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Mit Feingefühl zum Erfolg

Medizintechnik in Nordamerika: Über den großen Teich in einen Weltmarkt
Mit Feingefühl zum Erfolg

Trotz Wirtschaftskrise bleiben Kanada und die USA zwei der wichtigsten Exportziele für deutsche Medizintechnik. Beide Märkte bieten große Chancen – wenn man sie richtig zu nehmen weiß. Den Markteintritt gilt es gut zu planen.

Trotz der Wirtschaftskrise wird der US- Gesundheitsmarkt in seinen Kernbereichen nach Expertenmeinung ein stabiles Wachstum beibehalten. Für die deutsche Medizintechnikbranche bleibt das Land damit weiterhin das wichtigste und größte Exportziel. Vor allem Hersteller im oberen Qualitätsbereich können im US-Markt noch einige Nischenmärkte entdecken.

Das Marktforschungsunternehmen Frost&Sullivan prognostiziert, dass das Absatzvolumen auf dem US-Markt bis 2013 mit einer jährlichen durchschnittlichen Wachstumsrate von rund 9,3 % auf 138 Mrd. US-$ ansteigen wird. Die wichtigsten Importwarengruppen sind medizintechnische Instrumente und Geräte, orthopädische Ausrüstungen sowie Bestrahlungsgeräte. Deutsche Exporte finden sich in allen Warengruppen – außer bei mechano-therapheutischen Anwendungen und medizintechnischen Einrichtungsgegenständen – auf den vorderen Plätzen.
Und obwohl der Markt sehr wettbewerbsintensiv ist, gibt es Segmente, in denen deutsche Anbieter gute Absatzchancen haben. Allerdings ist der Markteinstieg in die Vereinigten Staaten aufgrund regulatorischer Anforderungen kompliziert und sollte von den Firmen gut vorbereitet werden.
Mit einer guten Vorbereitung macht sich nun auch die Maquet Cardiopulmonary AG, Hirrlingen und Hechingen, auf den Weg, den nordamerikanischen Gesundheitsmarkt zu erobern. Aktiv in Übersee ist der Anbieter von Patient-Care-Lösungen für die weniger invasive endoskopische Gefäßentnahme, für koronare Bypass-Operationen ohne Unterstützung durch die Herz-Lungen-Maschine sowie für Gefäßprothesen, schon länger. Durch die Integration des US-amerikanischen Medizintechnik-Herstellers Datascope Corp. in die Maquet Division Cardiovascular hat das Unternehmen zusätzliche Synergien beim Produktportfolio und bei der Marktbearbeitung erschlossen.
„Wer in den USA erfolgreich sein will, muss den US-amerikanischen Ansatz verinnerlichen“, erklärt Josef Bogenschütz, neuer Vorstandsvorsitzender von Maquet Cardiopulmonary. Nicht nur die lange Zulassungsdauer ist seiner Ansicht nach ein Stolperstein auf dem Weg in den amerikanischen Gesundheitsmarkt, sondern es sind auch die Kultur und die Mentalität der Amerikaner, die den Markteinstieg erschweren. „Es kostet unglaublich viel Überzeugungsarbeit und qualifizierte Unterstützung bei den Chirurgen, um unsere Produkte auf dem Markt zu positionieren, und auch die Verkäufer arbeiten ganz anders“, so Bogenschütz. „Aber wir hatten genügend Zeit, unsere Hausaufgaben zu machen, und sind jetzt gut aufgestellt, um die Herausforderungen des Marktes anzunehmen.“ Das Unternehmen, das sich bislang als Nummer drei der Herzchirurgie auf dem Weltmarkt sieht, hofft auf weitere Marktanteile. Denn der riesige US-Markt für Herzchirurgieprodukte wurde bislang von Maquet noch nicht in vollem Umfang bearbeitet – und das zusätzliche Potenzial sei gigantisch, schwärmt Bogenschütz. „Unser Gesamt-produktportfolio ist dort gefragt“, betont der Vorstandsvorsitzende. „Aber vor allem für Oxygenatore und Schlauchsets sehen wir einen großen Bedarf.“ Zudem wolle man sich durch umfassende Serviceleistungen Marktanteile sichern. „Wir rechnen mit einem deutlichen Umsatzzuwachs in den USA und auf große daraus resultierende Synergieeffekte.“ Denn vorerst sollen die USA von Deutschland aus mit Produkten beliefert werden, mittelfristig wolle man aber auch vor Ort fertigen.
Eine bedeutende Frage für investitionswillige Firmen wird es sein, wie die vom neuen US-Präsidenten Barack Obama angekündigte Reform des Gesundheitssystems angegangen wird. Obama plant unter anderem jenen rund 47 Mio. US-Bürgern, die nicht krankenversichert sind, den Zugang zu einer Versicherung zu öffnen.
Andy Reding, Geschäftsführer von Trumpf Medical Systems in Charleston, Südkalifornien, zeigt sich optimistisch, dass die neue US-Regierung ihre Ausgaben für den Gesundheitssektor erhöhen wird, und prognostiziert bei einer Ausweitung des Versicherungsschutzes einen erheblichen Nachfrageschub. Die aktuelle Situation auf dem US-Medizintechnikmarkt sei jedoch durch Unsicherheiten über die Konjunkturlage geprägt. Für die nächsten rund eineinhalb Jahre geht er von leicht sinkenden Umsatzwachstumsraten aus. Ursachen seien Unsicherheiten in Bezug auf Finanzierungen von Investitionen und weniger medizinische Eingriffe auf freiwilliger Basis aufgrund der sich verschlechternden Wirtschaftssituation. Langfristig, so Reding, wird der Markt auf den steilen Wachstumspfad zurückkehren.
Dass die US-Wirtschaftskrise nicht spurlos an der Branche vorbeigehen wird, zeigt ein aktueller Bericht der American Hospital Association (AHA). In der AHA-Umfrage gaben 45 % der Krankenhausbetreiber an, bei der Beschaffung von Medizintechnik Kürzungen vorzunehmen. Vor allem Unternehmen, die mit ihren Produkten ein Gesamtpaket an Service und Schulung anbieten können, werden nach Ansicht der Branchenexperten davon kaum betroffen sein.
Alles aus einer Hand anbieten zu können, ist auch das Konzept der Mannheimer Röchling-Gruppe. One-Stop-Shopping lautet das neue Zauberwort für den Erfolg: alle Röchling-Produkte aus einer Hand. Der Hersteller von Hochleistungskunststoffen, unter anderem für die Medizintechnik, hat mit der Einweihung seines sechsten Produktionsgebäudes für thermoplastische Kunststoffe in Gastonia/South Carolina den Wachstumskurs auf dem nordamerikanischen Markt fortgesetzt. In die neue Produktionsstätte mit einer Fläche von über 15 000 m² sind bereits die gesamte Produktion von thermoplastischen Halbzeugen der Röchling Sustaplast, die Plattenextrusion der Röchling Engineered Plastics sowie das Lager und die Verwaltung umgezogen.
Den Vertrieb der REP- und der Sustaplast-Produkte übernimmt die neue Vertriebsgesellschaft Röchling Engineering Plastics. Ludger Bartels, Mitglied der Geschäftsführung der Röchling-Gruppe und verantwortlich für den Unternehmensbereich Hochleistungs-Kunststoffe, ist von der Millionen-Investition überzeugt: „Trotz der momentanen Wirtschafts- und Finanzkrise betrachten wir Nordamerika, insbesondere die Vereinigten Staaten, als einen Zukunftsmarkt.“ Die Novalung GmbH aus Talheim hat sich für ihr Nordamerika-Geschäft einen Vertriebspartner gesucht und das kanadische Unternehmen Carestream Medical Inc. als exklusiven Händler für den Vertrieb seiner Produkte in Kanada unter Vertrag genommen. Das schwäbische Unternehmen entwickelt und fertigt mit dem iLA-Membranventilator ein künstliches Lungenunterstützungssystem.
„Carestream ist bestens in Kanada positioniert, um unsere Produkte adäquat zu repräsentieren“, erklärt Dr. Georg Matheis, Geschäftsführer von Novalung. „Das Team besteht aus Beatmungsspezialisten mit großer klinischer Erfahrung. Sie werden auf der bisherigen Erfahrung mit dem iLA-Membranventilator im Bereich der Lungentransplantation in Kanada aufbauen können.“
Der kanadische Markt für Medizinprodukte bleibt weiter stark abhängig von Importen. Insbesondere hochtechnisierte Produkte werden aus dem Ausland bezogen. Unternehmen wie die B. Braun Melsungen AG, die Bauernfeind AG und die Trumpf Medizin Systeme GmbH haben diese Chance bereits erkannt und beliefern den kanadischen Gesundheitsmarkt. Wie Katja Simon von der Germany Trade & Invest (gtai) erklärt, herrscht in Kanada zur Zeit eine starke Nachfrage nach Diagnosetechnik, zahnärztlichen Geräten sowie Röntgenteilen und Zubehör. Vor allem an Geräten für die Magnetresonanztomographie und die Computer-Tomographie bestehe ein hoher Bedarf. Wichtigster Abnehmer ist der öffentliche Sektor mit seinen Kliniken. „Die deutschen Anbieter sind zwar gut aufgestellt, bedeutendster Lieferant bleiben jedoch die USA.“
Die rund 1000 kanadischen Anbieter von Medizintechnik und medizintechnischen Produkten mit ihren 35 000 Mitarbeitern stellen vor allem Nischenprodukte her. Die Branche ist durch kleine und mittelständisch strukturierte Unternehmen geprägt. Die wichtigsten Zentren des kanadischen Gesundheitsmarktes sind Ontario, Quebec und British Columbia.
Die meisten Medizintechnikunternehmen – und damit der größte Umsatz – stammen jedoch aus der Region rund um Ontario mit rund 100 Biotechnologie-Unternehmen, knapp 600 Herstellern medizinischer Geräte und mehr als 60 Life-Science-Forschungszentren. Der Investitionsstandort in Kanadas Osten setzt dabei auf Teamwork aus interdisziplinären Forschungsaktivitäten, enger Kooperation von Wissenschaft, Wirtschaft und Ausbildung sowie die Einbindung von qualifizierten Arbeitskräften und Kapitalgebern.
Dr. Morris Millner, Vorsitzender der B2B- Life-Sciences-Plattform Health Technology Exchange (HTX) in Toronto, sieht Ontario als Kanadas Wirtschaftsmotor mit einer der weltweit höchsten Produktionsrate und dabei niedrigen Betriebs- und Lohnkosten, von denen ausländische Investoren profitieren. Hinzu kommen Rahmenbedingungen, die die Entwicklung des Sektors seit Jahren begünstigen: Ontario bietet als Teil der Freihandelszone Nafta Zugang zu einem der größten Absatz- und Zuliefermärkte der Welt. Dass die Region sich als einer der wichtigsten Life-Science-Standorte Nordamerikas fest etabliert hat, unterstreichen die Niederlassungen deutscher Unternehmen wie Carls Zeiss Canada Ltd., Draeger Medical Canada Inc., Fresenius Kabi Canada, Karl Storz Endoscopy Canada Ltd. sowie Siemens Healthcare Diagnostics.
Nordamerika bleibt trotz Finanzkrise ein Zukunftsmarkt für Medizintechnik

Software für FDA-Dokumentation
Die Verordnung 21CFR Part 11 definiert, welche Bedingungen elektronische Dokumentationen erfüllen müssen, damit die Food and Drug Administration (FDA) sie als zuverlässig anerkennt. Die Software Kumavision:med auf Basis von Microsoft Dynamics NAV unterstützt die Anforderungen und erleichtert Unternehmen das transatlantische Geschäft. Die integrierte ERP-Lösung für Hersteller von medizintechnischen Produkten verfügt durch die eigene Zertifizierung nach ISO 9001:2000 über geprüfte Prozesse in Produktentwicklung und Qualitäts- management. „Mit den betriebswirtschaftlichen Funktionen von Kumavision:med verwalten Hersteller medizintechnischer Produkte zahlreiche Aufgaben, die von 21CFR Part 11 betroffen sind“, erklärt Thomas Brauchle, Bereichsleiter Healthcare bei der Kumavision AG, Markdorf. Hauptsächlich geht es dabei um die lückenlose Dokumentation von Arbeitsabläufen, die Rückverfolgung der Produkte und den Nachweis der Echtheit von Dokumenten. Die FDA verlangt zudem, dass die Wertschöpfungskette von Medizintechnik- Produkten jederzeit möglich ist. Diese so genannte Traceability gewährleistet die Software durchgängig.

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