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Mit Glanz und Glimmer gegen Produktpiraten

Plagiatschutz: Moderne Sicherheitstechnologien erschweren den Ideenklau
Mit Glanz und Glimmer gegen Produktpiraten

Produktpiraten machen selbst vor sensiblen Produkten wie Medizintechnik und Medikamenten nicht halt. Mit Sicherheitslabel, Hologrammen und versteckten Farbpigmenten im Rohmaterial setzen sich die Hersteller der Originale zur Wehr.

Die Endoskope und endoskopischen Instrumente des Tuttlinger Hersteller Karl Storz GmbH & Co. KG sind aus der medizinischen Diagnostik und Operationstechnik nicht mehr wegzudenken und besitzen dort einen guten Ruf. Umso ärgerlicher für das Unternehmen, dass regelmäßig Fälschungen seiner Produkte auftauchen. Allein in den vergangenen drei Jahren wurden 23 deutsche Unternehmen identifiziert, die das Storz-Original eines Resektoskops kopiert haben. Selbst eine Firma aus dem gleichen Ort machte vor dem Ideenklau nicht halt und baute das Produkt nahezu identisch nach.

Während lange Zeit der Fokus der Produkt-piraten auf Musik und Textilien lag, gibt es heute kaum noch Produkte, die nicht kopiert werden. Die Ideendiebe werden immer dreister, die Folgen sind gesamtwirtschaftlich gesehen fatal: Nach Schätzungen verschiedener Verbände und Institute entsteht der Wirtschaft dadurch jährlich weltweit ein Schaden in dreistelliger Milliardenhöhe. Nach einer Studie der Technischen Universität München waren 2006 bereits vier Fünftel aller Unternehmen in Deutschland von Produkt- und Markenpiraterie betroffen. Der Zoll beschlagnahmte gefälschte Ware im Wert von 1,2 Mrd. Euro.
Der Schaden trifft aber nicht nur die Unternehmen, die Opfer von Produktfälschungen sind, sondern auch den Verbraucher, denn die Plagiate sind meist minderwertig und können sogar lebensgefährlich sein, besonders wenn es sich um medizinische Geräte oder Medikamente handelt. Hersteller von Medizinprodukten, die sich vor dem Ideenklau schützen wollen, setzen verstärkt auf den Einsatz moderner Sicherheitstechnologien – sowohl bei den Originalprodukten selbst als auch bei den Verpackungen. Ziel ist die Authentifizierung auf verschiedenen Ebenen der Prozesskette: vom Hersteller über Groß- und Zwischenhändler, Zollbehörden und Polizei bis zum Endverbraucher.
Doch gerade der Endverbraucher soll so wenig wie möglich mit dem heiklen Thema Produktpiraterie in Berührung kommen. „Die Hersteller informieren ihre Kunden ungern, dass es bei ihren Produkten ein Fälschungsproblem geben könnte“, weiß Thomas Völcker, Fachmann für Markenschutz bei der Schreiner Group GmbH & Co. KG in Oberschleißheim. Mit seinem Geschäftsbereich ProSecure bietet das Unternehmen selbstklebende Kennzeichnungen für den Produkt- und Markenschutz. Für einen Schweizer Hersteller von Blutplasmaprodukten sollte eine Produktserie von Infusionsflaschen vor Plagiaten geschützt werden. Dafür entwickelte ProSecure ein Spezialetikett mit einem Sicherheitshologramm, das eine schnelle Echtheitsprüfung der Infusionsflasche erlaubt. Völcker schätzt dabei vor allem den hohen Fälschungsschutz durch die Verbindung mit weiteren Sicherheitsmerkmalen wie Lasernummer oder Barcode.
Auch die Hamburger Tesa Scribos GmbH hat ihr Markenschutzprogramm um den Tesa Holospot erweitert. Das individuell computergenerierte, lasergeschriebene Hologramm verfügt über einen Barcode und eine Seriennummer auf einem Etikett. Die Identifikationsnummer kann mit einem gewöhnlichen Barcodescanner ausgelesen werden, was die Rückverfolgbarkeit des Produkts in der Logistikkette deutlich vereinfacht. Jeder unrechtmäßige Versuch, das Hologramm zu entfernen, bleibt sichtbar auf dem Etikett zurück. Das Label haftet auch auf kritischen Oberflächen. Hologramme, die nicht aufgeklebt werden können, lassen sich auch in Kunststoffe prägen oder in das Spritzgussverfahren mit einarbeiten.
Doch es gibt weitere Möglichkeiten, die Kennzeichnung in ein Kunststoffprodukt zu integrieren. Die Gerresheimer Wilden GmbH aus Regensburg bietet ihren Kunden eine Materialmodifikation mit äußerlich nicht erkennbaren IR-Pigmenten als funktionellem Zusatz zum Kunststoff-Rohmaterial. Dabei werden dem Thermoplast mikroskopisch kleine Partikel zugefügt, die, wie ein Fingerabdruck, eine eindeutige Zuordnung des Medizinteils ermöglichen (siehe Kasten).
Auch die Merck KGaA, Darmstadt, hat mit Spezialpigmenten den Kampf gegen Produktpiraten aufgenommen. Dr. rer. nat. Klaus-Christian Ullmann: „Natürlich wissen wir, dass ein hundertprozentiger Schutz unmöglich ist, aber es ist durchaus möglich, durch die Kombination von technischen Möglichkeiten die Fälschungssicherheit zu erhöhen.“ Seiner Ansicht nach liegt der effektive Produktschutz in der Kombination von offenen und verdeckten Merkmalen. Ein offenes Sicherheitsmerkmal wird vom Betrachter ohne technische Hilfsmittel erkannt. Verdeckte Merkmale, wie Pigmente, lassen sich dagegen nur mit technischen Hilfsmitteln erkennen.
Zu den verschiedenen Pigmenttypen zählen Absorptionspigmente, metallische Pigmente sowie Perlglanzpigmente. Die Pigmente bestehen aus natürlichem oder synthetischem Glimmer oder aus industriell gefertigtem Siliciumoxid. Dieses wird auf eine Größe zwischen 5 und 200 µm gemahlen und anschließend mit einer oder mehreren Metalloxidschichten überzogen. Abhängig von der Art des Trägers oder den aufgebrachten Oxidschichten zeigen sich, hervorgerufen durch Lichtinterferenz, die Farbeffekte, die sich je nach Blickwinkel verändern. Die relativ niedrigen Kosten und die vielfältigen Möglichkeiten ihrer Applikation machen die Perlglanzpigmente gerade für hochvolumige Artikel attraktiv. Einige Pigmenthersteller bieten den Unternehmen nur für Sicherheitsanwendungen reservierte Produkte, deren Farbum-schlag nicht oder nur mit großem Aufwand mit anderen Pigmenten nachgestellt werden kann. Um Verpackungen vor Nachahmern zu schützen, eigne sich laut Ullmann, vor allem die Zugabe von UV-Farbstoffen oder UV- Pigmenten zu den konventionellen Druck- farben. Leider sei es auch für potenzielle Fälscher keine besondere Schwierigkeit, mit diesen UV-Pigmenten zu arbeiten.
Bei anspruchsvollen Sicherheitsprodukten im medizinischen Bereich rät der Markenschutz-Experte deshalb zu Kombinationen: So können beispielsweise sichtbare variable Pigmente mit unsichtbaren, infrarot-aktiven Markierstoffen, so genannten Taggants, angereichert werden. Der Markierstoff wird dabei beim eigentlichen Produkt in Kombination mit einem silberweißen Perleffekt direkt bei der Herstellung in die Kunststoffmasse eingebracht, ohne die Funktionsweise des Produktes zu beeinträchtigen. Das Einarbeiten in die thermoplastischen Kunststoffe erfolgt in der Regel über Kunststoffkonzentrate, die Masterbatches.
Zwar ist bei einer Reihe von Kunststoffen auch die direkte Einbringung des Pigmentträgerpulvers möglich, die besten Resultate werden laut Ullmann aber mit Konzentraten erzielt. Um diese in den Kunststoffartikel zu bekommen, steht in der Regel das gesamte Spektrum der Thermoplastverarbeitung – Extrusion, Coextrusion, Spritzgießen – zur Verfügung. Der Nachweis erfolgt durch einen IR-Laser, dessen Emissionswellenlänge auf den eingesetzten Markierstoff abgestimmt ist. Zwar sei der Nachahmschutz dadurch ziemlich hoch, doch die Produktpiraten schlafen nicht. Dr. Ullmann: „Für welche Technologie man sich letztendlich entscheidet, es ist wichtig, diese regelmäßig einer kritischen Betrachtung zu unterziehen und, falls nötig, entsprechend nachzurüsten.“
Identifizierbarer Fingerabdruck durch Pigmenttechnologie oder Hologramme

Ihr Stichwort
• Produktschutz
• Kunststofftechnik
• Microtagging • Farbpigmente • Hologramme
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