellungen wie zum Beispiel der Optimierung von Netzmaterialien zur Vermeidung postoperativer Schmerzen oder Infektionen geforscht.
Prof. Walter Michaeli, Ina Michaelis Institut für Kunststoffverarbeitung in Industrie und Handwerk an der RWTH Aachen

IKV-Fachtagung
Die IKV-Fachtagung „Kunststoffe in der Medizintechnik – Hersteller und Mediziner im Dialog“ des Instituts für Kunststoffverarbeitung (IKV) findet am 16. und 17. September 2009 in Aachen statt. Ein Programmheft der Fachtagung ist dieser Ausgabe beigefügt. Die Fachzeitschrift medizin & technik ist neben Gerresheimer Wilden Partner der Veranstaltung.
Weitere Informationen zum Programm und zur Anmeldung finden Sie unter: www.ikv-aachen.de > Fachtagungen 2009

Ihr Stichwort
• Biokompatibilität
• Sterilisierbarkeit
• Reinraumfertigung • Resorbierbare Implantate • Herniennetze
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