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Schweißen statt Knoten

Laserschweißen: Neues Verfahren für Gewebeverbindungen in der minimal-invasiven Chirurgie
Schweißen statt Knoten

Mit Hilfe eines neuen halbautomatisierten Verfahrens sollen Geweberänder sicher und schnell verbunden werden können. Der Chirurg kann dabei Fäden mit gleicher und vorher definierten Fadenspannung fügen. Die Idee basiert auf dem Prozess des Laserschweißens von Kunststoffen.

Seit der Einführung der minimal-invasiven Chirurgie (MIC) vor knapp 20 Jahren befindet sich diese in einer steten Entwicklung. Eine der größten Herausforderungen bei minimal-invasiven Eingriffen ist das Nähen, das Vereinigen von Gewebe mit Hilfe von Nadel und Faden. Neben dem Durchstechen des Gewebes ist inbesondere das Knüpfen von Knoten problematisch. Neben technischen und handwerklichen Schwierigkeiten, die einem Chirurgen bei Gewebeverbindungen im Inneren des Bauchraums unter endoskopischer Sicht begegnen, gibt es bei jeder Gewebevereinigung typische Probleme, die es zu lösen gilt. So besteht bei zu hoher Nahtspannung die Gefahr einer Ischämie (Minderdurchblutung) oder gar Nekrose (Absterben von Gewebe). Bei zu lockerer Adaptation können Blutungen an den Wundrändern auftreten.

Das korrekte Einstellen der Nahtspannung hängt bisher von der subjektiven Einschätzung und der Erfahrung des Operateurs ab, so dass die resultierenden Nahteigenschaften nicht standardisierbar und kaum reproduzierbar sind. Vor diesem Hintergrund besteht die Forderung nach einem Nähverfahren und einem geeigneten Instrument, das ein schnelles und sicheres Vereinigen von menschlichem Gewebe unter den extremen Bedingungen der MIC ermöglicht. Dieser Herausforderung hat sich ein Konsortium aus Industrie und Forschung im Rahmen des BMWi-geförderten Innonet-Projekts „Die Naht – SafeSuture“ angenommen und ein entsprechendes Verfahren entwickelt.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Chirurg kann mit einem minimal-invasiven Instrument in einem halbautomatisierten Verfahren die Fäden mit vorher definierter Fadenspannung fügen. Das vereinfacht und verkürzt nicht nur den Nähvorgang für den Chirurgen, sondern optimiert die postoperative Wundheilung und begünstigt die Genesung der Patienten.
Die Verfahrensidee basiert auf dem Prozess des Laserschweißens von Kunststoffen, bei dem zwei thermoplastische Fügepartner durch gezielte Einbringung von Laserenergie aufgeschmolzen und vereinigt werden. Im speziellen Fall chirurgischen Nahtmaterials erfordert die dünne und feine Kontur der Fäden, dass dazu ein zusätzliches Element – eine Hülse – als Fügepartner genutzt wird. Für dieses neue Verfahren werden die zwei Fadenenden nach dem Durchstechen des Gewebes außerhalb des Körpers in die Hülse beziehungsweise das entsprechende minimal-invasive Instrument eingelegt, gefasst und gespannt. Durch Herabschieben der Hülse durch den Trokar auf das zu vernähende Gewebe und gleichzeitiges Spannen der Fäden kann eine definierte Spannung in der Naht eingestellt werden. Liegt der gewünschte Spannungszustand vor, wird der Schweißprozess eingeleitet, der beide Fäden mit der Hülse verbindet.
Im bisherigen Verlauf des Projekts ist es gelungen, das Verfahrensprinzip in Prüfstandsversuchen zu verifizieren. Die Hülsengeometrie ist in mehreren Schritten dahingehend optimiert worden, ein leichtgängiges und sicheres Führen der Fäden sowie eine reproduzierbare Verschweißung zu erzielen. Auch die Herausforderung – das Fügen der Fäden unter Spannung – wurde erfolgreich umgesetzt, da durch die gezielte und sehr genau dosierbare Wärmeeinbringung mittels Laserstrahlung ein vollständiges Aufschmelzen der Fäden und ein damit verbundenes Reißen verhindert werden kann.
Die Auswertung von Zugversuchen der am Prüfstand verschweißten Proben hat bisher gezeigt, dass der Schweißprozess in einem großen Prozessfenster stabil durchgeführt werden kann. Bei den Untersuchungen wurden die Einflüsse der Bestrahlungszeit, der Laserenergie und der Hülsengeometrie im Detail beleuchtet und die optimalen Prozessparameter ermittelt. Die optimale Zugkraft auf den Faden konnte in Voruntersuchungen auf einen Bereich zwischen 0 und 5 N eingegrenzt werden. Diese Fadenkräfte dienen als Basis für den Schweißprozess. Hierbei zeigte sich, dass eine Bestrahlungszeit von 0,1 s in einem Leistungsbereich zwischen 10 W und 15 W gleichbleibende Festigkeitswerte der Schweißnaht zwischen 17 N und 20 N liefert. Grenzen des Schweißprozesses liegen oberhalb und unterhalb dieses breiten Prozessfensters. So führt eine zu geringe Energiezufuhr durch zu kleine Laserleistung bei zu kurzer Bestrahlungszeit dazu, dass die Schweißverbindung nicht ausreichend ausgeprägt wird. Die Schweißnahtfestigkeit sinkt dann stark ab. Andererseits führt eine zu große Energieeinbringung durch hohe Laserleistung bei zu langer Bestrahlung dazu, dass der Faden zu stark schmilzt und reißen kann.
Die bisher erzielten Fügeverbindungen zeigen, dass die erreichten Schweißnahtfestigkeiten deutlich oberhalb der Ausreißfestigkeiten der Fäden aus dem Gewebe liegen. Im weiteren Projektverlauf werden die Prozessparameter am Prüfstand verfeinert, um in Abhängigkeit von Faden und Gewebe optimale Prozessfenster zu definieren. Darüber hinaus wird momentan ein minimal-invasives Instrument entwickelt, welches es erlaubt, das Nahtmaterial mit einer definierten Fadenspannung in Vivo zu verschweißen.
Prof. Christian Brecher, Dipl.-Ing. Adrian Schütte, Dipl.-Ing. Nicolas Pyschny Fraunhofer IPT, Aachen
Weitere Informationen www.ipt.fraunhofer.de Adrian Schütte, Tel. (0241) 8904-251 E-Mail: adrian.schuette@ipt.fraunhofer.de

Ihr Stichwort
  • Minimal-invasive Chirurgie
  • Gewebeverbindungen
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  • Nahteigenschaften

  • InnoNet-Projekt: Die Naht
    Mit der Förderung von innovativen Netzwerken – InnoNet – will das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der mittelständischen Unternehmen erhöhen. Ergebnisse der Forschung und Entwicklung sollen schneller ihren Weg in den Markt finden.
    Ziel des Projektes „Die Naht – Mechatronische Instrumente für die komplexe Nahtführung in der minimal-invasiven Chirurgie“ ist die Entwicklung einer automatisierten Nahthilfe für den minimal-invasiven Einsatz. Projektpartner aus den Bereichen Forschung (Fraunhofer IPT und Lehrstuhl für Angewandte Medizintechnik der RWTH Aachen) und Medizintechnikhersteller (Medi-Globe, Sopro-Comeg), Hersteller medizinischer Sensorik und Messtechnik (LEA), Spezialisten für medizinisches Nahtmaterial (FEG, Ethicon) sowie Endanwender (Universitätsklinikum Aachen) arbeiten gemeinsam an der Umsetzung der Ziele.
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