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Prototypen in Serienqualität

Produktentwicklung: Prototypverfahren liefert bereits Prozessdaten für Serienfertigung
Prototypen in Serienqualität

Die enge Zusammenarbeit zwischen Entwicklungsfirma und Prototypenhersteller war die Basis für ein erheblich vereinfachtes Produkt. Dessen Serientauglichkeit ließ sich mit vereinfachten Spritzgießformen schnell und kostengünstig überprüfen und korrigieren.

Um rund 80 % reduzierte Herstellungskosten – das ermöglichte die clevere Neukonzeption eines Bioproben-Mixers in der Größe eines Joghurtbechers. Die Basis für die Einsparung war die intensive Zusammenarbeit zwischen einer Technologie- und Beratungsfirma sowie den Fertigungsexperten der Fürther Protoform K. Hofmann GmbH.

Bereits in der frühen Entwicklungsphase erreichte das Engineering-Unternehmen eine deutliche Verbesserung der Konstruktion. Während das Vorgängerprodukt aus acht Teilen zusammengesetzt war, besteht der Nachfolger nur noch aus drei Elementen. Der neue Mixer sollte BSE-Tests in der Lebensmittelprüfung erleichtern und beschleunigen. Um die Gewebeproben zu zerkleinern und mit einer Pufferlösung zu vermischen, rotiert der Rührstab des Einwegprodukts mit 20 000 min-1.
Die Neuentwicklung war erforderlich geworden, weil der Hersteller eine deutliche Kostenersparnis bei höherer Prozesssicherheit und einfacherer Handhabung anstrebte. Eine Vorgabe lautete: Der Rührbecher muss sich leicht mit einer Hand bedienen lassen.
Nachdem der Entwurf abgeschlossen war, wollten die Entwickler wissen, ob sich die Ergebnisse vom CAD-Bildschirm auch in die Praxis übertragen lassen. Hierfür galt es, eine Kleinserie von mindestens 2700 Biomixern möglichst kostengünstig herzustellen. Übliche Prototyp-Verfahren – etwa die Stereolithografie oder das Lasersintern – schieden aus, weil sie nicht genügend Teile aus dem Originalwerkstoff in der zur Verfügung stehenden Zeit und der erforderlichen Qualität liefern konnten, oder weil sie zu aufwendig und teuer waren. Schließlich wandte sich die Engineering-Firma an den Prototypen- und Kleinserienhersteller Protoform. Mit dessen Space Puzzle Molding (SPM) lassen sich die Serienfähigkeit und Machbarkeit eines Produkts lange vor der Serienproduktion prüfen. Das Verfahren liefert serienidentische Kunststoffteile aus Originalmaterial in vergleichsweise kurzer Zeit und zu geringen Kosten. „Im Vergleich zum herkömmlichen Spritzgieß-Werkzeugbau liefert das Space Puzzle Molding für eine begrenzte Anzahl von Teilen funktionsfähige Formen bis zu 50 Prozent schneller und mit bis zu 60 Prozent geringeren Material- und Fertigungskosten“, sagt Wolfgang Tykvart, Leiter des Projekts Biomixer bei Protoform. Möglich ist das durch die minimalisierte, vereinfachte Formenkonstruktion. SPM verzichtet auf komplizierte Formschieber, großformatige Formaufbauten sowie aufwendige Auswerfer und Kühlsysteme. Hinterschneidungen werden durch demontierbare Formeinsätze realisiert. Mit dem Verfahren lassen sich selbst komplizierte Werkstücke herstellen – auch Mehrkomponententeile in Insert-, Outsert oder GID-Technik aus Originalwerkstoffen. Und das, je nach Bedarf, als Unikat, Prototyp oder in Kleinserie. Die Kunststoff-Formteile werden dabei auf normalen Spritzgießmaschinen produziert und anschließend durch die Demontage des Formwerkzeugs außerhalb der Maschine manuell entformt.
Ein Vorteil von SPM-Werkzeugen: Sie können leicht an die während der Versuchsphase gewonnenen Erkenntnisse angepasst werden. So lassen sich beispielsweise das Angusssystem und die Angussführung ohne Probleme ändern sowie Formeinsätze austauschen. Das Verfahren deckt damit nicht nur Konstruktions- und Gestaltungsfehler frühzeitig auf. Es hilft auch, die Angusstechnik zu bestimmen und das Form-Füllverhalten zu beobachten, Einfallstellen am Kunststoffteil und Probleme beim Entformen zu erkennen, Materialpaarungen und Oberflächenbeschaffenheit zu kontrollieren sowie die Schwindung und das Verzugverhalten praktisch zu überprüfen. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen in das Produkt ein und helfen, das Serienwerkzeug entsprechend auszulegen.
Den Biomixer optimierten die Spezialisten von Protoform im ersten Schritt vor allem nach produktionstechnischen Gesichtspunkten. Das besondere Augenmerk lag auf den Fertigungskosten in der Serienproduktion. Durch die enge Zusammenarbeit fanden die Experten der beiden Unternehmen noch Optimierungspotenzial. So erhielt das Unterteil eine Dichtfuge mit Klickfunktion, die verbindet und abdichtet. Am Oberteil wurden Verstärkungen und eine Entlüftung vorgesehen, Hinterschnitte eliminiert sowie der Klappdeckel unverlierbar per Filmscharnier direkt angebunden. Dieses Scharnier gestalteten die Ingenieure so, dass kein zweiter Anspritzpunkt nötig war. Das vereinfachte die Schmelzeführung und reduzierte die Kosten für das Serien-Spritzgießwerkzeug. Der Rührbecher wurde DIN-gerecht strukturiert und mit den notwendigen Entformungsschrägen versehen. Sogar die nötige Entnahmekraft des Handlinggeräts in der späteren Serienfertigung ermittelten die Techniker. In den Spritzversuchen testeten die Spezialisten eine Reihe von Werkstoffen. Letztlich habe sich das Polyamid PA6 GF30/Grillon TSG 30/4 FA am besten bewährt, sagt Tykvart.
Hinsichtlich des Behältermaterials zeigten die Fertigungstests, dass sich das ursprünglich gewählte Material – auch ein Polyamid Grillon – nicht eignet. Beim Entformen im warmen Zustand kam es zu Verwerfungen. Die Entscheidung für Polypropylen Moplen PP RP340N als Alternative bietet eine Reihe von Vorteilen – es ist elastischer, glatter und abweisend für Gewebeproben.
Beim Biomixer-Projekt habe die konstruktive Optimierung wegen der guten Vorarbeit der Produktentwickler nur wenig Zeit in Anspruch genommen, sagt Projektleiter Tykvart. Das gesamte Projekt, einschließlich der Produktion von mehr als 2700 Prototypen, wickelte Protoform in fünf Wochen ab. Den Etat dafür hatte der Engineering-Dienstleister auf 15 000 Euro begrenzt. hw
Scharnier am Deckel ohne zweiten Anspritzpunkt

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