Erweiterte EU-Vorgaben zur Sicherheit von Medizinprodukten könnten die Hersteller zwingen, sich intensiv mit der Maschinenrichtlinie und den dort genannten Normen zu befassen.
Änderungen der europäischen Medizinprodukte-Richtlinie stehen bevor: Ende März beschloss das Europäische Parlament, dass Medizinprodukte mit Eigenschaften, die für Maschinen typisch sind, auch den Sicherheitsanforderungen entsprechen müssen, die in der industrieüblichen Maschinen-Richtlinie enthalten sind. Davon betroffen wären Geräte, die mit Antrieben ausgestattet sind oder mit beweglichen Teilen, an die ein Antrieb angeschlossen wird. Das würde für Ventilatoren in Beatmungsgeräten ebenso zutreffen wie für Anästhesiegeräte, Infusionspumpen oder Teile des Operationsbestecks, sofern diese von elektrischer Energie oder Druckluft angetrieben sind.
Bisher machte die gültige Medizinprodukte-Richtlinie nur allgemeine Vorgaben dazu, was ein Hersteller tun muss, um die mechanische Sicherheit seiner Geräte zu gewährleisten. Details dazu sind in den branchenspezifischen harmonisierten Normen hinterlegt. Von den Vorgaben der Maschinenrichtlinie hingegen war die Medizintechnik ausdrücklich ausgenommen.
Nach den neuen Regeln müsste jeder Hersteller für seine Produkte überprüfen, ob sie unter die Maschinenrichtlinie fallen und inwiefern deren Vorschriften weiter reichen als die Medizinprodukte-Richtlinie. Diese weiterreichenden Forderungen müsste er erfüllen und dieses auch durch Tests nachweisen und dokumentieren. Die etwa 30 Seiten lange Maschinenrichtlinie verweist aber auf eine Reihe von harmonisierten Normen, deren Zahl Praktiker auf über 700 schätzen und unter denen sich möglichweise einige befinden, die sich auf Medizinprodukte nicht sinnvoll anwenden lassen.
Daher würde die geplante Medizinprodukte-Richtlinie mit Verweis auf die Maschinenrichtlinie für die Hersteller von Medizingeräten zu mehr bürokratischem Aufwand führen, warnt Sven Behrens, Hauptgeschäftsführer des Berliner Branchenverbandes Spectaris. „Wenn im Verlauf des Verfahrens keine Änderung mehr erfolgt, kommt auf die Medizintechnik-Industrie ein erhöhter Prüf- und Kostenaufwand zu.“ Als das Europäische Parlament die Änderung beschloss, seien die betroffenen Branchenverbände weder informiert noch in der Sache angehört worden.
Harmonisierung durch Normungsgremien könnte Aufwand reduzieren
Nun hofft Behrens darauf, beim Europäischen Rat oder im Vollzug der veränderten Richtlinie noch Änderungen zu erwirken. Über den in Brüssel ansässigen europäischen Branchenverband European Coordination Committee of the Radiological, Electromedical and Healthcare IT Industry (Cocir) werben die Berliner für Unterstützung aus anderen betroffenen Ländern und setzen sich für Regelungen ein, die den bürokratischen Aufwand in Grenzen halten. So könnte es hilfreich sein, Normungsgremien mit dem Abgleich der Normen zu beauftragen, die sowohl in der Medizinprodukte- als auch in der Maschinenrichtlinie erwähnt sind.
Die Spectaris-Fachleute rechnen derzeit damit, dass die Änderungen der europäischen Medizinprodukte-Richtlinie in der zweiten Jahreshälfte 2007 verabschiedet und im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden. Anschließend müssten sie mit einer Frist von voraussichtlich 15 Monaten in nationales Recht umgesetzt werden. op
Weitere Informationen www.spectaris.de
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