Als neulich die Meldung kam, dass Forscher versuchen, die Hirn-Schaltkreise zu verstehen und nachzubauen, haben mein Freund und ich Zuhause erstmal abgeklatscht. „Toll“, sagt er, „vielleicht verstehe ich ja dann auch mal, warum Du manche Dinge machst!“ Toll, denke ich, und vielleicht verstehe ich dann auch mal, warum Du manche Dinge nicht machst.
Grundsätzlich geht es dem Wissenschaftlerteam aus verschiedenen Universitäten und Instituten aber wohl nicht um das Grundverständnis zwischen Männer und Frauen. Vielmehr wollen sie Lern- und Gedächtnisprozesse des menschlichen Gehirns technisch nachbilden. Denn, wenn auch nicht immer nachvollziehbar, ist das Gehirn noch immer in vielen Bereichen der effizienteste Rechner der Welt. Trotz stetig leistungsfähigerer Computer. Das liege daran, dass sich die Informationsverarbeitung jeweils stark unterscheidet. Die Technik trennt Datenspeicherung und Logik streng voneinander und mathematische Probleme werden in kleine logische Schritte unterteilt, die dann möglichst schnell wiederholt abgearbeitet werden, so die Wissenschaftler. Unser Gehirn hingegen erkenne sprachliche und visuelle Muster, führe aber keine genau definierten Rechenschritte durch. Vielmehr „schätze“ es und kann so sich fortlaufend ändernde und teilweise lückenhaft eingehende Informationen verknüpfen.
„Siehst Du“, meine ich zu meinem Freund, „Schätzungen sind das neue Wissen. Und das ist auch gut so. Man kann ja nicht alles planen.“ Immerhin ist ein gigantisches Netzwerk aus etwa 100 Milliarden Neuronen an diesem Vorgang beteiligt, von denen jedes einzelne über 1000 Synapsen mit anderen Neuronen verbunden ist. Nach Angaben der Forscher beruhen Lernen und Gedächtnis darauf, dass sich dieses Netzwerk durch neue Informationen ständig verändert. Hierbei werden Verbindungen über Synapsen gestärkt, andere aber auch geschwächt. Und das führe zu einem weiteren Vorteil biologischer Datenverarbeitung: Das Gehirn ist in der Lage zu abstrahieren und Erfahrungen auf neue Situationen anzuwenden.
Einfach technisch nachbauen lassen sich aber selbst schlichtere neuronale Schaltkreise nicht. Um speziell den trisynaptischen Schaltkreis nachzubilden, will die Forschergruppe neuartige Bauteile, sogenannte memristive Elemente, entwickeln. Diese bieten einen interessanten Ansatz, elektronische Schaltungen aufzubauen, die ihrem biologischen Pendant näher kommen als alles bisher entwickelte.
Dann bleibt uns ja nur noch abzuwarten, bis auch die letzte Hirnwindung bekannt und entschlüsselt ist. Wenn ich aber ganz genau darüber nachdenke, schätze ich, ist’s mir doch lieber, wenn ich nicht alles verstehen muss.
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