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Passende Kleber von Pflaster bis Fräser

Klebtechnologie: Anwendungen für die Medizintechnik-Branche
Passende Kleber von Pflaster bis Fräser

Ob eine Verbindung das Autoklavieren des Dentalfräsers oder Endoskops übersteht, hängt vom Zusammenspiel der Werkstoffe, Klebstoffe sowie der Technik rund ums Kleben ab. Innovative Lösungen dafür gibt es.

An Klebtechnologien werden in der Medizintechnik besondere Anforderungen gestellt, da Geräte, Implantate oder Pflaster mit dem menschlichen Körper in Kontakt kommen: Die eingesetzten Klebstoffe dürfen keine toxischen Stoffe freisetzen, und sie müssen höchste Reinheitsanforderungen erfüllen.

Klebtechnische Lösungen gibt es jedoch auch für solche Anforderungen. So lassen sich mit spezieller Auftragtechnik und Klebern beispielsweise biokompatible und luftdurchlässige Wirkstoffpflaster herstellen. Sie schleusen Hormone oder Schmerzmittel über die Haut in den Körper und werden mit der ganzen Fläche aufgeklebt.
Die Inatec GmbH in Langenfeld hat für die Herstellung solcher Pflaster eine neue Fertigungslösung gefunden. „Wir können den Wirkstoff direkt in eine selbstklebende Matrix aus warmen flüssigen Polymeren einmischen“, erklärt Inatec-Mitarbeiter Michael Brune. „So lassen sich die Pflaster sehr einfach und preiswert herstellen.“ Sobald Wirkstoff und Matrixklebstoff miteinander vermischt seien, könne dieser Mix wie ein normaler Heißschmelzklebstoff verarbeitet werden.
„Wir benutzen dazu die Rotationstechnik“, sagt Brune. Sie ermögliche einen gleichmäßigen und sehr luftdurchlässigen Auftrag. Ein Rotationsauftrag erfolgt durch einen beheizten Düsenteller mit 16 sternförmig angebrachten Einschraubdüsen. Er wird von der Mitte aus mit dem Kleb-/Wirkstoffgemisch beschickt. Damit man einen gleichmäßigen Auftrag erhält, werden Düsen mit unterschiedlichen Durchmessern eingesetzt. Mit nur einem Düsenteller und 10 verschiedenen Einschraubdüsen können so mehr als 100 verschiedene Auftragsmuster erzeugt werden. Der Düsenteller selbst kann während des Auftrags stufenlos von 100 auf 200 min-1 eingestellt werden.
Wenn es um Klebeaufgaben an medizintechnischen Einwegprodukten wie Spritzen oder Beatmungsmasken geht, die in großen Stückzahlen hergestellt werden, muss die Verbindungstechnik in eine Fertigungslinie integrierbar sein und schnell wirken. Zusammen mit Loctite hat ein amerikanischer Hersteller von Beatmungsmasken eine entsprechende Lösung entwickelt. Sie wird seit einigen Jahren im industriellen Maßstab eingesetzt.
Diese Beatmungsmasken bestehen aus einer flexiblen Gesichtsmaske aus plastifiziertem PVC – einem schwer klebbaren Werkstoff – und einem steifen Nasenteil. Um beide Teile miteinander zu verkleben, benutzten die Entwickler einen einkomponentigen lösungsmittelfreien Klebstoff auf Acrylatbasis. Er wird mit Hilfe von UV-Strahlung ausgehärtet. Die flexible und robuste Verbindung ist gasdicht, so dass bei der Beatmung kein Sauerstoff entweichen kann. Da der Klebstoff in weniger als 5 s aushärtet und er sich mit Hilfe automatischer Dosier- und Aushärtesysteme verarbeiten lässt, konnte die Produktionsgeschwindigkeit wesentlich erhöht werden.
Mehrwegprodukte wie Endoskope oder Dentalfräser wiederum müssen nach jeder Anwendung für 20 min eine Dampfsterilisation bei Temperaturen von über 100 °C und leichtem Überdruck überstehen. Klebtechnische Lösungen für solche Dentalfräser hat beispielsweise die Innovative Klebtechnik Zimmermann (IKTZ) in Jena zusammen mit Partnern aus der Industrie entwickelt.
Die Fräser bestehen aus einem Fräskopf aus Hartmetall und einem Edelstahlträger. Eine Klebverbindung zwischen beiden muss neben der Autoklavierbarkeit auch abriebfest sein und gute chemische Beständigkeit gegenüber dem Milieu im Mund aufweisen. Als Klebstoffe haben sich hierfür ein- und zweikomponentige Epoxidharzklebstoffe bewährt. Vor dem Kleben werden die zu fügenden Flächen einer speziellen Vorbehandlung unterzogen, um die Oberfläche zu aktivieren. Der Klebstoff wird dann mit einer Kartuschenpistole aufgetragen.
Eine ähnliche Vorgehensweise benutzen die IKTZ-Mitarbeiter, wenn das Schauglas eines Endoskops mit einer Metallhülse verklebt werden soll. Das Glas selbst schützt die empfindliche Optik. „In beiden Fällen ist die Klebtechnik preiswerter als die direkte Konkurrenz, das Löten“, erläutert Firmenchefin Edith Zimmermann. Außerdem sei der Wärmeeintrag geringer, da man zum Aushärten des Klebstoffes geringere Temperaturen braucht als beim Löten. „Somit werden die Bauteileigenschaften nicht beeinflusst.“
Verkleben lassen sich auch die Linsen des Endoskop-Objektivs. Es hat einen Durchmesser von nur knapp 2 mm und besteht aus mehreren Linsen aus unterschiedlichen Glasarten. Die Klebeschichten sind gerade einmal 10 µm dick. Während des Autoklavierens sind diese Verbindungen hohen thermomechanischen Belastungen ausgesetzt. Werden sie erwärmt beziehungsweise wieder abgekühlt, entstehen durch die unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten der Gläser Spannungen, die sich auch auf die Klebschichten auswirken. Um Schäden an der Optik zu verhindern, haben Wissenschaftler des Fraunhofer-Institutes für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Bremen einen speziellen Klebprozess entwickelt. Er verbessert die Haltbarkeit des Objektivs, ohne die Dicke der Klebeschicht zu erhöhen. Das Verfahren setzt eine sorgfältige Reinigung und Vorbehandlung der Klebflächen voraus. Darüber hinaus muss der Klebstoff gleichmäßig aushärten. Benutzt man jedoch UV-Licht dafür, wird das Licht von den Linsen unterschiedlich gebündelt beziehungsweise gestreut. So kommt es zum ungleichmäßigen Aushärten. Daher setzen die Bremer Wissenschaftler Klebstoffe ein, die durch eine Kombination von UV-Strahlung und Wärme aushärten. Sie erreichen so, dass nur geringe Eigenspannungen auftreten.
Auch die Wissenschaftler am Institut für Füge- und Schweißtechnik der Technischen Universität Braunschweig arbeiten mit dem Aachener Institut für Bioverfahrenstechnik der RWTH daran, die Lebensdauer der Endoskopoptiken weiter zu erhöhen. Hier werden Versuche an Endoskoplinsen aus Saphir- glas gemacht und Klebstoffe auf Basis von Epoxidharz und Acrylaten verwendet. Um die Adhäsion des Klebstoffes auf der Werkstoffoberfläche und gleichzeitig die Alterungsbeständigkeit der Klebung zu erhöhen, werden die Oberflächen mit MEK gereinigt und mit Plasma vorbehandelt. Dadurch reduziert sich der Wassergehalt auf der Glasoberfläche, und es bildet sich eine definierte chemische Oberflächenstruktur aus.
So ist es den Wissenschaftlern gelungen, Klebverbindungen herzustellen, die selbst nach 800 Autoklavierzyklen kein Versagen durch Alterung zeigten und zusätzlich höhere Druckscherfestigkeiten als Epoxidharzklebungen aufwiesen.
Dr. Barbara Wantzen Fachjournalistin in Ulm

Argumente für die Klebtechnik
Ob in der Medizintechnik, im Automobilbau oder bei Konsumgütern: Klebverbindungen sind heute schon aus vielen Bereichen nicht mehr wegzudenken, denn mit Hilfe des Klebens lassen sich Materialien miteinander verbinden, bei denen andere Fügetechniken versagen.
Klebverbindungen zeichnen sich durch eine gleichmäßige Spannungsverteilung und Kraftübertragung aus. Selbst wenn die Verbindungen warm ausgehärtet werden müssen, wirkt sich das kaum auf die mechanischen und physikalischen Eigenschaften der Fügeteile aus, da die Temperaturen wesentlich niedriger liegen als beispielsweise beim Löten. Außerdem können mit einem ausgleichenden Klebstoffauftrag Toleranzen der Fügeteile überbrückt werden. Heute gibt es viele verschiedene Klebstoffe und -techniken, so dass sich für nahezu jede Anwendung eine entsprechende Lösung finden lässt.

Ihr Stichwort
• Wirkstoff-Klebstoff-Mischung
• Rotationstechnik
• Automatisiertes Kleben • Autoklavierbare Klebverbindung • Spezialkleber für Optiken
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