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Schluss mit Guss

Rapid Manufacturing: Dentaltechnik arbeitet effizienter mit Schichtbauverfahren
Schluss mit Guss

Innerhalb von drei Tagen stellen Sirona-Dentaltechniker metallene Zahnersatzeinheiten über das Direkte Metall- Laser-Sintern (DMLS) her. Auf das Gießen können sie damit verzichten. Interessant wäre das Verfahren auch für die Orthopädietechnik.

Wenn Dr. Günter Saliger zum Zahnarzt geht, kreisen seine Gedanken vermutlich um bessere Prozesse und neue Werkstoffe. Der Physiker arbeitet in der CAD/CAM-Division des Bensheimer Dentaltechnik-Unternehmens Sirona Dental Systems GmbH. Als Leiter des Infinident-Projektes übernehmen Saliger und sein achtköpfiges Team die Funktion der verlängerten Werkbank für Dentallabore in ganz Europa. Bislang produzierten sie Kronen- und Brückengerüste nur aus keramischen Werkstoffen wie etwa Zirkonoxid und Aluminiumoxid.

Neu hinzugekommen ist nun Metall als Werkstoff – ganz ohne Gießen einschließlich der aufwändigen Vor- und Nacharbeiten. „Wir befreien den Zahntechniker quasi vom schmutzigen Teil seiner Arbeit“, freut sich Saliger. Der Techniker müsse sich weder mit dem Anstiften und Einbetten noch mit dem Gießen oder gar dem Ausbetten und Putzen eines Gussrohlings aufhalten. „So kann er sich auf seine Kernkompetenzen konzentrieren, etwa das keramische Verblenden des metallenen Gerüsts“, fährt der Physiker fort.
Das Metallgerüst des Zahnersatzes entsteht im Infinident-Fertigungszentrum mit Hilfe des Direkten Metall-Laser-Sinterns (DMLS). Eine speziell nach den Vorgaben der Dentaltechniker entwickelte Maschine des Typs Eosint M 270 der Kraillinger EOS GmbH verarbeitet dazu eine biokompatible Kobalt-Chrom-Legierung (Incoris NP). Die Steuerungsdaten für das Schichtbauverfahren liefern die Zahntechniklabore mit Hilfe einer Komplettlösung von Sirona. Per 3D-Scanner Ineos digitalisieren sie die Gipsmodelle, die aus den Gebissabdrücken der Patienten entstanden. Im 3D-CAD-Programm Inlab konstruiert der Zahntechniker anschließend das Gerüst für den Zahnersatz und über- trägt die Daten via Internet an das Fertigungszentrum. Hier prüft ein Sirona-Techniker den Datensatz auf Vollständig- keit, bereitet die Daten für das Laser-Sintern vor und schickt sie an die Steuerung der Eosint M 270.
Sind ausreichend Kronen- oder Brückengerüste für eine Charge zusammengestellt, startet der Laser die Produktion. Schicht für Schicht fertigt die Anlage in wenigen Stunden mehrere hundert Zahnersatz-Einheiten aus dem Werkstoffpulver. Die Baugeschwindigkeit liegt bei rund 3 min pro Zahnkrone.
Bis zu 80 000 Einheiten und mehr lassen sich jährlich auf einer Anlage produzieren, wobei das Laser-Sintern Brückengerüste von bis zu sechs Gliedern ermöglicht. Die Lieferzeit ab Auftragsbestätigung liegt bei höchstens drei Tagen.
Unikate gehen jetzt in Serie
„Die Durchlaufzeiten verkürzen sich durch den Einsatz der Laser-Sinter-Technologie auf ein Minimum“, erläutert Infinident-Chef Saliger. „Das ist gleichzusetzen mit einem enormen Produktivitätszuwachs und einem spürbaren Technologieschub für das Dentallabor.“
Zum Vergleich: Während ein routinierter Zahntechniker an einem Arbeitstag etwa zehn Kronen bearbeitet, entstehen in der Laser-Sinter-Anlage viele hundert Gerüste pro Tag – auf stets gleich bleibendem hohen Qualitätsniveau.
Wirtschaftlich gebe es zur Eosint-M-270-Anlage derzeit keine wirkliche Alternative, fährt Saliger fort. Unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit sei das Direkte Metall-Laser-Sintern dem Gießen oder auch der mechanischen Fertigung um Längen voraus. Das nutzbare Volumen der Anlage mit 250 mm x 250 mm x 215 mm bietet ausreichend Raum für den Bau von Hunderten von Zahnkronen und Brückengerüsten in einem Arbeitsgang. Aufgrund der Schichtdicken von nur 20 µm und dem feinen Laserfokus lassen sich selbst filigrane Geometrien und detaillierte Strukturen exakt darstellen.
Die leichte Oberflächenrauheit der Bauteile ist in vielen Fällen von Vorteil. Sie verbessert die Adhäsion zwischen dem Kobalt-Chrom des Zahnersatzgerüstes und der Verblendung aus Keramik.
Das Direkte Metall-Laser-Sintern eignet sich besonders für die Dentaltechnik, da kein Zahnersatz einem anderen gleicht. Die individuellen Bauteile – jedes für sich ein Unikat – lassen sich per DMLS dennoch kostengünstig in Serie fertigen. Auch für viele andere Fachgebiete der Medizin- und Orthopädietechnik dürfte das Verfahren deshalb interessant sein. Welche Rolle es zukünftig spielen wird, hängt in entscheidendem Maße auch von der Entwicklung weiterer Metallwerkstoffe ab. Sie müssen den stets wachsenden Anforderungen an Festigkeit, Temperaturbeständigkeit und Präzision gerecht werden. Auch Edelstahl und Titan lassen sich zukünftig verarbeiten.
Martina Methner EOS, Krailling

Der Anwender
Die 1997 aus der Dentalsparte von Siemens hervorgegangene Sirona Dental Systems GmbH übernahm im Juni 2006 den US-Röntgenspezialisten Schick Technologies, Inc. Seitdem ist die Sirona Dental Systems Inc. an der US-Technologiebörse Nasdaq notiert. Derzeit beschäftigt das Unternehmen rund 1900 Mitarbeiter und liefert CAD/CAM-Systeme zur Herstellung von keramischem und metallenem Zahnersatz. Seit 2004 bietet der Konzern die technologiegestützte Dienstleistung Infinident an und fertigt so Kronen und Brückengerüste im Auftrag der Dentallabore.

Das Verfahren
Laser-Sintern ist ein Schichtbauverfahren, mit dem sich abhängig von Größe und Geometrie kleine bis große Serien wirtschaftlich fertigen lassen. Dichte Bauteile entstehen direkt – also völlig ohne Formwerkzeuge. Im Pulverbett verschmilzt ein gelenkter Laserstrahl schichtweise den Werkstoff. Voraussetzung sind 3D-CAD-Daten, die aus den gängigen CAD-Systemen stammen.

Ihr Stichwort
  • Laser-Sintern von Metallen
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  • Orthopädietechnik
  • Edelstahl / Titan
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