Startseite » Allgemein »

Schlauer als die Gerätesteuerung

Single Board Computer: Leistungsfähige Basis für Gerätedisplays
Schlauer als die Gerätesteuerung

Wenn ein leistungsfähiger Single Board Computer die LCD-Anzeige steuert, kann diese mehr, als Minimalanforderungen zu erfüllen. Selbst Tipps für die Anwendung eines Gerätes kann der Touchscreen an Arzt oder Schwester weitergeben.

Der Fahrkartenautomat am Bahnhof, das Navigationssystem im Auto oder die Kaffeemaschine machen es vor: Ein modernes Gerät soll, bitte, nach einfachem Anklicken mit Finger oder Mauszeiger auf dem Bildschirm tun, was der Nutzer will. Weil sich diese Technik im Alltag durchsetzt, erwarten auch Ärzte, Pfleger oder Physiotherapeuten im medizinischen Umfeld solch komfortable Lösungen. Die Elektronik für so eine Mensch-Maschine-Schnittstelle muss im Hintergrund eine Menge leisten. „Während die Rechenleistung für ein Bedienteil mit Display bis zu 300 Euro kosten kann, liegen die Kosten der Hardware für die Gerätesteuerung selbst – beispielsweise in einem Beatmungsgerät – bei einem Bruchteil dieser Summe“, erläutert Karlheinz Kusch, verantwortlich für den Vertrieb bei der F & S Elektronik Systeme GmbH. Die Stuttgarter haben sich auf Hardware-Lösungen, insbesondere Single Board Computer, für Displays spezialisiert.

Die Gerätesteuerung eines Beatmungsgerätes beispielsweise, erläutert Kusch, müsse nur wenige Parameter wie den Luftstrom messen und mit festen Algorithmen reagieren, um den Patienten mit Sauerstoff zu versorgen. Von der Anzeige erwarte der Arzt, dass sie Konzentrationskurven darstellt, wegen der Übersicht am liebsten mehrfarbig, dass sie einzelne Werte einblendet oder einen Kurvenbereich heranzoomt. Gerade im Medizintechnik-Einsatzfeld stecke in diesem Teil eines Gerätes viel Know-how. „Schließlich muss das Display dazu beitragen, dass jemand im Notfall schnell die richtige Entscheidung fällen und handeln kann“, sagt der Stuttgarter.
Aus diesem Grund widmen Hersteller von Medizingeräten wie die Storz Medical AG im schweizerischen Tägerwilen den Mensch-Maschine-Schnittstellen viel Aufmerksamkeit. Die jüngste Generation ihrer Geräte für die radiale Stoßwellentherapie etwa haben sie mit farbigen Displays inklusive entsprechender Steuerungen ausgestattet. „Wir wollen mit dem MP200 den Ärzten alle Funktionalitäten bieten, die sie von einem modernen Gerät erwarten“, erläutert Alexander Krotz, Product Engineer bei Storz Medical. Mit der Abkehr von der einfachen Digitalanzeige im Vorgängergerät habe das Unternehmen eine Forderung des Marktes umgesetzt. Schließlich seien die Ärzte auch von den Großgeräten entsprechende Anzeige-Formen gewohnt. „Uns kam es aber auch darauf an, mit der neuen Lösung so flexibel wie möglich für weitere Entwicklungen zu sein.“ Neue Handstücke beispielsweise ließen sich einfacher entwickeln, wenn der Anwender sie über einen Touchscreen einstellen könne, als wenn er mit einer Reihe von Schaltern oder Drehknöpfen arbeite.
Weitere Argumente für den Einsatz moderner Anzeige- und zugehöriger Steuerungstechnik waren die Möglichkeit, mit einem flexiblen Display die 23 in der EU verwendeten Sprachen dazustellen, sowie die Rechenleistung der Hardware für zusätzliche Gerätefunktionen zu nutzen. In der Software, die das Display steuert, sind heute beispielsweise schon Indikationen für die Therapie hinterlegt: Das Display zeigt Empfehlungen an, welche Einstellungen erfahrene Ärzte zum Beispiel für die Behandlung von Kalkablagerungen in der Schulter des Patienten vorschlagen. „Das ist natürlich nur eine Einstiegshilfe für Anwender, die das Gerät erst seit kurzem verwenden“, sagt Krotz. Dennoch wüssten Orthopäden wie auch Physiotherapeuten diesen Service zu schätzen.
So wie die Entwickler bei Storz Medical nutzen auch andere Medizingerätehersteller heute Single Board Computer für die Displays in ihren Geräten. Weit mehr als die Hälfte des Umsatzes machen die Stuttgarter Hardware-Hersteller von F&S bereits mit Kunden aus der Medizintechnik-Branche. Neben der Beatmung oder der radialen Stoßwellentherapie werden ihre Single Board Computer unter anderem in der Endoskopie genutzt, für Laseranwendungen im Dentalbereich oder in der augenoptischen Anwendung.
Neben technischen Eigenschaften spiele es gerade für die Medizin-Branche eine Rolle, dass die einmal für ein Gerät eingeplanten Hardware-Komponenten über längere Zeit sicher verfügbar seien, sagt F&S-Geschäftsführer Günther Scholz, der garantiert, dass seine Komponenten fünf Jahre lang im Markt zur Verfügung stehen. Drei Produktfamilien mit unterschiedlicher Rechenleistung haben die Stuttgarter entwickelt und fertigen diese in Deutschland. Auf Wunsch programmieren sie nach den Vorgaben des Pflichtenheftes auch die Anwendersoftware – oftmals nach detaillierten Vorschriften von Designern, die die Funktionen der Displays wiederum mit Ärzten abgestimmt haben.
Die räumliche Nähe und die Unterstützung bei der Entwicklung, die die Schwaben kostenlos anbieten, sieht mancher Medizingerätehersteller in Europa als Vorteil. Storz Medical beispielsweise plant, die Touchscreens für seine MP200-Geräte weiter zu entwickeln, und arbeitet dafür eng mit F&S zusammen. „Die kurze Fahrt nach Stuttgart ist uns lieber als eine Videokonferenz mit Japan“, bestätigt Storz-Medical-Mitarbeiter Krotz. Derzeit arbeiten die Experten beider Unternehmen an einem Startbildschirm für die MP200-Geräte. Dieser soll dem Arzt oder dem Pflegepersonal mit der Anzeige des Firmenlogos schon während des Boot-Vorganges signalisieren, dass das Gerät arbeitet und in Kürze betriebsbereit sei – auch wenn eine Embedded-Lösung die Boot-Phase in 8 bis 10 s viel schneller hinter sich bringe als ein herkömmlicher PC. Diese Funktion geben die Stuttgarter ihren Boards schon bei der Fertigung mit. Ein weiteres „nützliches Paket“, wie die Stuttgarter es nennen, seien Updates per USB-Stick oder der Schutz der Daten im System vor Schäden durch Stromausfall. In der Medizintechnik sei dieses interessant, um eingestellte Parameter für die Therapie zu sichern, selbst wenn ein Anwender das Gerät ausschaltet, bevor der Speichervorgang abgeschlossen war.
Auch Storz Medical will diese Funktion in seine Geräte integrieren – und plant nach den bisher positiven Erfahrungen für die Zukunft weiterhin mit Touchscreens, sagt Storz-Medical-Ingenieur Krotz. Diese hätten nur einen einzigen Nachteil: „Sie bieten so viele Möglichkeiten, dass wir das Gleichgewicht zwischen nützlichen Funktionalitäten und dem Aufwand für die Pflege der Software gut austarieren müssen.“
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de

Radiale Stoßwellentherapie

547147

Stoßwellen werden seit Jahren in Lithotripsie-Geräten verwendet, um Nierensteine zu zertrümmern. Dabei zeigte sich, dass mit Stoßwellen auch Verkalkungen in der Schulter oder Knoten in Muskelsträngen behandelt werden können. Der therapeutische Effekt beruht nach heutigen Erkenntnissen darauf, dass Körperzellen durch die Energie der Wellen zu mehr Stoffwechselaktivität angeregt werden und weiche Kalkablagerungen im Gelenk auflösen.
In Lithotripsie-Geräten erzeugen Spulen unter Hochspannung die akustischen Stoßwellen. Für die Anwendung in der Orthopädie oder in der Physiotherapie – die so genannte radiale Stoßwellentherapie – hat Storz Medical günstigere Praxisgeräte entwickelt, die mit Hilfe von Druckluft die Stoßwellen erzeugen. Die Bedieneinheiten für beide Gerätetypen sind von der Funktionalität und der dahinterliegenden Hardware her ähnlich aufgebaut.

Linux oder Windows CE?
Heute basieren 90 % der Display-Steuerungen, die F&S für die Medizintechnik fertigt, auf dem Betriebssystem Windows CE. „Diese Software hat Microsoft neu programmiert, so dass sie mit dem PC-Betriebssystem nicht zu vergleichen ist“, sagt F&S-Geschäftsführer Günther Scholz. Ihm seien nur Ausfälle durch Fehler in der Anwendersoftware bekannt. Dennoch sei Windows CE in Medizingeräten für die Gerätesteuerung kein Thema: Die möglicherweise lebensrettende Funktion muss zertifiziert werden, und dafür sei Windows CE nicht das richtige System. Für die Zukunft rechnet Scholz damit, dass bei der Display-Steuerung allmählich Linux als Betriebssystem Anteile gewinnt, da die nachwachsende Entwicklergeneration an den Hochschulen damit in engeren Kontakt komme. Technisch und von den Kosten her seien beide Varianten ebenbürtig.

Ihr Stichwort
  • Flexible Gerätedisplays
  • Steuerung via Single Board Computer
  • Zusatzfunktionen
  • Datensicherung
  • USB-Updates
  • Unsere Webinar-Empfehlung
Aktuelle Ausgabe
Titelbild medizin technik 2
Ausgabe
2.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Titelthema: PFAS

Medizintechnik ohne PFAS: Suche nach sinnvollem Ersatz

Alle Webinare & Webcasts

Webinare aller unserer Industrieseiten

Aktuelles Webinar

Multiphysik-Simulation

Medizintechnik: Multiphysik-Simulation

Whitepaper

Whitepaper aller unserer Industrieseiten


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de