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Meine Luftröhre, mein Kopf

3D-Druck: Software unterstützt auf dem Weg zur personalisierten Medizin
Meine Luftröhre, mein Kopf

Patientenindividuelle, über 3D-Druck gefertigte Hörgeräte sind bereits in Millionen-Stückzahlen auf dem Markt. Es gibt jedoch weitere Ansätze und Behandlungsmethoden, die von dieser Fertigungstechnologie profitieren könnten.

Die additive Fertigung revolutioniert die medizinische Landschaft auf vielen Ebenen. Ein sehr gutes und nicht einmal exotisches Beispiel dafür, welche Möglichkeiten sie bietet, sind Hörgeräte. Hier wurden die Vorzüge der 3D-Druck-Technologie schnell erkannt: Die überschaubare Größe der Geräte, die Anforderungen an ihre Materialeigenschafen, die hohen Kosten der traditionellen Fertigungsmethoden sowie die Vorteile einer patientenspezifischen Adaption machen sie zum idealen Objekt für den 3D-Druck. Mittlerweile sind über 10 Millionen generativ gefertigte Hörgeräte in den Markt gebracht worden, wie Phil Reeves, 3D-Druck Experte und Geschäftsführer des britischen Beratungsunternehmens Econolyst Ltd., in einem Bericht schreibt.

Anwender bedienen sich der 3D-Druck-Technologie aber auch, um ganz neue Möglichkeiten in der medizinischen Versorgung zu schaffen. So machten Scott Hollister, Ph.D., und Glenn Green, MD von der University Michigan/USA, Schlagzeilen mit einer patientenspezifischen, 3D-gedruckten, bioresorbierbaren Luftröhre. Diese hat bereits mehrere Kinder mit einer lebensbedrohlichen und seltenen Krankheit, der Tracheobronchomalazie, vor dem Ersticken bewahrt. Für sie wurden patientenspezifische Implantate entworfen, und diese ließen sich dank der jüngsten Entwicklungen in der Materialforschung und den Fortschritten im 3D-Druck auch umsetzen.
Ein weiterer Bereich, in dem die generative Fertigung Vorteile bietet, ist die Planung komplexer Operationen, die angeborene Herzfehler korrigieren. Die amerikanische Kosair-Kinderklinik wurde mit dem Fall eines vierzehn Monate alten Babys mit vier solcher Herzfehler konfrontiert. Die Komplexität der Fehlbildungen erschwerte die Planung der Operation sehr. Ein physisches Modell und eine 3D-Visualisierung des Organs waren unentbehrlich. Mit Hilfe des Software-Pakets Mimics Innovation Suite des belgischen Unternehmens Materialise konnte die kardiovaskuläre Anatomie des Kindes genau dargestellt und für eine bessere Visualisierung skaliert werden. Das Modell wurde in drei Teile geschnitten, so dass die internen Strukturen des Herzens eindeutig zu analysieren waren. Dank des 3D-gedruckten Modelles waren die Chirurgen im Stande, die Operationsstrategie zu vereinfachen und die Herzfehler letztlich zu korrigieren. Diese Herangehensweise war wirksam und minimierte den postoperativen Behandlungssaufwand.
Operationen im Mund-Kiefer-Gesichts-Bereich profitieren ebenfalls vom 3D-Druck, da an Kopf und Hals nicht nur die Anatomie korrigiert werden soll, sondern auch hohe ästhetische Anforderungen gelten. Unternehmen wie OBL in Paris nutzen die Mimics-Innovation-Suite-Software, um anhand der gesunden Gesichtshälfte eines Patienten die fehlende Hälfte zu rekonstruieren. Mittels 3D-Druck aus Titanpulver lassen sich auf dieser Basis leichte und stabile Implantate herstellen, die der Anatomie des Patienten entsprechen. Materialise testet derzeit die additive Fertigung mit Titan, um dessen Anwendung für medizinische Zwecke weiterzuentwickeln. So sollen Implantate mit einer porösen Struktur gefertigt werden, die dem thermischen und mechanischen Verhalten des menschlichen Knochens gleichkommen.
Da Versicherungsgesellschaften solche innovativen Methoden jedoch noch nicht in ihre Vergütungssysteme aufgenommen haben, kommen sie derzeit hauptsächlich für extrem komplexe oder hoffnungslose Fälle in Betracht – obwohl sie klinische Ergebnisse verbessern und die Gesamtbehandlungskosten reduzieren können.
Ärzte der Bostoner Kinderklinik ließen sich von solchen Überlegungen jedoch nicht abschrecken und nutzten ein elastisches, 3D-gedrucktes Kunststoffmodell, das dem Gehirn eines Kindes entsprach. Alle Blutgefäße waren darin in einer Kontrastfarbe dargestellt, um eine Hemisphärektomie zu üben – ein äußerst komplexes und seltenes Verfahren, bei dem eine Hirnhälfte von der anderen getrennt wird. Die Planung und Simulation mit dem 3D-Modell hat den Chirurgen sehr geholfen und dazu beigetragen, dass die Operation des Kindes erfolgreich verlief.
Markus Fremmer Materialise, Gilching/Deutschland
Weitere Informationen Die Möglichkeiten und Vorteile des 3D-Drucks im klinischen Umfeld stellt Materialise in einem Seminar am 2. Dezember 2014 in Berg am Starnberger See vor. Im Vordergrund stehen kardiovaskuläre und interventionelle Fragen. www.materialise.de/3D-Druck-in-Krankenhausern

Ein anderer Blick auf den Patienten
Materialise, ein in Belgien ansässiges, börsennotiertes Unternehmen (MTLS), begann seine Laufbahn als Spezialist für additive Fertigung bereits im Jahre 1990 und hat sich inzwischen zu einem der Marktführer für 3D-Druck, Software für die medizinische Bildverarbeitung und CAD-Software entwickelt. Über eigene, dreidimensional gedruckte Medizinprodukte hinaus bietet Materialise ein Software-Paket an, die Mimics Innovation Suite. Damit lassen sich 3D-Modelle aus patientenspezifischen, im CT oder MRT erstellten Bilddaten generieren. Solche virtuellen Modelle dienen zur anatomischen Quantifizierung, zur Operationsplanung oder zur virtuellen Platzierung und Überprüfung von Implantaten. Letztere können mit der Software auch patientenspezifisch konstruiert und zum Beispiel durch eine FEA-Simulation getestet werden. Der 3D-Druck dieser Modelle ist möglich, beispielsweise als Anschauungs- oder Schulungsobjekt, oder um dem Patienten die Zusammenhänge besser erläutern zu können.

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